Zum Inhalt springen

Neuron – Nervenzelle

    Der Mensch besitzt die meisten seiner Neurone von Geburt an, die aus Stammzellen entstanden sind und sich auf verschiedene Gehirnregionen aufteilen, wo sie ihre spezifischen Aufgaben erfüllen. Während das Gehirn sich entwickelt, reduziert es auch überflüssige Neurone und ihre Verbindungen, d. h., nur die stärksten bleiben übrig. Im Gegensatz zu anderen Zellen des menschlichen Körpers, die sich regelmäßig erneuern und irgendwann absterben, überleben die meisten Neurone zumindest theoretisch ein Leben lang, doch sterben Neurone in ungenutzten Gehirnregionen ab. Neurone kommunizieren über kleine Lücken (Synapsen) hinweg miteinander, und je häufiger Synapsen Signale übertragen, desto besser werden sie darin. So verdrahtet sich das Gehirn ständig neu, was die Voraussetzung dafür ist, dass Menschen etwas lernen und Erinnerungen bilden können. Neurologische Veränderungen bleiben aber nicht für immer, denn Studien deuten darauf hin, dass sich auch das Gehirn von Erwachsenen nicht nur ständig anpasst, sondern in der Neurogenese auch neue Neurone bildet. Neurone geben Informationen in Form elektrischer Signale weiter, weshalb sich die Schaltkreise im Gehirn mit elektrischen Stimulationen beeinflussen lassen, sodass etwa durch gezielte Reize gelähmte Muskeln wieder bewegt und chronische Schmerzen gelindert werden können.

    Ein Neuron (Nervenzelle) besteht aus einem Zellkörper, einem Axon (langem Stiel) und Dendriten (Ästen). Das Axon ist von einer Myelinschicht überzogen, wodurch die Übertragung von Impulsen beschleunigt wird. Am Ende geht das Axon in Synapsen über, die den Kontakt zu anderen Nervenzellen, aber auch den Muskelzellen herstellen. Die Synapsen haben jedoch keine direkte Verbindung mit den anderen Zellen, sondern es besteht ein feiner Spalt zu den anderen Zellen (synaptischer Spalt). Die Nervenzellen schütten nun bei Aktivierung in diesen Spalt Substanzen (Neurotransmitter) aus, die dann auf der anderen Seite des Spaltes an der Zellwand der nächsten Zelle einen Prozess starten. Man kann sich das wie einen Schlüssel und ein genau dafür passendes Schloss vorstellen, wobei manche Synapsen nicht nur einen Transmitter schütten sondern auch andere weitere Stoffe aus, die ebenfalls einen Einfluss auf die nachgeschaltete Zelle ausüben.Nervenzelle ist dabei nicht gleich Nervenzelle,  wobei sich die Nervenzellen auf Grund ihrer Form und Funktion in verschiedene Unterformen unterscheiden lassen. Sensorische Zellen etwa bilden Kontakt aus mit spezifischen Rezeptoren, die zum Beispiel auf Druck, Schmerzreize, Licht oder Bewegung reagieren und so etwa Schall wahrnehmen können.

