Zum Inhalt springen

Musikpsychologie

    Die Musikpsychologie untersucht die Besonderheiten der musikalischen Wahrnehmung, die musikalische Entwicklung von Laien und Experten und emotionale und sozialpsychologische Effekte beim Musikhören. Ein weiterer wesentlicher Forschungsbereich liegt in der Untersuchung der musikalischen Entwicklung und des musikalischem Lernens, wobei jeder Mensch sein Leben lang Musik hört und viele auch einmal ein Instrument lernen.

    Die Musikpsychologie ist aber auch ein Teilgebiet der Systematischen Musikwissenschaft und versucht die Erforschung universeller Gesetzmäßigkeiten beim Musizieren und Musikhören mit den Methoden der Psychologie zu untersuchen. Zentrale Themen sind dabei etwa die Wahrnehmung von Musik, die musikalische Sozialisation und das Musikverstehen. Die Musikpsychologie greift dabei neben der Psychologie aber auch auf Aspekte der Akustik, der Pädagogik oder der Kommunikationswissenschaft zurück. Letztlich versucht Musikpsychologie vor allem psychische Vorgänge bei der musikalischen Produktion, Interpretation und Rezeption zu untersuchen, also die Beziehung zwischen Mensch, Musik und Umwelt sowie die emotionale Wirkung der Musik. Bekanntlich hat sich die Psychologie als eine eigenständige Wissenschaft schon sehr früh mit der Rezeption und mit dem ästhetischen Genuss von Musik, dem musikalischen Schaffensprozess, der Entwicklung musikalischer Fertigkeiten und allgemein der gesellschaftlichen und kulturellen Relevanz des Phänomens Musik beschäftigt. Wilhelm Wundt etwa hat die Musikpsychologie als ein ursprüngliches Teilgebiet der Philosophie durch die Eröffnung eines Laboratoriums in Leipzig für experimentell Untersuchungen zugänglich gemacht.

    Als angewandte Musikpsychologie leistet die Disziplin einen Beitrag zur Betreuung von Musikern, was Aspekte wie Umgang mit Stress und Lampenfieber, mentales Training, Konzentrationspraxis, Auftrittscoaching und Bühnenperformance beinhaltet. Ein weiterer wesentlicher Bereich der Musikpsychologie betrifft die Rezeption von Musik, also den Umgang von Laien mit der Musik.

    Die Hauptschwerpunkte der aktuellen Forschung der Musikpsychologie sind u. a.

    • Wahrnehmung von Musik
    • psychologische und physiologische Wirkung von Musik
    • Beeinflussung durch Musik
    • therapeutische Wirkung von Musik
    • emotionale Wirkung von Musik
    • Präferenzen beim Hören von Klängen und Musik
    • Interpretation  von Musik aus verschiedenen Blickwinkeln

    Beispiele für Untersuchungen aus der Musikpsychologie

    Sprache und Musik sind menschliche Universalien und einander in Rhythmus, Betonung, Melodie und Klang akustisch recht ähnlich, wobei Menschen auf der ganzen Welt sie oft in Form von Vokalliedern vermischen. Diese Verschränkung der kognitiven Bereiche von Sprache und Musik ist eine Herausforderung für das auditorische kognitive System des Menschen, denn es stellt sich die Frage, wie Zuhörer Worte und Melodien aus einer einzigen Schallwelle extrahieren. Sprache wird bekanntlich vor allem links, Musik insbesondere die Töne vor allem rechts im Gehirn verarbeitet. Man vermutet, dass die Spaltung bereits im Signal beginnt, dass Sprache und musikalische Klänge sich also in Details ihrer akustischen Struktur unterscheiden und somit unterschiedliche rezeptive Präferenzen der linken und rechten Hörrinde des Gehirns aktivieren. Albouy et al. (2020) liefert dabei Belege für die biophysikalischen Grundlagen zur der immer noch ungelösten hemisphärischen Asymmetrie der Sprach- und Musikwahrnehmung beim Menschen, indem sie zeigen, dass die linke und die rechte Hörregion des Gehirns unterschiedlich zur Entschlüsselung von Worten und Melodien in Liedern beitragen. Man hat dies mit Hilfe von A-capella-Liedern untersucht, bei denen die Stimme allein Text und Melodie transportiert, wobei zehn Sätze mit zehn Melodien zu 100 Liedern (englisch und französisch) kombiniert wurden, indem einmal die zeitliche Struktur immer weiter verfälscht wurde, das andere Mal die Frequenzen. Bekanntlich spielen Tempo und Rhythmus beim Sprachverständnis eine wichtige Rolle, denn es kann sich sogar die Bedeutung verändern, je nachdem, ob eine Silbe lang oder kurz ausgesprochen wird, während Änderungen im Frequenzspektrum und somit bei den Tönen und der Melodie hingegen für das musikalische Verständnis wichtiger sind. Wenn die zeitliche Struktur der Lieder verzerrt war, hatten die Probanden und Probandinnen Schwierigkeiten, sprachliche Inhalte zu erkennen und zu unterscheiden, während sich verzerrte Klangfrequenzen hingegen beim Erkennen der Melodien auswirkten. Die Reaktionen auf die akustischen Veränderungen spiegelten sich auch im Gehirn wieder, denn bei den eher sprachlichen Aspekten war die linke Gehirnhälfte aktiver, bei den musikalischen die rechte. Diese Spezialisierung optimiert offenbar die parallele Verarbeitung von Sprache und Musik. Vermutlich sind die Grenzen zwischen sprachlicher und musikalischer Verarbeitung aber nicht ganz so scharf zu ziehen, denn so äußern sich manche sprachlichen Nuancen auch in der Melodie und im Tonfall, auf der anderen Seite sind selbst kleine rhythmische Änderungen in der Musik mitunter entscheidend, etwa wenn ein Orchester gemeinsam den Takt halten möchte. Insofern gibt es wahrscheinlich doch auch ein paar Überschneidungen bei der Verarbeitung von Musik und Sprache (Sammler, 2020).

