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Developmental Topographical Disorientation (DTD)

    Die Developmental Topographical Disorientation (DTD) – auch entwicklungsbedingte topographische Desorientierung, Topographagnosie, topographische Desorientierung – ist ein Begriff für die Unfähigkeit mancher Menschen, trotz guter kognitiver Funktionen und ohne eine Gehirnläsion, sich in eigentlich bekannten Räumen orientieren zu können, wobei die Ursachen in der Regel Schäden des rechten Schläfenlappens, insbesondere des Gyrus parahippocampalis darstellen. Durch diese Störung werden Menschen daran gehindert, eine kognitive Landkarte ihrer Umgebung zu bilden bzw. sie sind kaum in der Lage, sich Wegmarken zu merken. Auch können sie bei einer vorgegebenen Richtung größere Hindernisse nicht umgehen, ohne dabei die Orientierung zu verlieren, auch wenn das Erkennen von Gegenständen in der Regel erhalten ist. Bei der Developmental Topographical Disorientation handelt es sich also um eine neurologische Entwicklungsstörung, die die Fähigkeit, sich in der Umwelt zu orientieren, trotz gut erhaltener kognitiver Funktionen und ohne eine Hirnläsion oder andere neurologische oder psychiatrische Erkrankungen beeinträchtigt.

    Die in der Fachliteratur beschriebenen Fälle weisen dabei unterschiedliche Beeinträchtigungen der Navigationsfähigkeiten auf, die von Defiziten des topografischen Gedächtnisses bis hin zur Landmarkenagnosie reichten. In allen Fällen fehlte eine mentale Repräsentation der Umwelt, die es ermöglicht hätte, räumliche Orientierungsstrategien höherer Ordnung anzuwenden. Zusätzlich zu Einzelfallstudien zeigte eine in Kanada durchgeführte Gruppenstudie, dass die Störung weiter verbreitet ist als angenommen.

    Piccardi et al. (2022) haben jüngst das Auftreten der Störung bei jungen italienischen Probandinnen und Probanden untersucht, wobei sich die Stichprobe aus Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren zusammensetzte, um jene auszuschließen, bei denen sich der Verlust der Navigationsfähigkeit als Folge eines beginnenden kognitiven Rückgangs manifestieren könnte. Die Stichprobe wurde zwischen 2016 und 2019 mit Hilfe der Qualtrics-Plattform erhoben, wobei die Skala für Vertrautheit und räumlichen kognitiven Stil sowie ein anamnestisches Interview durchgeführt wurden. Die Daten zeigten, dass die Störung bei 3 % der Stichprobe auftritt und dass der Orientierungssinn eng mit der Ortskenntnis, den verwendeten Navigationsstrategien und dem Geschlecht zusammenhängt. Im Allgemeinen verwenden Männer komplexere Navigationsstrategien als Frauen, obwohl Developmental Topographical Disorientation aber bei Männern häufiger vorkommt als bei Frauen. Navigationsschwierigkeiten können daher mit einer neurologischen Entwicklungsstörung in Verbindung gebracht werden, die speziell die Navigationsfähigkeiten behindert.

    Literatur

    Piccardi, Laura, Palmiero, Massimiliano, Cofini, Vincenza, Verde, Paola, Boccia, Maddalena, Palermo, Liana, Guariglia, Cecilia & Nori, Raffaella (2022). “Where am I?” A snapshot of the developmental topographical disorientation among young Italian adults. Public Library of Science, 17, doi:10.1371/journal.pone.0271334.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Topographagnosie (22-07-07)


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