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inneres Kind

    Das Konzept des inneren Kindes – inner child – repräsentiert alle von Menschen in ihrer Kindheit gemachten Erlebnisse, die sie in ihrem Gehirn und Körper abgespeichert haben, d. h., es umfasst alle bisherigen Gefühlsreaktionen, Verhaltensmuster sowie auch die Schlussfolgerungen, die sie daraus gezogen und in Form von Einstellungen und Überzeugungen in ihrem Gehirn gespeichert haben.

    Da viele Gefühle, Erlebnisse und Erinnerungen aus der eigenen Kindheit unbewusst sind und bleiben, führen solche frühen Verletzungen, Zurückweisungen und Traumatisierungenhäufig dazu, dass das verwundete innere Kind – wounded inner child – zum Schutz vor belastenden Erinnerungen sich abkapselt, und diese Menschen immer mehr die Verbindung zu ihren kindlichen Gefühlen und Erinnerungen verlieren. Das Ziel einer therapeutischen Arbeit mit dem inneren Kind besteht nun darin, sich dem inneren Kind liebevoll und akzeptierend zuzuwenden und wieder Zugang zu kindlichen Gefühlen, wie Freude, Neugier und Lebenslust zu erhalten. Wer als Kind wenig Liebe und Anerkennung in der Familie erfahren hat oder traumatisiert wurde, entwickelt oftmals Scham- und Angstgefühle, die dazu führen, dass damit verbundene Gefühle aus der Kindheit teilweise oder vollständig ausgeblendet und verdrängt werden.

    Ein Mensch, der als Kind vielleicht unerwünscht war, aus welchem Grund auch immer, und das bewusst oder unbewusst zu spüren bekommen hat, kann als Erwachsener oft nicht mit Ablehnung umgehen und wird sich auch dann als unerwünscht fühlen. Das sind sehr oft Erwachsene, die alles richtig oder es jedem recht machen wollen, um nicht abgelehnt zu werden, wobei sie sich manche auch durch zu große Ablehnung zu Rebellen entwickeln können, denn ein rebellisches Verhalten bekommt irgendwann doch Aufmerksamkeit. Häufig sind es auch Eltern, die erwarten, dass ihr Kind ihr nicht erreichtes Leben leben soll oder ihre Kinder als Prestigeobjekte betrachten. Aber auch vernachlässigte oder in Watte gepackte Kinder, die nie Eigenständigkeit und freien Willen kennen lernen durften, die nie Konsequenzen spürten oder sogar geschlagen, unterdrückt oder eingesperrt wurden, versuchen später dieses verletzte innere Kind meist erfolglos zu heilen, sodass sie Schuldgefühle mitschleppen und sich ein Leben lang schuldig fühlen, auch wenn sie es nicht sind. So wird ein schlechtes Gewissen für alles Mögliche ihr Lebensbegleiter, sie können schwer Nein sagen und werden daher nicht selten von anderen ausgenutzt.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Dieses unterdrückte, verwundete und abgelehnte innere Kind zeigt sich beim Erwachsenen oft in irrationalen, überschießenden Reaktionen bei kleinsten Kränkungen, in selbstverletzendem Verhalten, einem geringen Selbstwertgefühl und tiefgreifender Unsicherheit, Anfälligkeit für Süchte oder einem übermäßigen Streben nach Anerkennung und Aufmerksamkeit.