    Von Georgi, R., Reuter, C. & Damm, R. (2017) haben in einer online-Befragung zum Thema der subjektiven Wirkung von Musik in Hotellerie- und Gastronomiebetrieben versucht, die subjektive Bedeutung von Musik zu erfassen. Es zeigt sich, dass Menschen Gaststätten, Kneipen und Bars aufgrund deren spezifischer Musik aufsuchen, um das gemeinsame Miteinander, den Genuss und eine positive Aktivierung mittels Musik zu verstärken und zu modulieren. Die Ergebnisse zeigen vor dem Hintergrund neuerer Ansätze zur bewussten Emotionsmodulation mittels Musik, dass Individualität, Konsum und Musikpräferenz eine enge Beziehung eingehen. In einer typologischen Zusammenfassung wurden vier Personengruppen mit einem abgrenzbarem Verhalten und Erleben entdeckt.

    Der Kontrolltyp sucht gezielt Lokalitäten nach der dort spielenden Musik aus (Situationskontrolle) und die Vorhersagbarkeit steht somit an vorderster Stelle des Gaststättenbesuchs. Hierbei bevorzugt er eher Evergreens (Bekanntheitsgrad) sowie live- Musik (Musikerleben) nicht jedoch aktuelle Popmusik (Medienverbreitung). Ihm ist es sehr wichtig, dass eine enge synonyme Beziehung zwischen dem Ambiente der jeweiligen Gaststätte und der eigenen Person bestehen sollte, um eine positive Wirkung zu entfalten (PE-Fit).
    Der Kontrolltyp ist der Überzeugung, dass Musik sein Konsumverhalten beeinflusst, bleibt länger in Gaststätten, gibt hierbei aber nicht deutlich mehr Geld aus.

    Für den Party-Typ steht das miteinander Erleben und Singen deutlich im Vordergrund (soziale Synchronisation), wobei die entsprechende Musik eindeutig durch die Möglichkeit des Mitsingens gekennzeichnet sein sollte (Mitsingpotenzial). Dieses betrifft auch live- Musik (Intimität und Passung), wobei davon auszugehen ist, dass es sich hierbei eher um Bands handeln dürfte, die bekannte oder aktuelle Songs live darbieten, bei denen man ebenfalls mitsingen kann. Hierbei ist es eher unwichtig, ob die Lokalität und die Person eine Passung aufweisen (PE-Fit), bzw. das Ambiente ist nicht von Bedeutung, was sich auch in einer geringeren Bedeutung einer allgemeinen Sauberkeit (Hygiene) der Gaststätte wiederspiegelt. Der Party-Typ ist der Überzeugung, dass Musik sein Konsumverhalten ändert und gibt auch tatsächlich mehr Geld für Getränke aus. Jedoch weist er eine verkürzte Aufenthaltsdauer auf.

    Der Genusstyp möchte mittels Musik gezielt seine Wahrnehmung positiv beeinflussen (Genussregulation) und bevorzugt hierfür aktuelle Popmusik (Musikpräferenz und Medienverbreitung) und Evergreens (Bekanntheitsgrad) aber auch live-Musik (Musik- erleben). Auch diesem Typ ist die Passung zwischen der Lokalität und der eigenen Person sehr wichtig. Der Genusstyp ist ebenfalls der Überzeugung, dass Musik das Konsumverhalten ändert. Tatsächlich gibt er auch mehr Geld aus, allerdings nicht für Getränke sondern vielmehr für Speisen. Zudem verweilt er länger an der jeweiligen Lokalität.