    Es gibt im Gehirn sehr verschiedene Nervenzellen, die unterschiedlich miteinander interagieren, Lapray et al. (2012) untersuchten die Aufgaben von zwei Neuronen-Zelltypen, die Korbzellen (Interneurone), die einen Rhythmus für die Aktivität des Gehirns vorgeben und diesen Rhythmus ändern, wenn sich das Verhalten ändert, und die Ivy-Zellen, die eine kontrollierende Funktion haben, damit es zu keiner zu starken oder zu schwachen Aktivität im Gehirn kommt. Die Korbzellen reagieren auf das Aufwachen oder den Beginn einer Tätigkeit und kommunizieren mit anderen Nervenzellen im Gehirn über spezifisch platzierte Synapsen. Korbzellen wandeln anregende Signale, die sie an ihrem Eingang empfangen, in Sekundenbruchteilen in hemmende Signale um, um sie an den Enden ihrer Axonen an andere Nervenzellen weiterzugeben. Sie haben damit eine wichtige Kontrollfunktion im Netzwerk und erzeugen die Rhythmik für bestimmte Gehirnwellen (Gamma-Wellen). Diese weisen etwa bei Epilepsie eine Fehlfunktion auf, denn dann kommt es durch die fehlende Hemmung zu einer überschießenden Anregung und damit zu einer Entgleisung der Funktion des gesamten Netzwerks. Korbzellen im menschlichen Gehirn müssen einerseits rasch die eingehenden Signale modulieren, durch ihren Nervenfortsatz leiten und weitergeben, gleichzeitig fehlen ihnen dazu aber ein starker Durchmesser und die geeignete Isolierung. Da weder für den dafür notwendigen Durchmesser noch für isolierende Markscheiden in diesen dicht gepackten Gehirnstrukturen Platz ist, zeigen diese eine besondere Verteilung von Natriumionen-Kanälen, damit die Korbzellen Signale dennoch mit hoher Geschwindigkeit übertragen können. Am Eingang besitzen ihre Dendriten nämlich nur wenige solcher Natriumionen-Kanäle, doch nimmt diese aber vom Beginn der Axone bis zu deren Enden sprunghaft zu. Diese Natriumionen-Kanäle sind für die Geschwindigkeit der Leitung, aber nicht für die Verlässlichkeit der Signalübertragung notwendig (Hu & Jonas, 2014). Die Ivy-Zellen wirken auf andere Neurone verlangsamend und regulierend ein mittels eine weniger spezifische Abgabe von Neurotransmittern.

    Untersucht man das Innere einer Nervenzelle, so findet man dort eine andere Konzentration von Salzen (Ionen) als in der Umgebung. So sind im Zellinneren relativ viele Kaliumionen und weniger Natriumionen. Nach außen ist die Nervenzelle durch eine Isolierschicht begrenzt, die durch Ionenkanäle durchbrochen wird. Diese Kanäle können sich auf ein Signal (elektrisch oder chemisch) kurzzeitig öffnen, sodass dann Ionen aus- und eintreten. Wird nun durch die Neurotransmitter im synaptischen Spalt ein Prozess gestartet, so kann es zum Beispiel zu einer Öffnung von Poren (Ionenkanälen) in der Zellwand kommen und Natriumionen strömen in die Zelle und Kaliumionen strömen nach draußen. Dieses führt dann zu einer Änderung des elektrischen Potentials zwischen Zellinneren und der Zellaußenwand (Depolarisation), welches dann weitere Prozesse in der Zelle triggert. Solche Prozesse können die Aktivierung von Eiweißstoffen in der Zelle, aber auch das vermehrte Ablesen von genetischer Information im Zellkern sein. Das elektrische Potential kann sich darüber hinaus am Axon entlang weiter fortpflanzen und wiederum zu der Ausschüttung von Transmittern an der Synapse des erregten Neurons führen.

    Eric Kandel konnte 1963 nachweisen, dass Nervenzellen lernen können bzw. die Grundlage des Lernens sind. Dass sich Wissen und Erfahrungen im Gedächtnis in Form von Verknüpfungen von Nervenzellen manifestieren, war damals eine bahnbrechende Entdeckung. Kandel erforschte diese Prozess an den Neuronen des Seehasen, einer Meeresschnecke, die ein Gehirne mit etwa zwanzigtausend Nervenzellen besitzen, die jeweils sehr groß sind und daher leicht untersucht werden können. Kandel reizte diese Nervenzellen mit elektrischen Impulsen und konnte dabei sehen, dass oft gereizte Leitungsbahnen neue Verknüpfungen eingingen. Er entdeckte auch ein spezielles Protein (cytoplasmic polyadenylation element binding protein), das es ermöglicht, eine Erinnerung zu speichern.