    Zum Umgang mit schlechten Erinnerungen an die eigene Kindheit

    Viele Menschen haben im Zusammenhang mit ihren Eltern zahlreiche Verletzungen, Ablehnungen und Verlassenheitsängste erlebt, wobei diese negativen Kindheitserfahrungen von vielen ein Leben lang mit sich herumgetragen werden. Solche Erfahrungen können manche Menschen ein Leben lang begleiten und sie daran hindern, ein positives Bild über diese Zeit zu finden.
    Um solche Erfahrungen verarbeiten zu können, ist aber ein Blick zurück unumgänglich, denn Verdrängen funktioniert in diesen Fällen selten. Der nächste Schritt ist, sich in die Zeit zu versetzen, als man ein Kind von etwa acht bis zehn Jahren war und wie es damals bei den Eltern aussah. Damit das gelingen kann, stellt man sich vor, wie die Räume aussahen, in denen man lebte, an welche Geräusche, Gerüche oder Farben man sich noch erinnern kann. Dann stellt man sich typische Situationen mit Vater und Mutter vor, wobei man seine Gedanken bewusst in eine positive Richtung lenken sollte, indem man an Momente denkt, in denen der Vater oder die Mutter Stärkendes und Positives mitgegeben hat. Dazu kann man sich folgende Fragen stellen: Was haben Mutter oder Vater getan oder gesagt, was positiv geprägt hat? Gibt es Sätze oder Gesten, die dabei geholfen haben? Welche Botschaft lag darin? Wie hilft das vielleicht das heute? Kann man drei Schätze bzw. positive Ereignisse aus der Familie aufzählen? Diese kann man dann als Erinnerungshilfe behalten, wenn man gerade einen positiven Blick auf seine eigene Familie braucht oder sich selbst stärken will.
    In beinahe allen Familien gibt es auch belastende Situationen, an die man sich oft genauer erinnert, als an die positiven Erlebnisse, was teilweise mit der evolutionär bedingten Arbeitsweise des menschlichen Gedächtnisses zu tun hat. Daher sollte man hier vorsichtig auf die belastenden Aspekte der eigenen Kindheit eingehen. Dafür kann man an eine Situation denken, in der der Zuspruch oder die Hilfe gefehlt haben, und man damit eine wenig hilfreiche Prägung erfahren hat. Auch dazu kann man sich einige Fragen stellen: Was haben Mutter oder Vater getan oder gesagt, das verunsichert oder gehemmt hat? Gibt es Sätze oder Gesten, die Schwierigkeiten bereitet haben? Was hat gefehlt, was hätte man sich anders gewünscht?
    Rückblickend kann man nun versuchen, sich in die Lage der Eltern zu versetzen, was vielleicht jetzt einfacher gelingt, da man nicht mehr in der Rolle des Kindes ist. Dadurch kann man unter Umständen besser verstehen, was das mit einem selber gemacht hat. Vielleicht kann man daraus Einsichten erzielen, die damals nicht möglich waren.

    In einem Presseartikel fand sich ein anschauliches Beispiel: „Manchmal versteht Sebastian die Welt nicht. Am Tag zuvor hatte sein Chef ihn für das Konzept gelobt. Und heute liegt es auf seinem Schreibtisch mit drei Notizen. Fehler, die er korrigieren soll. Sonst kein Kommentar. Mochte sein Chef das Konzept nun doch nicht? Oder hatte er seinen Vorgesetzten sonst irgendwie verärgert? Reinharts Magen zieht sich zusammen. Seine Gedanken fangen an zu kreisen. Soll er hingehen und das klären? Oder weitermachen wie gehabt? Ist es eine Lappalie – oder ein großes Ding? Reinhart versucht, sich auf seinen Job zu konzentrieren. Doch er kann die Grübelei nicht stoppen, ob er etwas grundlegend falsch gemacht hat. Um 17 Uhr schaltet er erschöpft den Rechner aus. Vielleicht droht ihm die Kündigung?“

    In solchen Momenten melden sich Erfahrungen aus der eigenen Kindheit, vermutlich hat er sich als Kind häufig zurückgewiesen gefühlt oder Angst vor den Reaktionen seiner Eltern gehabt. Menschen mit solchen Erfahrungen werden das wahrscheinlich auch als erwachsene Person erleben, und sie werden in bestimmten Situationen das Gefühl nicht los, etwas falsch gemacht zu haben, und befürchten Kritik oder Strafe.