    Für den Aktivationstyp wird Musik zur eigen positiven Aktivierung und zur Stimmungsregulation in Gaststätten verwendet (Aktivierung), wobei im Gegensatz zum Party-Typ das gemeinsame Singen und Erleben nicht primär im Vordergrund steht, sondern vielmehr die selbstbezogene Regulation des Erlebens. Hierbei stehen Evergreens (Bekanntheitsgrad) im Vordergrund, die vor allem aus dem Bereich der Popularmusik, Rock und Volksmusik entstammen (Präferenz). Klassik oder Alternative Rock wird hingegen deutlich abgelehnt. Zusätzlich ist der Aktivationstyp nicht auf neue Erfahrungen ausgerichtet (Offenheit) was auch seine generelle Ablehnung von live-Musik erklärt. Vielmehr möchte er „das Altbewährte“, so dass eine gezielte Stimmungsregulation auch jederzeit möglich ist. Der Aktivationstyp gibt in Gaststätten dann tatsächlich auch mehr Geld für Speisen und Getränke aus, bleibt jedoch nicht länger und glaubt auch nicht an eine konsum- beeinflussende Wirkung von Musik.

    Es zeigte sich auch, dass für den Kontroll-, Genuss- und Aktivationstyp eine Transparenz der Musik einer Gaststätte von entscheidender Bedeutung ist, wie dies etwa durch Ankündigung oder Bekanntmachung dem Gast zugänglich gemacht werden kann. Hierbei ist es wichtig, dass nicht nur Gaststätte und Person ein Passung aufweisen können, sondern auch die Musik zum Ambiente der jeweiligen Lokalität passt. Im Vordergrund steht nicht etwa klassische Musik, sondern vielmehr Evergreens und aktuelle Popularmusik. Um diese Musik tatsächlich positive einsetzen zu können, empfiehlt es sich auf eine professionelle und gewissenhafte Gestaltung entsprechender Playlisten zurückzugreifen. Auf eine Variation der Lokalität in Form der gespielten Musik oder des Ambientes (Raumausstattung) sollte dringend verzichtet werden. Konstanz scheint hier möglicherweise eine wichtige Variable für eine hohe Gastbindung darzustellen. Spannend ist zudem, dass den meisten Gästen die Urheber-Verwertungs-Problematik bekannt ist und durchaus auch ein differenziertes Bewusstsein hierfür zu bestehen scheint. Für den Party-Typ sollte der Gastwirt durchaus eine Kosten-Nutzen-Überlegung vornehmen. Dieser Typ ist zwar an aktueller Popmusik und Volksmusik interessiert und weist eine deutliche Orientierung bezüglich der sozialen Wirkung von Musik auf, besitzt jedoch neben einer kurzen Aufenthaltsdauer kaum Interesse am Ambiente, der Passung oder gar Hygiene. Hier ist durchaus zu überlegen, ob sich eine Ausrichtung an diesem Typen langfristig lohnt, da dieses aufgrund von Aspekten des Ambientes der Einrichtung und einer ständige Änderung der Musik, im Sinne aktueller Chartbreaker, eher zu einer geringeren Frequentierung der Gaststätte durch die verbleibenden drei Typen führen dürfte. Trotz der Unterschiede zwischen diesen vier Gasttypen wirkt Musik nicht nur auf das subjektive Empfinden und das Konsumverhalten, sondern ist grundsätzlich von entscheidender Bedeutung, ob es „ein guter Abend“ wird, und zwar sowohl für den Gast als auch für den Gastwirt.

    Musik, Emotion, Gedächtnis und Prägung des Musikgeschmacks

    Menschen speichern Tausende von Melodien in ihrem Gehirn, wobei diese Erinnerungen erstaunlich präzise und binnen Millisekunden abrufbar sind, und bekanntlich auch zu den letzten gehören, die Menschen mit Demenz noch erinnern. Interessanterweise wird der Rhythmus in einer anderen Hirnregion verarbeitet als die Melodie oder die Klangfarbe, sodass das Musikgedächtnis auf Grund seiner verteilten Struktur gegen den Ausfall einzelner Netzknoten immun ist, wodurch das Musikgedächtnis besonders robust ist, selbst wenn die Gehirnleistung nachlässt. Hinzu kommt die Verknüpfung von Höreindruck und Gefühl, denn kaum eine musikalische Erinnerung ist emotional neutral, d. h., das Gefühlszentrum im Gehirn wird immer mit angesprochen, und das umso mehr, je intensiver die Gefühle waren, die man beim ersten Hören empfunden hatte. Durch die starke Verbindung von musikalischen Erinnerungen und Gefühlen ist das musikalisches Gedächtnis dauerhafter als alle anderen bewussten Erinnerungen.

