Psychopharmaka sind Medikamente, die direkt im Gehirn wirken, und sind kein Allheilmittel bei psychischen Erkrankungen, sind aber aus der Therapie kaum mehr wegzudenken, wobei sie am häufigsten bei Depressionen mit höherem Schweregrad eingesetzt werden, aber auch eine Schizophrenie lässt sich ohne Medikamente gar nicht behandeln, und auch bei schweren Angst- und Zwangserkrankungen gehören sie zur Therapie. Psychopharmaka wirken direkt im Gehirn und greifen in den Neurotransmitterstoffwechsel ein, beeinflussen also die Botenstoffe, die im Gehirn für das menschliche Verhalten, für Emotionen, die Wahrnehmung und für das autonome Nervensystem bedeutsam sind. Letztlich versuchen diese Wirkstoffe, wieder ein Gleichgewicht herzustellen, doch heilen lassen sich Menschen mit Psychopharmaka nicht, lediglich die Symptome können beeinflusst werden. Daher kann die medikamentöse Behandlung nur einen Teil einer Therapie darstellen, d. h., ohne begleitende Sitzungen bei einem psychologischen Psychotherapeuten ergibt der Einsatz von Psychopharmaka kaum Sinn.
Psychopharmakon ist dabei der übergeordnete Begriff für eine ganze Gruppe von Medikamenten mit häufig ungeklärter Wirkungsweise, die eine positive Wirkung auf das gestörte psychische Erleben haben. Dazu zählen die Neuroleptika, die den wahnhaft gesteigerten Antrieb beeinflussen, die Antidepressiva, die die Stimmungslage heben, Sedativa, die als Schlaf- und Beruhigungsmittel eingesetzt werden, und die stimulierenden Amphetamine. Ein Psychopharmakon ist demnach ein Medikament, das eine steuernde Wirkung auf die psychischen Abläufe im Menschen ausübt und in der Medizin zur Behandlung psychischer Störungen eingesetzt wird. Diese Stoffe haben in der Regel ein erhöhtes Missbrauchs- und Abhängigkeitsrisiko, daher sind Psychopharmaka verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zwar eine Abschwächung der Symptome einer psychischen Erkrankung bewirken, jedoch ist eine Heilung einer psychischen Erkrankung allein durch Medikamente nicht möglich. Bei vielen Psychopharmaka zeigt sich die Wirkung erst nach einigen Wochen der Einnahme, wobei bei den manchen Psychopharmaka zunächst eine Erstverschlimmerung erfolgt.
Der Medikamentenmissbrauch wird vor allem mit Schmerzmitteln, Beruhigungsmitteln, Schlafmitteln und Aufputschmitteln betrieben.Der Konsument solcher Medikamente wird sich seiner entstandenen Sucht oft erst spät bewusst. Auch fällt ein Geheimhalten der Sucht meist nicht allzu schwer.
Die Ursachen für die Abhängigkeit liegen in der Person selbst und im sozialen Umfeld dieser Menschen, weiters auch im großen Angebot an abhängigkeitserzeugenden Medikamenten. Sie bedingen bei regelmäßiger Verabreichung körperliche Abhängigkeit. Auf Grund ihrer leichten Zugänglichkeit werden bestimmte Medikamentengruppen sowohl in der Drogenszene (Ersatzstoff bei Opiaten bei Versorgungsengpässen oder für den Beikonsum) als auch in der sogenannten Normalbevölkerung missbräuchlich verwendet. Ihr Abhängigkeitspotential wird häufig unterschätzt. Medikamente, die geeignet sind, Abhängigkeit zu erzeugen, sind
- Appetitzügler
- Asthmamittel
- Beruhigungsmittel
- Opiathältige Narkosemittel
- Opiathältige Schmerzmittel
- Schlafmittel
- Schmerzmittel
- Aufputschmittel
- Antidepressiva
- Neuroleptika
Vor allem Benzodiazepine machen bereits in geringer Menge und nach sehr kurzer Zeit der Einnahme abhängig, und gelten daher als die Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate, und sollten stets nur als Notfallmedikament, jedoch nie über Wochen oder Monate hinweg verabreicht werden. Manche beruhigende Psychopharmaka wie Benzodiazepine sind daher nur in Akutphasen angebracht, da sie Anspannung und Schlaflosigkeit reduzieren und den Boden für psychotherapeutische Maßnahmen vorbereiten. Benzodiazepine wirken grundsätzlich also erregungs- und angstmindernd, einschläfernd, muskelentspannend, antiepileptisch