    Neuronen im Gehirn können übrigens Informationen mit erstaunlich hoher Geschwindigkeit austauschen, wobei experimentell bis zu eintausend Mal pro Sekunde evoziert werden konnte. Ritzau-Jost et al. (2014) haben dabei ein neues Verfahren angewendet, mit dem sie Aktionspotenziale vor und hinter der Synapse von zwei Nervenzellen messen können. Bei der patch-clamp-Technik werden winzige Glaspipetten mit einem Durchmesser von einem Mikrometer an die Zellen herangefahren, um ihre elektrischen Signale zu messen, wobei eine Pipette auf die Signale sendenden feinen Enden (Axone oder auch präsynaptischen Endigungen) und gleichzeitig eine zweite Pipette auf den Zellkörper der empfangenden Zelle positioniert wurden. Dabei wurde im Experiment künstlich eine Höchstleistung erreicht, indem man die Zellen bei maximaler Stimulation bis an ihre Leistungsgrenze führte, wobei die Aktionspotenziale in der Zelle ultraschnell waren, sodass kurze Aktionspotenziale den Weg frei machen, um schnell danach ein weiteres hinterher feuern zu können. Wären die Aktionspotenziale nämlich länger, wären Frequenzen von 1000 Hertz nicht möglich.

    Da das menschliche Hirn oft rasch zwischen ähnlichen Erfahrungen unterscheiden muss, etwa ob ein Hund freundlich oder aggressiv Zähnen sich nähert, muss das Gehirn äußerst rasch reagieren. Dabei agieren nach neuesten Untersuchungen (Jonas, et al., 2018) die dafür verantwortlichen Gehirnzellen viel energieeffizienter als bisher vermutet, wobei die Energie für ihre Aktionspotenziale nur eineinhalb Mal so groß ist wie das theoretisch berechnete Minimum, d. h., sie arbeiten äußerst ökonomisch. Bisher hatte man angenommen, dass sich die unterschiedlichen Ionenströme, die für die Signalweiterleitung nötig sind, einander behindern, doch die Kanäle, durch die jene Ionen strömen, sind sehr gut aufeinander abgestimmt, indem sich zuerst die Kanäle für Natrium-Ionen (Na-plus) öffnen und danach rasch wieder geschlossen werden, während die Kanäle für Kalium-Ionen (K-plus) erst mit Verzögerung aktiviert werden. Diese komplementäre Steuerung minimiert die Überlappung der Na-plus- und K-plus-Ströme während kurzer Aktionspotenziale und optimiert die Signalübertragung, so dass diese sowohl schnell als auch energieeffizient ist.


    Zu Eric Kandel: Eric Kandel wurde im November 1929 als zweiter Sohn eines Spielwarenhändlers in Wien geboren, musste nach dem Anschluss mit seiner Familie im Jahr 1939 in die USA emigrieren und erhielt die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sein Interesse an der Erforschung physiologischer Vorgänge im Gehirn erwuchs zunächst auf seinem Interesse an der Psychologie und den Thesen Sigmund Freuds. Kandel begann 1952 an der New York University Medizin zu studieren und wollte ursprünglich Psychiater oder Psychoanalytiker werden, entschied sich aber dann dazu, in der Grundlagenforschung an der experimentellen Untersuchung biologischer und molekularer Vorgänge im Gehirn zu arbeiten. Im Jahr 2000 erhielt Kandel den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung, dass Veränderungen in der Stärke von Verbindungen zwischen Nervenzellen die Grundlage für Lernvorgänge im Gehirn darstellen. Durch seine Versuche an der Meeresschnecke konnte er zeigen, dass die Veränderung existierender Proteine für das Kurzzeitgedächtnis notwendig ist, während das Langzeitgedächtnis von einer Veränderung der Genexpression und der Synthese neuer Proteine abhängig ist. Kandel konnte so nachweisen, wie geistige Vorgänge biologische Veränderungen produzieren und dass Lernen und Gedächtnis molekulare und anatomische Veränderung im Gehirn bewirken. Nach Eric Kandel sind Gehirn und Geist eins. Francis Crick schrieb 1984 in einem Essay, dass sich die meisten Bestandteile der Nervenzellen gar nicht ­dafür eignen, Erinnerungen über Jahre oder gar Jahrzehnte zu speichern, denn Neuronen bestehen zu einem großen Teil aus Proteinen, die eine Halbwertszeit von nur einigen Stunden oder höchstens wenigen Tagen aufweisen. Er vermutete daher, dass eigentlich nur die Moleküle der DNA dazu in der Lage wären, Erinnerungen dauerhaft zu bewahren, denn diese codiert die Erbinformation bekanntlich äußerst stabil, sodass sich vielleicht auch Erinnerungen in Form von chemischen Veränderungen irgendwie auf dem Erbgut ablegen. Mittlerweile haben zahlreiche Studien bewiesen, dass solche epigenetischen Veränderungen zur Gedächtnisbildung und -aufrechterhaltung tatsächlich beitragen.