    Musik kann Gefühle und Gedanken unmittelbar beeinflussen, denn in einer Studie stellte man fest, dass Menschen eher daran glauben, in einem Lotteriespiel zu gewinnen, wenn sie vorher fröhliche Melodien gehört haben. Dieser Optimismus verdrängt sogar die bei Menschen vorhandene natürliche Neigung, vom Negativen auszugehen. Musik beeinflusst auch, wie hell oder dunkel Menschen Farben wahrnehmen, denn heitere Klänge lassen Flächen oft heller erscheinen. Man vermutet, dass die frühe Prägung des Musikgeschmacks im Jugendalter damit zusammenhängt, dass Pubertierende auf Grund des Umbaus in ihrem Gehirn Emotionen besonders intensiv erleben, da das neuronale Belohnungssystem wird in dieser Zeit durch den Botenstoff Dopamin stark aktiviert wird. Viele Heranwachsende suchen in der Musik zudem Trost oder Ablenkung, sodass die Musik, die ihnen in dieser Zeit geholfen hat, dann später im Leben ebenfalls gute Gefühle auslöst. Bei einer Analyse von Spotify-Profilen zeigte sich, dass die NutzerInnen offenbar bevorzugt Musik hören, die erstmals in ihrer Jugend veröffentlicht worden ist. Mädchen entwickeln einen dezidierten Musikgeschmack bereits mit etwa 13 Jahren, Jungen mit 14. Offenbar gibt es also Musik, die Menschen einfach deshalb später im Leben Zeit gefällt, weil sie dieser in einer sensiblen Phase ihres Lebens begegnet sind. Geschmack hat bekanntlich viel mit autobiografischen Erinnerungen zu tun.

    Musik beeinflusst die Erinnerungen von Menschen

    Die positive Wirkung von Musik steht in engem Zusammenhang mit der Ausschüttung von Botenstoffen wie Oxytocin, Serotonin, Endorphinen und Dopamin, die einen Cocktail von Gefühlen wie Wohlbefinden, Glück und Euphorie auslösen können und auch bei anderen angenehmen Erlebnissen wie gutem Essen oder Sex ausgeschüttet werden. Die emotionalen Reaktionen auf Musik werden in der Amygdala, einer evolutionär sehr alten Region des Gehirns, erzeugt und musikbezogene Erinnerungen werden im benachbarten Hippocampus gespeichert, während gleichzeitig der präfrontale Cortex, der für höhere kognitive Funktionen zuständig ist, eng mit dem Hippocampus zusammenarbeitet, wenn es darum geht, musikalische Erinnerungen abzurufen und ihnen eine autobiografische Bedeutung zuzuordnen. McClay et al. (2023) haben nun in Experimenten festgestellt, dass durch Musik hervorgerufene Emotionen dazu beitragen, dass sich im Gehirn separate und dauerhafte Erinnerungen bilden. Zu diesem Zweck ließen sie von Fachleuten Musikstücke komponieren, die gezielt darauf ausgelegt waren, freudige, ängstliche, traurige oder beruhigende Gefühle unterschiedlicher Intensität hervorzurufen, und spielten diese den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern vor, während sie eine Reihe neutraler Bilder auf einem Computerbildschirm sahen. Bei anschließenden Tests, bei denen die Erinnerung an die verschiedenen Bilder abgefragt wurde, zeigte sich, dass die Dynamik der durch die Musik hervorgerufenen Gefühle die ansonsten neutralen Erfahrungen beim Betrachten der Objekte in einprägsame Erlebnisse verwandelte und dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer besser an die Objekte erinnerten, die sie während eines Gefühlswechsels wahrgenommen hatten, wobei dieser Effekt bei positiven Gefühlen besonders stark war. Die Veränderungen der Emotionen, die durch die Musik hervorgerufen wurden, schufen Grenzen zwischen den Episoden, die es den Teilnehmenden erleichterten, sich daran zu erinnern, was sie gesehen hatten und wann sie es gesehen hatten.