und mitunter antidepressiv. Benzodiazepine wie etwa Valium beeinflussen dabei den Botenstoff GABA im Rückenmark und im Gehirn, d. h., indem sie die Wirkung von GABA verstärken. GABA ist dabei jener Neurotransmitter, der für die Beruhigung des Menschen zuständig ist, indem er die Produktion anderer Botenstoffe hemmt. Benzodiazepine sind daher also keine Wiederaufnahme-Hemmer wie andere Medikamente, sondern Releaser, indem sie an den GABA-Rezeptoren andocken und die Chloridkanäle öffnen, sodass mehr dieses Botenstoffs ausgeschüttet werden kann. Der GABA-Speicher ist dann aber irgendwann leer und die Symptome kehren zurück. Wiederholt man die Einnahme von Benzodiazepinen regelmässig, leert sich der GABA-Speicher immer mehr und auch das Gehirn produziert weniger GABA, da es sich daran gewöhnt hat, die notwendigen Impulse durch die Benzodiazepine zu erhalten. Dadurch kommt es zu einem Rebound-Effekt, d. h., dass die ursprünglichen Symptome in verstärkter Form abermals auftreten. Durch die mangelnde Produktion sowie die Gewöhnung an die Außenimpulse kommt es zu einer Toleranzentwicklung. Schon nach wenigen Wochen regelmäßigen Konsums tritt daher die Abhängigkeit ein, wobei die Absetzung ähnliche Folgen zeitigt wie andere Entzüge von Suchtmitteln (z. B. Entzugsdelir). In Verbindung mit Alkohol und anderen sedierenden Drogen kann es zu Blackouts kommen, wobei auch Atem- und Herzstillstand die Folge sein können.
Abzulehen ist der Einsatz von Medikamenten in der Altenpflege, denn oft dienen Psychopharmaka allein dazu, die Betroffenen ruhigzustellen. Auch sollte man von Medikamenten Abstand nehmen, wenn jemand nach einer Trennung oder einem Todesfall in eine akute Krise gerät, denn dann genügt in der Regel eine Psychotherapie.
Psychotherapie vs Psychopharmaka?
Margraf & Schneider (2016) haben zahlreiche Studien ausgewertet, die die nachhaltige Wirkung von Psychopharmaka infrage stellen, teils sogar negative Folgen bei längerer Einnahme dokumentieren. Die derzeit verfügbaren Medikamente können die Symptome psychischer Störungen nicht dauerhaft lindern, denn Medikamente gegen Depression, Angststörungen und das Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom wirken nur kurzfristig, denn setzt man sie ab, kehren die Symptome zurück. Eine langfristige Einnahme kann hingegen sogar negative Folgen haben, etwa ein gesteigertes Risiko für eine chronische Erkrankung oder erhöhte Rückfallraten. Psychotherapien wie die Kognitive Verhaltenstherapie erzielen langfristig betrachtet deutlich besser anhaltende Effekte, wobei das Hauptproblem der Psychotherapie nicht die Wirksamkeit oder Kosten sind, sondern die mangelnde Verfügbarkeit. Während Psychopharmaka schnell verabreicht werden könnten, müssen Betroffene oft lange auf einen Therapieplatz warten.
Die Ursache dafür, dass es nach sechzig Jahren intensiver Forschung keine besseren Therapieoptionen gibt, ist die weit verbreitete Vorstellung, psychische Störungen können allein mit biologischen Konzepten erklärt werden. So wird nach wie vor erklärt, dass hauptsächlich ein aus dem Lot geratenes Neurotransmittersystem die Ursache für psychische Erkrankungen ist, dabei ist nach wie vor nicht klar, ob dieses Phänomen Ursache oder Folge ist. Auch soziale Faktoren dürften nicht vernachlässigt werden, wobei auch die starren Kategorien von krank und gesund bei psychischen Störungen mit ihren vielen unterschiedlichen Ausprägungen nicht hilfreich sind. Es sollte daher die Forschung zu biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren besser verzahnt werden und der zu enge Blick auf mögliche biologische Ursachen erweitert werden.
Literatur
Margraf, J. & Schneider, S. (2016). From neuroleptics to neuroscience and from Pavlov to psychotherapy: More than just the “emperor’s new treatments” for mental illnesses. EMBO Molecular Medicine, dos: 10.15252/emmm.201606650.