    Wieviele Neuronen hat ein menschliches Gehirn?

    Die brasilianische Neurowisssenschaftlerin Suzana Herculano-Houzel hat Gehirne von Männerleichen entnommen, durch ein Lösungsmittel – um damit die Zellmembranen zu zerstören und allein die Zellkerne übrig zu lassen – homogenisiert und sämtliche Hirnstrukturen gleichmäßig miteinander verquirlt. So verfügten die entnommenen Proben über eine durchschnittliche Verteilung von Zellen und Zelldichten und waren damit repräsentativ für das gesamte Gehirn. Dadurch konnte man die gewonnenen Zellzahlen auf das gesamte Hirnvolumen hochrechnen. Bei früheren Untersuchungen hat man die Hirnareale nicht vermisch, sondern es wurden von jedem Areal kleine Schnitte entnommen und dort die Zellzahlen ermittelt, dann diese auf das Gesamtvolumen des jeweiligen Areals hochgerechnet und mit den Ergebnissen aus den anderen Arealen addiert. Die Methode ist aber nicht so genau, weil die Zelldichte innerhalb jedes Hirnareals variiert, sodass auf Grund der uneinheitlichen Struktur willkürlicher Schnitte die errechneten Werte nicht repräsentativ sind. Tatsächlich geht man heute von etwa 86 Milliarden Nervenzellen aus.

    Die Funktion des Nervensystems beruht auf komplexen Zusammensetzungen verschiedener neuronaler Zelltypen, die einzigartige anatomische und funktionelle Eigenschaften besitzen, die durch molekulare Programme vorgegeben sind. Dabei ist alternatives Spleißen ein Schlüsselmechanismus für die Erweiterung des molekularen Repertoires, denn das erlaubt es Organismen mit einer begrenzten Anzahl von Genen ein hochkomplexes neuronales Netzwerk aufzubauen. Furlanis et al. (2019) haben in einer genomweiten Analyse im Mausmodell nachgewiesen, dass das alternative Spleißen zu einer Bandbreite von verschiedenen Varianten einzelner Proteine führt, mit der sich schließlich auch die Nervenzellen voneinander unterscheiden lassen. Man konnte dabei hunderte von Varianten identifizieren, die es möglich machen, die verschiedenen Zelltypen voneinander zu unterscheiden, wobei das Repertoire an Spleißvarianten in einer Nervenzelle dabei ihre Identität und Funktion bestimmt. Obwohl alle neuronalen Zelltypen dieselben Gene enthalten, produzieren selbst nah verwandte Zelltypen unterschiedlichste Spleißvarianten, wobei die Proteine an neuronalen Kontaktstellen (Synapsen), die die Weiterleitung und Verarbeitung von Informationen besorge, besonders variantenreich sind. Damit steuert der Spleiß-Prozess offensichtlich auch die Funktion des gesamten neuronalen Netzwerks im Gehirn.

    Nervenzellen wollen übrigens immer beschäftigt werden, denn wenn sie zu wenig zu tun haben, übernehmen sie neue Funktionen, etwa indem sie bei einem Verlust des Augenlichts das Gehör schärfen. Haben Nervenzellen über lange Zeit nichts zu tun, werden sie abgebaut. Neugeborene kommen bekanntlich mit mehr Nervenzellen zur Welt als sie später besitzen, weil sich erst erweisen muss, welche sie davon benötigen. Was in der Natur nicht gebraucht wird, bildet sich zurück und verschwindet, was hingegen genutzt wird, festigt sich. Die Evolution kann es sich nicht leisten, das Gehirn nur teilweise zu verwenden, denn aus Sicht der Evolution ergibt es keinen Sinn, ein Organ oder Teile davon mit sich herumzutragen, das nur teilweise zum Einsatz kommt.


