Die sozialpsychologische These des Thomas-Theorems zielt auf die Differenz zwischen subjektiver Wirklichkeit und objektiver Realität und besagt, dass jedes menschliche Handeln reale Konsequenzen zur Folge hat, ganz gleich wie irreal die Situationsdefinition auch ursprünglich war, die zu einer entsprechenden Handlung geführt hat. Letztlich bedeutet es, dass bei der Beurteilung einer Situation bzw. der handelnden Akteure nicht allein die objektiv feststellbaren Fakten entscheidend sind, sondern wie die Menschen diese Situation als wirklich definieren.
Besonders relevant ist dieses Theorem bei der Erklärung von Ereignissen, deren Situationsdeutung objektiv völlig falsch erscheint, aber dennoch reale Konsequenzen hat, und zwar dadurch, dass das Handeln von Akteuren auf ihrer „falschen“ Definition der Situation basiert. Solche Definitionen sind jedoch meist nicht allein individuell oder willkürlich, sondern in erheblichem Maße sozial und kulturell mitgeprägt.
Die Konstitution einer Situation selbst geschieht demnach immer erst durch Interpretations- und Konstruktionsleistungen seitens eines oder mehrerer Akteure, auch auf Seiten eines Beobachters (Konstruktivismus).
Das Thomas-Theorem steht dabei in Einklang mit der self-fulfilling prophecy, den selbsterfüllenden Vorhersagen, und erklärt, dass sich eine Erwartung oder Befürchtung tatsächlich erfüllt, weil diese Definitionen einer Situation bewusst oder unbewusst Verhaltensänderungen von Menschen bewirken.
Der Begriff geht auf die Soziologen Dorothy Swaine Thomas und William Isaac Thomas zurück.
Siehe auch den Matthäus-Effekt.
Literatur
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas-Theorem (14-03-21)