    Musik und Fahrstil

    Musik beim Autofahren ist für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit, denn sie sorgt, besonders wenn man alleine fährt, für Abwechslung und Unterhaltung. Der Forschungsstand über den Einfluss von Musik auf das Autofahren ist eher rudimentär, denn die meisten Hypothesen über das Musikhören im Auto beruhen auf Intuition ohne wissenschaftliche Grundlage, sodass viele Untersuchungen letztlich zeigen, dass Musik wenig oder gar keine Auswirkungen auf die Fahrerin oder den Fahrer hat. Nur wenige Studien haben z. B. die Zusammenhänge zwischen aversiven Musikstilen und Liedern mit gewalttätigen Texten auf den Fahrstil untersucht. Allerdings haben Untersuchungen gezeigt, dass sich die Art der Musik sehr wohl auf den Fahrstil auswirken kann. Musikhören sorgt zwar einerseits dafür, dass Menschen geistig wacher sind und kann bei dichtem Verkehr Stress und Aggressionen auch mindern, andererseits kann Musik auch einen negativen Einfluss auf das Fahrverhalten haben. In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass manche Autofahrer in Abhängigkeit von der Lautstärke und dem Tempo der Musik schneller oder langsamer fahren, d. h., bei 55 bis 70 Dezibel fahren die meisten Menschen am aufmerksamsten und reagieren am schnellsten, jedoch bei höherer Lautstärke nehmen Aufmerksamkeit und Reaktionsgeschwindigkeit ab und bei 95 Dezibel und darüber leidet die Fahrweise beträchtlich. Vor allem Fahrer, die feindseliger Musik mit gewalttätigem Inhalt ausgesetzt sind, zeigen eine deutlich höhere Reisegeschwindigkeit und einen höheren Prozentsatz an Geschwindigkeitsüberschreitungen. Man hat auch zeigen können, dass ein schneller Rhythmus die Herzfrequenz beschleunigt, d. h., dass Menschen bei einer solchen Musik nicht nur schneller fahren sondern sogar rote Ampeln missachten können. Es kommt aber auch darauf an, ob der Fahrer oder die Fahrerin den Musikstil selber gewählt hat, denn wenn die Musik etwa durch den Beifahrer fremdbestimmt ist, verschlechtert sich der Fahrstil. Am besten fährt daher diejenige oder derjenige, der seine Lieblingsmusik hört.

    Kann klassische Musik beim sportlichen Trainieren helfen?

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Der Psychologe und Sportwissenschaftler Costas Karageorghis erforscht den Einfluss von Musik beim Training und zeigte in einer Studie, dass mit Musik jene Areale im Gehirn weniger aktiv sind, die Erschöpfung signalisieren. Das heißt, Musik hilft etwa beim Sport, den Verstand von Ermüdungserscheinungen abzulenken bzw. den Punkt der Erschöpfung leicht hinauszuzögern. Ein guter Rhythmus ist aber vor allem beim Laufen wichtig, denn so laufen Menschen effizienter, wenn sie synchron mit Musik lauffen, wobei auch die Sauerstoffaufnahme im Blut deutlich niedriger ist als ohne Musik, dass also die Bewegungen offenbar energieeffizienter werden. Wenn man sich normal bewegt, gibt es immer wieder Unregelmäßigkeiten, was mehr Energie verbraucht. Im Wesentlichen kann erfreuliche Musik die Interpretation von Erschöpfung verändern und das Trainingserlebnis verbessern. Wichtig ist aber immer, dass man Musik wählt, die einem gefällt und einen dazu bringt, sich zu bewegen (Stangl, 2021).

    Tipp: Es kommt häufig vor, dass sich Menschen die passende Musik zu ihrer Stimmung aussuchen, d. h., wenn sie traurig sind, dann suchen sie sich traurige Musik aus. Doch es ist aus Sicht der Psychologie viel vernünftiger, die Musik zu hören, die zu jener Stimmung passt, in die Menschen kommen wollen, also wenn man etwa Sport machen möchte, dann sollte man Musik hören, die vitalisiert und ermuntert. Musik sendet an das Sprach- und Denksystem einerseits Störsignale, hat aber gleichzeitig auch positive Effekte darauf. Musik beeinflusst nicht nur die Stimmung, sondern auch das Denken, d. h., es gibt nicht nur emotionale sondern auch mentale Effekte durch die Musik.