    1. Definition
    Die kleinste Einheit des ->Nervensystems, die Nervenzelle. Das Neuron besteht aus dem Soma (Zellkörper), mehreren Verästelungen, die Dendriten genannt werden, und dem AXON, einem einzelnen langen Fortsatz. diese Fortsätze empfangen entweder Informationen und leiten sie ans -> Gehirn oder das Rückenmark an die Organe, Muskeln usw. Sie sind über Synapsen miteinander verbunden (Cohen, 1995, S. 205).

    2. Definition
    NEURON [gr.], die aus einer Nervenzelle und ihren Fortsätzen bestehende leitungsmäßige Einheit des Nervensystems, syn. mit Nervenzelle, Ganglienzelle, Aufbau der Nervenzelle ->Nerv. Das Axon (Neurit), das der effektorischen Weiterleitung dient, endet in einer Zahl von Knöpfen. Axon-Telodendren [gr. Endbäumchen], den synaptischen Endknöpfen (Synapse). – Auf Grund der Konfiguration pseudouni-, bi- und multipolare Neurone (Dorsch, Becker-Carus, Bergius, Graichen, Häcker, Kaminski, Mikula, Mittenecker, Mühle & Roth, 1976, S. 394).

    3. Definition
    Neuron (↑): die Nervenzelle*mit allen ihren Fortsätzen (Achsenzylinder*, Dentrit*, Telodendron*); bildet nach der Neuronenlehre eine genetische, morphol, funkt., trophische u.regenerative Einheit (Pschyrembel, 1990, S.1164).

    4.Definition
    NEURON [das, grch.],die ->Nervenzelle samt ihren Fortsätzen (Neurit u. Dendrit).
    NERVENZELLEN, Neurone, Ganglienzellen, Bauelemente der Nervensysteme, die auf die Erregungsleitung von Sinneszellen zu Erfolgsorganen (z.B. Muskeln, Drüsen) spezialisiert sind. Charakterist. Bestandteil der N. sind neben dem Zellkern Ansammlungen von RNS-haltigen (->Nucleinsäuren) Ribosomen (Nissl-Schollen), die der Eiweißsynthese dienen. u. die in den Zellfortsätzen liegenden Neurofilamente. Die N. können zwei Arten erregungsleitender Fortsätze (Nervenfasern) haben: kurze, stark verästelte Dendriten, die vor allem der Verbindung der N. untereinander dienen (Reizaufnahme), u. bis zu 1 m lange, unverzweigte Neuriten, die die Erregung an andere N. u. an Erfolgsorgane weiterleiten (Reizleitung). Die Neuriten besitzen einen durchgehenden Achsenzylinder (Axon), der bei den markhaltigen „weißen“ Nervenfasern von isolierenden Hüllen, der Mark-oder Myelinscheide u. der Schwannschen Scheide, umgeben ist. Die Myelinscheide hat in Abständen sog. Ranviersche Schnürringe (→Nervenleitungen). „Graue“, d.h. marklose oder markarme Nervenfasern haben keine oder nur eine dünne Hülle. Oft sind Nervenfasern verschiedenster Art zu ->Nerven gebündelt. Die Axone spalten sich an ihrem Ende in dünne Fasern, die die Erregung über bes. Schaltstellen (->Synapsen, feine Spalte von 120-200 °, zu anderen N. oder zu Drüsen u. Muskeln leiten. Die Verbindungsstelle zwischen Axon u. Muskelfaser heißt (motor. Endplatte). Die Überbrückung der Synapsen erfolgt mit Hilfe chem. Substanzen (meist Azetylcholin). Die → Erregung durchläuft die Axone als Erregungswelle oder Impuls u. entspricht einem elektr. Vorgang, der von einem Aktonsstrom begeitet ist. Auch ->Nervenleitung (o.A., 1986, S.330).

