Bei einer prämenstruellen dysphorischen Störung zeigen Frauen in der zweiten Zyklushälfte nicht nur die auch beim prämenstruellen Syndrom auftauchenden körperlichen Beschwerden wie Bauchkrämpfe, Rückenschmerzen oder spannende Brüste, sondern bei ihnen kommt eine psychische Komponente hinzu, indem sie in dieser Zeit sehr gereizt, weinerlich, aggressiv oder auch impulsiv sind. Das Charakteristische an der prämenstruellen dysphorischen Störung ist, dass Frauen sich in dieser Phase anders verhalten als sonst, sodass man den Eindruck gewinnen kann, es handle sich um einen ganz anderen Menschen. Mit Beginn der Menstruation ist schlagartig wieder alles beim Alten. In einer leichten Form leiden etwa zehn bis fünfzehn Prozent aller gebärfähigen Frauen an einer prämenstruellen dysphorischen Störung und nur bei drei bis acht Prozent ist die Störung so stark ausgeprägt, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen können.
Seit ein paar Jahren ist die prämenstruelle Dysphorie als eigene, psychische Störung anerkannt, sodass diese prämenstruelle Störung besser von anderen hormonellen Beschwerden abzugrenzen ist. Ein zuverlässiger Befund wird dadurch erschwert, dass sich aus den Blut- und Hormonwerten in den seltensten Fällen ein Hinweis auf eine dysphorische Störung ablesen lässt. Es wird daher häufig empfohlen, vor dem Arztbesuch ein Stimmungstagebuch über einen Zeitraum von mindestens drei Monatszyklen zu führen, um bestimmte Muster zu identifizieren. Treten Symptome etwa auch in der ersten Zyklushälfte auf, kann eine prämenstruelle Dysphorie ausgeschlossen werden. Es gibt übrigens auch zahlreiche Applikationen wie „Clue“, „Ovy“ oder „Flo“, mit denen man seine Gemütslagen einfach und unkompliziert tracken kann.
Rund zehn bis fünfzehn Prozent aller gebärfähigen Frauen haben eine leichte Form der prämenstruellen Dysphorie, d. h., sie können sich mit den depressiven Phasen vor der Menstruation irgendwie arrangieren und schaffen es, ihren Alltag und Beruf weiterhin zu bewältigen. Manche Betroffene leiden allerdings so extrem an einer prämenstruellen Dysphorie, dass sie ab der zweiten Hälfte des Zyklus stark eingeschränkt sind. Entweder ziehen sich die Betroffenen dann aus ihrem sozialen Umfeld zurück, fühlen sich extrem traurig und emotional, verlieren ihr Selbstwertgefühl und sind nicht mehr richtig bei der Sache. Oder die prämenstruelle Störung schlägt in die andere Richtung und die Betroffenen werden besonders aggressiv, reizbar und verlieren jegliche Kontrolle über sich, was sich dann negativ auf die Beziehung oder den Beruf auswirken kann.
Ein Beschwerdebild mit überwiegend seelischen und psychosozialen Beschwernissen bietet zahlreiche Erklärungsversuche auf psychologischer Ebene, doch gibt es nach Ansicht von Experten keine schlüssigen Hinweise darauf, dass ein solches prämenstruelles dysphorisches Syndrom in entscheidender Weise durch psychologische Faktoren ausgelöst wird. Vor allem lässt sich kaum schlüssig nachweisen, selbst bei unterdrückten Konflikten im Rahmen des weiblichen Rollenverständnisses, warum sich alles immer nur so kurz und geballt abspielen soll, vor und nach der Monatsblutung aber keine psychologische Bedeutung zu haben scheint. Hier wird der zeitlich begrenzte Einfluss biologischer Ursachen deutlich. Außerdem fand sich bisher kein spezifischer Persönlichkeitstypus oder gar eine entsprechende neurotische oder Persönlichkeitsstörung, die man mit diesen hormonellen Veränderungen in Verbindung bringen könnte.