    Das musikalische Broca-Zentrum

    Es gibt nach neuesten Forschungen (Cheung et al., 2018) ein musikalisches Pendant des für die Sprachverarbeitung verantwortlichen Broca-Areals auf der rechten Gehirnseite, das aktiv wird, wenn einmal gelernte Strukturregeln von Musik verletzt werden. Neben der emotionalen und kommunikativen Funktion hat Musik bekanntlich sehr viel mit Sprache gemeinsam, denn auch diese basiert auf einem System, in dem sich Einzelelemente wie Töne zu immer komplexeren hierarchisch strukturierten Sequenzen zusammensetzen. Man lud Musiker zum Musikhören ein, wobei die verwendeten Kompositionen speziell für diese Zwecke entwickelt worden waren. Entscheidend an diesen Stücken war, dass darunter Sequenzen waren, die einer vorgegebenen musikalischen Grammatik folgten, andere aber ohne diese Vorgaben konstruiert worden waren. Die Musiker sollten die verwendeten Strukturregeln erkennen und lernen, und anschließend anhand dieser neuen musikalischen Grammatik entscheiden, ob es sich bei einem Stück um grammatikalisch richtige oder falsche Abfolgen handelte. Tatsächlich war dieses Musikareal bei grammatikalisch falschen Sequenzen aktiver als bei richtigen, wobei das die Probanden die Verletzung der Strukturregeln der Musik umso besser erkennen konnten, je stärker bei ihnen die funktionellen Verknüpfungen zwischen dieser Region und dem Arbeitsgedächtnis ausgeprägt waren. Das Arbeitsgedächtnis war dabei vor allem dann aktiver, wenn die grammatikalischen Strukturen der Komposition länger und komplizierter wurden.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Stefan Kölsch versucht Musik und Psychologie zusammenzubringen und hat über seine Erfahrungen ein Buch geschrieben: „Good Vibrations – Die heilende Kraft der Musik„. Musik ist seiner Meinung nach sehr tief in den Menschen verankert, wobei es keinen Bereich des Gehirns gibt, der nicht auch durch Musik beeinflusst werden kann. Kölsch stützt sich dabei auf Studien, bei denen man unter anderem den Herzschlag, die Hormone oder die Gehirnaktivität beim Musik-Machen oder -Hören untersucht hat. Dabei zeigte sich, dass Musik das Spaßnetzwerk im Gehirn aktivieren kann und dieses Netzwerk überlappt sich im Gehirn mit dem Schmerznetzwerk. Das bedeutet, wenn jemand unter Schmerzen leidet, und man es schafft, das Spaßnetzwerk gleichzeitig ein klein wenig zu aktivieren, dann werden dadurch die Schmerzen etwas weniger. Er empfiehlt konkret, sich beim Hören auf die musikalische Struktur des Stücks zu konzentrieren, bewusst zu hören, wie Phrasen anfangen, weitergesponnen werden und zu Ende gehen. Man sollte dabei auch hören, wie erwartet oder unerwartet sich die musikalischen Ereignisse anhören, was oft besonders gut funktioniert, wenn man die Melodie innerlich mitsingt, selbst wenn man das Stück gar nicht kennt.


    Musikinstrument erlernen und Aufmerksamkeit

    Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis sind Kernbestandteile der kognitiven Exekutivfunktionen, die durch Training verbessert werden können, wobei musikalisches Training nachweislich die exekutiven Funktionen verbessert, jedoch sind die Gehirnnetzwerke, die diesen Verbesserungen zugrunde liegen, teileise noch unklar. Studien zufolge stärkt ruhige Musik bereits die neuronale Entwicklung von Frühgeborenen, da sich die Klänge positiv auf die Verknüpfung wichtiger Hirnregionen auswirken, auch schneiden musizierende Jugendliche in Schulfächern wie Mathematik, Englisch oder Naturwissenschaften häufig besser ab. Kausel et al. (2020) haben mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie diese neuroyalen Netzwerke bei Kindern zu identifizieren versucht, die regelmäßig ein Musikinstrument lernen und spielen. Mädchen und Buben im Alter von 10-13 Jahren mit und ohne musikalische Ausbildung absolvierten dabei eine Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnisaufgabe, während ihre Gehirnaktivität gemessen wurde. Die Teilnehmer wurden mit einem Paar bimodaler Stimuli – auditiv und visuell – konfrontiert und wurden gebeten, nur auf das Auditive, nur auf das Visuelle oder auf beides gleichzeitig zu achten. Die Stimuli wurden anschliessend mit einer Gedächtnisaufgabe getestet, um die Aufmerksamkeitszuteilung zu bestätigen. Beide Gruppen hatten eine höhere Genauigkeit bei den Aufgaben, zu deren Bearbeitung sie aufgefordert worden waren, aber die Musiker hatten insgesamt eine bessere Leistung bei beiden Gedächtnisaufgaben unter allen Aufmerksamkeitsbedingungen. Der besseren Leistung von musikalisch trainierten Kindern bei der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisaufgabe scheinen dabei zwei verschiedene Mechanismen zugrunde zu liegen, und zwar einer, der mehr gebietsübergreifende Aufmerksamkeitsmechanismen unterstützt, und ein anderer, der mehr spezifische auditive Kodierungsmechanismen unterstützt. Diese beiden Mechanismen spiegelten sich auch in der Gehirnaktivität wider, denn die bessere Aufmerksamkeitssteuerung zeigte sich fronto-parietalen Kontrollnetzwerk, einem Netzwerk aus verschiedenen Hirnregionen, die für zielorientiertes Denken und kognitiv anspruchsvollen Aufgaben aktiviert werden. Auch der anteriore cinguläre Cortex, der für das Denken, und der Thalamus im Zwischenhirn, der für das Bewusstsein genutzt wird, waren verstärkt durchblutet. Der zweite Mechanismus manifestierte sich im unteren frontalen Gyrus und dem supramarginalen Gyrus, wobei beide Areale zur phonologischen Schleife zählen, also dem Arbeitsgedächtnissystem, das an der Hörverarbeitung, der Bildung auditiv-motorischer Verbindungen sowie am auditiven Gedächtnis von Musik und Sprache beteiligt ist. Insgesamt war auch die Interaktion verschiedener Hirnregionen bei den musizierenden Kindern deutlich verstärkt, wobei sich auch die Hirnstruktur im Frontallappen der Großhirnrinde bei der Kontrollgruppe unterschied.