    Ein weiteres gutes Beispiel fand ich in einem Beitrag in einer Zeitschrift, in der die Autorin ein Ereignis schildert, dass auf eine späte Wirkung des inneren Kindes verweist: „Ich habe mich mit einer Freundin getroffen, nun fahre ich mit dem Fahrrad nach Hause – die letzten Meter bis zu meinem Haus wie immer auf dem Gehweg. Normalerweise stört das niemanden. Doch diesmal pflaumt mich ein Passant an: »Das ist kein Radweg hier!« Ich antworte ihm nicht, aber als ich ein paar Meter weiter absteige, merke ich, dass es in mir brodelt. Ich fühle mich ungerecht behandelt, will mich erklären. »Es ist viel vernünftiger, auf dem Gehweg zu fahren«, möchte ich brüllen. Sonst müsste ich nämlich mitten auf der Straße bremsen und mein Fahrrad auf den Bordstein heben. Der Passant ist längst weg, meine Wut nicht.“

    In diesem Beispiel geht es um Prägungen aus der Kindheit in Bezug auf das Selbstwertgefühl, wobei besonders die Zeit bis zum Grundschulalter unbewusst großen Einfluss hat. In solchen Situationen, in denen man unverhältnismäßig emotional reagiert, ist es das innere Kind, das sich eine gerechte Behandlung wünscht und sich durch das Verhalten des Passanten erniedrigt und enttäuscht fühlt, obwohl einem Erwachsenen die Reaktion und die ausgesprochene Kritik eigentlich egal sein müsstr.


    Chopich & Paul (2009) haben in ihrem Buch „Aussöhnung mit dem inneren Kinde“ als Ziel einer gelungenen Psychotherapie definiert, dass Menschen ihr inneres Kind und dessen Reaktionen zuerst annehmen müssen, bevor sie in einem nächsten Schritt daran gehen können, falsche und nicht hilfreiche Überzeugungen, die sie aus ihrer Kindheit mitgebracht haben, zu erkennen und zu korrigieren. So lernen sie ihre Einstellungen zunächst zu überprüfen und zu korrigieren, um sich selbst besser in ihren Sosein anzunehmen zu können.


    Anmerkung: Psychotherapeutische Hilfe kann und muss immer an verschiedenen Stellen ansetzen, etwa wenn jemand in seiner Kindheit häufig von den Eltern zurückgewiesen wurde und im Erwachsenenalter ebenfalls wütend reagiert, wenn er Zurückweisung erfährt. Nachdem ein Bewusstsein für den Zusammenhang geschaffen wurde, geht es eher darum, neue Handlungsoptionen zu erarbeiten, um dann in der konkreten Situation anders zu reagieren, und dann vielleicht auch in einen anderen emotionalen bzw. reiferen Zustand hineinzukommen. Das gelingt in der Regel nur mit einer professionellen psychologischen Begleitung und nicht allein durch Selbsthilfeliteratur, die oft auf esoterischen Kurzschlüssen basiert. Außerdem gilt grundsätzlich, dass nicht alle Probleme, die Menschen im Jetzt haben, ihren Ursprung in der Kindheit besitzen.

    Literatur

    Bradshaw, John (1994). Das Kind in uns. Wie finde ich zu mir selbst. Droemer Knaur.
    Chopich, Erika J. & Paul, Margaret (2009). Aussöhnung mit dem inneren Kind. Ullstein.
    Stangl, W. (2022, 2. Dezember). Zum Umgang mit schlechten Erinnerungen an die eigene Kindheit. Stangl notiert ….
    https:// notiert.stangl-taller.at/zeitgeistig/zum-umgang-mit-schlechten-erinnerungen-an-die-eigene-kindheit/
    https://www.spiegel.de/psychologie/kindheit-aufarbeiten-wenn-erwachsene-sich-klein-und-hilflos-fuehlen-a-00000000-0002-0001-0000-000173732132 (20-11-15)
    https://www.spiegel.de/start/inneres-kind-wie-es-helfen-kann-erwachsen-zu-werden-a-0327c7ba-c0d0-47e5-96a0-77c3ff1160b8-amp (21-01-01)


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