Es handelt sich in jedem Fall um eine Veränderung im Hormonstoffwechsel, denn nach dem Eisprung docken bestimmte Hormone im Gehirn nicht mehr ausreichend an, wodurch die Frauen in dieser Phase besonders sensibel auf Veränderungen im Hormonhaushalt reagieren. Es wird angenommen, dass die prämenstruelle Dysphorie mit dem Zusammenspiel von Hormonen und dem Neurotransmittersystem im Gehirn in Verbindung steht. Studien deuten an, dass Östrogen und Progesteron sich vor allem den Neurotransmitter Serotonin auswirken. Dieser beeinflusst die Stimmung positiv, weil er Ängste und Aggressionen abmildert, sodass sich Depressionen und Aggressionen unter anderem mit einem Mangel an Serotonin begründen lassen. Sobald die Regelblutung eintritt, verschwinden die Symptome der prämenstruellen Dysphorie übrigens so schnell, wie sie gekommen sind, was am schnellen Abklingen des Östrogenspiegels liegt. Dadurch lässt sich diese Störung auch am besten von einer einfachen Depression abgrenzen, denn während eine prämenstruelle Dysphorie zeitlich begrenzt ist und in dem Zeitraum zwischen Eisprung und Einsetzen der Regelblutung stattfindet, ist eine normale Depression zyklusunabhängig, sodass Betroffene auch schon in der ersten Zyklushälfte lustlos, traurig oder niedergeschlagen sind.
Bestätigt wurde dass auch in einer neueren Studie (Sacher et al. 2023), bei der man auf eine Fehlregulierung des Neurotransmitters Serotonin im Gehirn betroffener Frauen stieß. Durch das zyklusabhängige Auftreten der Symptome liegt es nahe, dass hormonelle Fluktuationen einen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen haben, wobei betroffene Frauen zwar keine veränderten Sexualhormonspiegel in der Peripherie aufweisen, aber ihr Zentralnervensystem scheint besonders sensibel darauf zu reagieren, wenn die Hormonspiegel in der prämenstruellen Phase fallen. In einer longitudinalen Fall-Kontroll-Studie wurden mittels Positronen-Emissionstomografie über mehrere Monate hinweg Gehirn-Scans während jeweils zwei Zyklusphasen (periovulatorisch, prämenstruell) durchgeführt. In der prämenstruellen Phase war bei betroffenen Frauen die Serotonin-Transporterdichte im Gehirn erhöht, was zu einem Verlust von Serotonin im synaptischen Spalt und infolgedessen zu affektiven Symptomen führen kann. Dieser Befund war überraschend, weil man bisher dachte, der Serotonin-Transporter sei ein individuelles Merkmal, das sich in einer derartig kurzen Zeitspanne von zwei Wochen nicht verändert. Aus den gewonnenen Daten leitete man nun ab, dass eine intermittierende Gabe von selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren über wenige Tage zur Behandlung sinnvoll sein könnte. Übrigens könnte sich auch der Verzehr von Lebensmitteln, die die Serotonin-Vorstufe Tryptophan enthalten, wie Käse, Geflügel, Tofu und Nüsse, oder eine Lichttherapie mit einer Tageslichtlampe positiv auf den Serotonin-Spiegel auswirken.
Auch scheinen genetische Aspekte wie erbliche Belastungsfaktoren eine gewisse Rolle zu spielen, denn 70 % aller Töchter von Betroffenen sollen ebenfalls darunter leiden. Auch Zwillingsuntersuchungen an eineiigen Zwillingen scheinen das zu bestätigen.
Literatur
https://www.emotion.de/psychologie-partnerschaft/depressionen-vor-der-periode (22-01-07)
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/depression4b.html (15-11-15)
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/05/23/wie-ssri-bei-praemenstrueller-dysphorischer-stoerung-helfen-koennten (23-05-24)