    Musik und Sprache

    Sprache und Musik sind im Gehirn eng miteinander verbunden, wobei die Prozesse von Sprache und Musik im Gehirn offenbar denselben Mustern folgen, wie zahlreiche Experimente gezeigt haben. Sprache spielt sich in der linken, rationalen Gehirnhälfte ab, während Musik vor allem für die rechte, emotionale relevant ist. Allerdings findet Sprache überall im Gehirn statt, denn obwohl die Schädigung von Gehirnregionen wie dem Broca-Areal und Wernicke-Areal spezifische Effekte auf die Produktion und das Verständnis von Sprache haben, gibt es kein Areal, von der man sagen kann, dass Sprache allein dort produziert wird. Demnach ist das menschliche Gehirn viel komplexer, als alte Stereotypen diesem das zugestehen, wobei in beiden Gehirnhälften, und zwar sowohl vorne als auch hinten, viele verschiedene für Sprache wichtige Regionen liegen, und erst die Interaktion zwischen diesen macht Sprache möglich. Auch Musik funktioniert durch im Gehirn miteinander verbundene Netzwerke und nicht in säuberlich voneinander getrennten Regionen, wobei sich die neuronalen Netzwerke für Sprache und Musik überlappen. Musik gehört nämlich zu einer der zentralen Behandlungsmethoden für Aphasie, also Sprachverlust, denn wenn jemand etwa aufgrund eines Schlaganfalls an Aphasie leidet, kann diese Mensch zwar nicht sprechen, behält dafür aber oft ihre Fähigkeit zu singen. Diesen Umstand kann man in der Therapie nutzen, um die Betroffenen wieder zum Sprechen zu bringen, und zwar indem man deren musikalische Fähigkeiten etwa im Rahmen der Musikalischen Intonationstherapie trainiert.

    Sowohl beim Musizieren als auch beim Musikhören werden sehr viele unterschiedliche neuronale Netzwerke aktiviert, wobei die Aktivierung des Neocortex in der rechten Hirnhälfte bei Musik allerdings stärker als diejenige in der linken. Bei Sprache verhält es sich genau umgekehrt, doch die komplexen Gehirnstrukturen für Sprache und Musik überlappen einander deutlich. Bei Schlaganfallpatienten mit Sprachstörungen ist die linke Gehirnhälfte meist stark beeinträchtigt, während die rechte aber weiter normal funktioniert, sodass sie Lieder wie „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ noch abrufen können, und zwar sowohl Melodie als auch den Text. Übt man man das gezielt, regeneriert sich mit der Zeit meist auch die allgemeine Sprachfähigkeit, d. h., die Musik hilft der Sprache gleichsam auf die Sprünge. Betroffene beginnen dann im Alltag, einfache Mitteilungen, die sie nicht aussprechen können, zu singen, und über diesen Umweg lernen nicht wenige mit der Zeit, wieder recht fließend normal zu sprechen.

    Aktuelles: Im Clusterprojekt „Sprach- und Musikressourcen des Gehirns“ wird am Institut für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien genauer untersucht, inwiefern die Prozesse von Sprache und Musik im Gehirn denselben Mustern folgen. Dafür arbeitet man sowohl mit Menschen, die unter Aphasie leiden, als auch mit gesunden Personen, wobei dies vor allem in der ersten Phase des Projekts eine wichtige Rolle spielen, denn bei ihnen untersucht man mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie bzw. dem Brain Imaging verschiedene Aspekte von Musik im Gehirn, etwa in welchem Ausmaß ein Pfeifen, Summen oder Sprechen die gleichen Areale des Gehirns aktiviert. Mithilfe dieser Methoden will man herausfinden, welche Bereiche in die Produktion von Musik und Sprache involviert sind, und damit die Funktionen dieser Bereiche während eines Aphasie-Trainings verstärken.