    5. Definition
    NEURON [gr.], syn.Nervenzelle, Ganglienzelle, die aus einer Nervenzell und ihren Fortsätzen bestehende funktionlle, zellige Einheit des Nervensystems. Das N. besteht aus Nervenzellkörpern mit Zellkern, kurzen, der Affernz dienenden, häufig mehrfach verzweigten Dentriten [gr. Bäumchen], und dem typischerweise relativ langen (in der Peripherie bis länger als 1 m), der effektorischen Weiterleitung dienender Axon mit meist mehreren synaptischen Endigungen (Häcker & Stapf, 1994, S.512).


    Wachstumsrichtung der Neuronen durch Proteine gesteuert

    Damit übrigens Nervenfasern wissen, wohin sie wachsen sollen und mit welchen der anderen Nervenzellen des Gehirns sie eine Verbindung eingehen müssen, reguliert ein molekulares Programm durch die beiden Proteine Satb2 und Ctip2 die Entstehung der intra-kortikalen Nervenbahnen. Durch ein kompliziertes Zusammenspiel mit zwei weiteren Proteinen reagieren die wachsenden Axone auf das Vorhandensein verschiedener Konzentrationen des Proteins Netrin. Während ihrer Entwicklung orientieren sich die wachsenden Axone also an chemischen Botenstoffen in ihrer Umgebung, wobei diese anziehend sein können, um Axone in eine bestimmte Richtung zu lenken, oder abstoßend wirken können und Axone dann fernhalten. Diese beiden Proteine dienen als eine Art molekularer Schalter und geben der wachsenden Nervenfaser ihren Weg vor. Netrin wird im Gehirn in einer Region unterhalb des Neokortex hergestellt, sodass wenn eine Nervenzelle der Großhirnrinde Satb2 produziert, diese von Netrin abgestoßen und sich von der Quelle des Proteins hin zu der anderen Hemisphäre bewegt und so das Corpus callosum formt. Werden die Axone von Nervenzellen, die Ctip2 produzieren, hingegen von Netrin angezogen, formieren sie die intra-korticalen Verbindungen wie etwa die zur Wirbelsäule (Srivatsa et al., 2014).

    Überspringen der Reizleitung

    Übrigens kann es im Hirnstamm zu Übertretung der Reizleitung von einer Nervenbahn zu anderen kommen, wie man beim Niesreflex auf helles Sonnenlicht feststellen kann. Sonnenlicht sollte eine Kontraktion der Pupille verursachen, doch der Reiz springt auf benachbarte Nervenbahnen oder Neuronen über, die ein Kitzeln in der Nase weiterleiten.

    Funktionieren Neuronen mechanisch?

    Der Physiker Thomas Heimburg postuliert übrigens, dass Nervenzellen nicht elektrisch feuern, sondern mechanisch, denn die Signalübertragung erfolgt nach seiner Ansicht durch Druckwellen, die entlang der Nervenzellmembran laufen. Er beruft sich dabei auf vergessene Experimente, die eine kurzfristige Dehnung der Nervenzellen während eines durchlaufenden Aktionspotenzials nachgewiesen hatten. Viele Neurobiologen gestehen zwar zu, dass mechanische Wellen während der Nervenzellreizung auftreten könnten, doch welche Rolle dies für die Signalübertragung spielt, ist aber unklar. Möglicherweise sind die mechanischen Druckwellen nur Folgeerscheinungen der elektrischen Impulse.