    Kurioses zum Musikhören beim Lernen: Der Neuropsychologe Lutz Jäncke, Professor an der Universität Zürich, hat erforscht, wie sich Musik auf das Gehirn auswirkt und warnt vor den Liedern von Helene Fischer, Andrea Berg, Andreas Gabalier, Matthias Reim, Maite Kelly oder Roland Kaiser. Er sagt, dass alle Lieder, die in Menschen Gefühle, Erinnerungen oder auch Ablehnung auslösen, eine schlechte Wahl für die Konzentration sind, denn niemand kann dabei eine mathematische Formel entwickeln. Das liegt daran, dass die Fans sich dabei an das letzte Konzert erinnern, während alle anderen den Schlagerstar vor sich sehen und genervt sind. Egel, ob Fan oder Nicht-Fan, in beiden Fällen hat das Gehirn keine Chance, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, denn fast automatisch richtet sich die Aufmerksamkeit auf das ausgelöste Gefühl oder die Erinnerung, die in diesem Moment viel attraktiver ist als alles andere.


    Literatur

    Albouy, Philippe, Benjamin, Lucas , Morillon, Benjamin & Zatorre, Robert J. (2020). Distinct sensitivity to spectrotemporal modulation supports brain asymmetry for speech and melody. Science, 367, 1043-1047.
    Brodsky, W. (2002). The effects of music tempo on simulated driving performance and vehicular control. Transportation Research Part F: Traffic Psychology And Behavior, 4, 219–241.
    Brodsky, W. & Kizner, M. (2012). Exploring an alternative in-car music background designed for driver safety. Transportation Research Part F: Traffic Psychology And Behavior, 15, 162–173.
    Brodsky, W. (2016). Tutorial On The Cognitive-Behavioral Implications Of Driving With Music. Publication: AutomotiveUI ’16 Adjunct: Adjunct Proceedings of the 8th International Conference on Automotive User Interfaces and Interactive Vehicular Application, doi.org/10.1145
    Brodsky, W., Olivieri, D. & Chekaluk, E. (2018). Music genre induced driver aggression: A case of media delinquency and risk-promoting popular culture. Music & Science, doi:10.1145/3004323.3005684.
    Cheung, Vincent K. M., Meyer, Lars, Friederici, Angela D. & Koelsch, Stefan (2018). The right inferior frontal gyrus processes nested non-local dependencies in music. Scientific Reports, 8, doi:10.1038/s41598-018-22144-9.
    McClay, Mason, Sachs, Matthew E. & Clewett, David (2023). Dynamic emotional states shape the episodic structure of memory. Nature Communications, 14, doi:10.1038/s41467-023-42241-2.
    von Georgi, R., Reuter, C. & Damm, R. (2017). Bedingungs- und Wirkungsfaktoren von Musik in Hotellerie- und Gastronomiebetrieben. Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik: Justus-Liebig-Universität Gießen.
    Kausel, Leonie, Zamorano, Francisco, Billeke, Pablo, Sutherland, Mary E., Larrain-Valenzuela, Josefina, Stecher, Ximena, Schlaug, Gottfried & Aboitiz, Francisco (2020). Neural Dynamics of Improved Bimodal Attention and Working Memory in Musically Trained Children. Frontiers in Neuroscience, 14, doi:10.3389/fnins.2020.554731.
    Sammler, Daniela (2020). Splitting speech and music. Science, 367, 974-976.
    Stangl, W. (2021). Kann klassische Musik beim Training helfen? – Stangl notiert …. Was Stangl so notiert.
    WWW: https://notiert.stangl-taller.at/praxiswissen/kann-klassische-musik-beim-training-helfen/ (21-04-22)
    Stangl, W. (2021, 24. Juli). Musik und Gedächtnis. Stangl notiert ….
    https:// notiert.stangl-taller.at/populaerwissenschaftliches/musik-und-gedaechtnis/
    Stangl, W. (2024, 16. Jänner). Musik beeinflusst die Erinnerungen von Menschen. Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/4969/musik-beeinflusst-die-erinnerungen-von-menschen.
    https://ufind.univie.ac.at/de/course.html?lv=160062&semester=2015W (17-11-21)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Musikpsychologie (17-11-21)
    http://www.annettecramer.de/musikpsychologie.html (17-11-21)
    https://www.profil.at/wissenschaft/neurowissenschafter-koelsch-stradivari-geigen-10823154 (19-06-15)
    https://www.spektrum.de/magazin/musik-so-weckt-sie-emotionen-im-gehirn/1817459 (21-02-03)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Inhaltsverzechnis