    Sehr unterschiedliche Funktionen anscheinend gleicher Neuronen

    Schon in früheren Untersuchungen hat sich gezeigt, dass vermeintlich gleichartige Neuronen, die über bestimmte Regionen des Gehirns verteilt sind, in Wirklichkeit sehr unterschiedlich in ihren Funktionen sind. So stellen Pro-opiomelanocortin-exprimierende Neuronen (POMC-Neuronen) im Nucleus arcuatus des Hypothalamus wichtige Regulatoren des metabolischen Gleichgewichts dar. Biglari et al. (2021) haben diese Neuronen nun im Mausmodell untersucht und an diesen POMC-Neuronen gezeigt, welche Rolle sie bei der Kontrolle von Appetit, Energieverbrauch und Stoffwechsel spielen. In den letzten Jahren hatte sich nämlich zunehmend bestätigt, dass die POMC-Neuronen vielfältiger sind als bisher angenommen, wobei solche Unterschiede etwa aus einer unterschiedlichen Reaktion auf vom Körper ausgeschüttete Hormone resultieren und erst dann auffallen, wenn einzelne POMC-Neuronen miteinander verglichen werden. Den ForscherInnen ist es nun gelungen, verschiedene Subtypen von Nervenzellen in Mäusen auf genetischer Ebene sichtbar zu machen, genauer zu untersuchen und zwei verschiedene Subtypen von POMC-Neuronen im Detail zu beschreiben. Die Ergebnisse zeigen einerseits eine unterschiedliche Verteilung der beiden Subtypen innerhalb der gleichen spezifischen Hirnregion, und nehmen andererseits unterschiedliche Hormone für den Energiezustand des Körpers wahr. Die beiden Subtypen wirken sogar unterschiedlich auf die Nahrungsaufnahme, wobei ein Teil der POMC-Neuronen den Appetit stärker unterdrückt als der andere. Diese Vielfalt der POMC-Neuronen ist wichtig für ihre Funktion bei der Steuerung des Stoffwechsels, was übrigens bei manchen Essstörungen eine wichtige Rolle spielen könnte.

    Gehirndoping?

    Neuronen lassen sich nicht durch Ernährung oder Übungen ‚dopen‘, wobei man weiß, dass anhaltende geistige Tätigkeit die Gesamtleistung des Gehirns verbessert und auch ein Schutz vor der Alzheimererkrankung sein kann. Aber man weiß nicht, warum das so ist. Wer viel neues Wissen aufnimmt, schafft wahrscheinlich auch viele neue Verbindungen und begünstigt möglicherweise die Neuentstehung von Nervenzellen, die in begrenztem Umfang auch in Erwachsenengehirn vorkommt. Durch spezielle Bildgebungsuntersuchungen konnte man nachweisen, dass das Trainieren von motorischen Funktionen aber auch wiederholte Schmerzreize zu Veränderungen der grauen Substanz führen, die sich beim Weglassen der Auslöser auch wieder zurückbilden können. Darüber gibt es Hinweise, dass körperliche Bewegung auch direkt zu der Neubildung von Nervenzellen in spezifischen Hirnarealen beitragen kann. Auch bei Erkrankungen wie einer Depression scheint es zu einer veränderten Zellneogenese im Hippocampus, einem Hirnareal in der Schläfenregion, zu kommen.

    Kuriosum

    Die Signalübertragung bei Pflanzen funktioniert nicht wie bei Tieren, obwohl die Nervenzellen der ihren Namen aus der Flora ableiten, denn Neuron kommt vom griechischen Wort für Pflanzenfaser. Auch bei Pflanzen gibt es elektrische Wege zur Informationsweiterleitung, aber langsamere, denn die Zellwände sind viel dicker, auf ihnen meldet etwa ein angeknabbertes Blatt dem Rest der Pflanze die Verletzung, woraufhin überall die Abwehr hochgefahren wird. Auch die Wasserversorgung wird als Informationsmedium genutzt, denn kommt von den Wurzeln wenig nach, wird dies von den Blättern gemessen und sie schließen daraufhin ihre Stomata, also die Öffnungen, aus denen sie ausdünsten. Es gibt bei Pflanzen aber auch Botenstoffe, etwa Auxin, ein Hormon, das generell das Wachstum von Pflanzen steuert, indem es diese zum Licht hin orientiert und registriert, wenn andere Pflanzen Schatten werfen, sodass die Auxinproduktion angeworfen wird, solange noch ein Platz am Licht frei ist.

    Literatur

    Aamodt, Sandra & Wang, Samuel (2008). Welcome to your brain. Ein respektloser Führer durch die Welt unseres Gehirns. München: C. H. Beck Verlag.
    Biglari, Nasim, Gaziano, Isabella, Schumacher, Jonas, Radermacher, Jan, Paeger, Lars, Klemm, Paul, Chen, Weiyi, Corneliussen, Svenja, Wunderlich, Claudia M., Sue, Michael, Vollmar, Stefan, Klöckener, Tim, Sotelo-Hitschfeld, Tamara, Abbasloo, Amin, Edenhofer, Frank, Reimann, Frank, Gribble, Fiona M., Fenselau, Henning, Kloppenburg, Peter, Wunderlich, Frank T. & Brüning, Jens C. (2021). Functionally distinct POMC-expressing neuron subpopulations in hypothalamus revealed by intersectional targeting. Nature Neuroscience, doi:10.1038/s41593-021-00854-0.
    Cohen, D. (1995). Lexikon der Psychologie. München: Wilhelm Hayne Verlag.
    Dorsch, F., Becker-Carus, C., Bergius, R., Graichen, J., Häcker, H., Kaminski, G., Mikula, G., Mittenecker, E., Mühle, E. & Roth, A. (1976). Psychologisches Wörterbuch. Bern: Verlag Hans-Huber.
    Furlanis, Elisabetta, Traunmüller, Lisa, Fucile, Geoffrey & Scheiffele, Peter (2019). Landscape of ribosome-engaged transcript isoforms reveals extensive neuronal-cell-class-specific alternative splicing programs. Nature Neuroscience, doi:10.1038/s41593-019-0465-5.
    Häcker, H. & Stampf, K. (1994). Dorsch Psychologisches Wörterbuch. Bern: Verlag Hans Huber.
    Hu, Hua &  Jonas, Peter (2014). A supercritical density of Na+ channels ensures fast signaling in GABAergic interneuron axons. Nature Neuroscience, doi:10.1038/nn.3678.
    Jonas, Peter et al. (2018). Complementary tuning of Na+ and K+ channel gating underlies fast and energy-efficient action potentials in GABAergic interneuron axons. Neuron, doi:10.1016/j.neuron.2018.02.024.
    Lapray, Damien, Lasztoczi, Balint, Lagler, Michael, Viney, Tim James, Katona, Linda, Valenti, Ornella, Hartwich, Katja, Borhegyi,Zsolt, Somogyi, Peter & Klausberger, Thomas (2012). Behavior-dependent specialization of identified hippocampal interneuron. Nature Neuroscience, 1546-1726.
    O.A. (1986). Die grosse Bertelsmann Lexikothek – Band 10. Gütersloh: Bertelsmann Lexikothek Verlag GMBH.
    Ritzau-Jost, A., Delvendahl, I., . A. Rings, Byczkowicz, N., Harada, H., Shigemoto, R., Hirrlinger, J., Eilers, J. & Hallermann, S. (2014). Ultrafast Action Potentials Mediate Kilohertz Signaling at a Central Synapse. Neuron, 84, 152–163.
    Srivatsa, S., Parthasarathy, S., Britanova, O., Bormuth, I., Donahoo, A.L., Ackerman, S.L., Richards, L.J. & Tarabykin, V. (2014). Unc5C and DCC act downstream of Ctip2 and Satb2 and contribute to corpus callosum formation. Nat Commun, doi:10.1038/ncomms4708.
    Stangl, W. (2015). Neuronen – Nervenzellen. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW:  https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/Gehirn-Neuronen.shtml (15-04-18)
    Stangl, W. (2012). Die Chemie des Lernens. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/LernenChemie.shtml (12-04-25).
    https://www.spektrum.de/magazin/mechanische-informationsuebertragung-im-gehirn/1580866 (18-08-16)
    https://www.spektrum.de/news/decoded-neurone-die-bausteine-des-nervensystems/2003872 (22-04-01)
    https://www.br.de/radio/bayern2/neurologie-was-ist-das-geheimnis-der-nerven-100.html (22-06-21)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Inhaltsverzechnis