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Selbstwirksamkeit

    Unter Selbstwirksamkeit (self-efficacy beliefs) versteht man in der Psychologie die Überzeugung eines Menschen, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können.

    Das Konzept der allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung fragt dabei nach der persönlichen Einschätzung der eigenen Kompetenzen, allgemein mit Schwierigkeiten und Barrieren im täglichen Leben zurechtzukommen. Diese Überzeugung bezüglich der eigenen Fähigkeiten bestimmt, wie Menschen sich in einer konkreten Situation fühlen, denken, sich motivieren und auch handeln, sie beeinflusst die Wahrnehmung und Leistung daher auf unterschiedlichste Art und Weise. Selbstwirksamkeit bezieht sich also auf die Überzeugung, dass man fähig ist, etwa etwas zu erlernen oder eine bestimmte Aufgabe auszuführen. Studien zeigen, dass Menschen, die an ihre eigene Kraft glauben, ausdauernder bei der Bewältigung von Aufgaben sind, und außerdem ein geringeres Risiko für Angststörungen entwickeln.

    In der Auseinandersetzung mit alltäglichen Umweltanforderungen stellen die individuellen Selbstwirksamkeits- oder Kompetenzerwartungen eine wichtige personale Ressource dar. Wenn Menschen schwierige Dinge zu bewältigen haben, müssen sie die an sie gestellten Anforderungen gegen ihre Kompetenzen abwägen. Erst dann entscheiden sie sich für eine bestimmte Handlung bzw. Bewältigungsreaktion. Diese subjektiven Kompetenzüberzeugungen, eine neue oder schwierige Aufgabe auch dann erfolgreich lösen zu können, wenn sich Widerstände in den Weg stellen, muss abgegrenzt werden von der Handlungsergebnis–Erwartung, also der Wahrnehmung von Kontingenzen zwischen einer Handlung und ihren Konsequenzen. Das Konstrukt der Selbstwirksamkeitserwartung läßt sich gegen das der Handlungsergebnis–Erwartung insofern abgrenzen, als dass diese in vielen Theorien zwar eine wichtige Rolle für die Erklärung von Verhalten, spielen, doch Handlungsfolgen vor allem unter dem Aspekt der Kontrolle betrachtet werden: Steht es in der Macht eines Individuums, ein bestimmtes Handlungsergebnis zu bewirken? Handlungsergebnis–Erwartungen lassen sich auch sprachlich von Selbstwirksamkeitserwartungen unterscheiden, da sie meist in Form von Wenn–Dann–Sätzen formuliert werden: „Wenn ich an der Weiterbildung teilnehme, dann verbessern sich meine Beförderungschancen“. Hingegen würde man eine Selbstwirksamkeitserwartung formulieren: „Ich bin mir sicher, dass ich durch aktive Weiterbildungsanstrengungen meine Beförderungschancen verbessern kann“.

    Kognitionen über eigene Fähigkeiten beeinflussen das Handeln, wobei solche subjektiven Überzeugungen mehr oder weniger mit der Wirklichkeit übereinstimmen können. Bandura definiert, dass sich die wahrgenommene Selbstwirksamkeit auf Überzeugungen über jene eigenen Fähigkeiten bezieht, die man benötigt, um eine bestimmte Handlung zu organisieren und auszuführen, um damit bestimmte Ziele zu erreichen. Selbstwirksamkeitserwartungen beeinflussen vor allem die Auswahl von Handlungen (Schwierigkeitsgrad), die investierte Anstrengung im Zielerreichungsprozeß, die Ausdauer angesichts von Schwierigkeiten und Barrieren sowie indirekt den Grad des Handlungserfolges. Selbstwirksamkeitserwartungen beziehen sich demnach auf bestimmte Verhaltensweisen, die zu bestimmten Handlungsergebnissen führen; für diese möglichen Handlungsergebnisse haben Menschen ihrerseits Handlungs–Ergebniserwartungen, sodass beide Komponenten für Motivation und Verhaltensregulation bedeutsam sind.

    Nach Bandura (1997) lassen sich vier unterschiedlich effektive Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung unterscheiden:

    • Physiologische Zustände: Da die Beurteilung von Situationen auch immer von körperlichen Empfindungen abhängt, ist eine weitere Einflussquelle die Beurteilung von physiologischen Zuständen in bestimmten Situationen. Durch positive Beurteilung von physiologischen Begleiterscheinungen (wie z.B. Herzklopfen) wird Selbstwirksamkeit ausgelöst.Auf dieser untersten Ebene kann die körperliche Erregung einen Hinweis darauf geben, dass die eigenen Handlungsressourcen schwach sind, z. B. wenn man spürt, wie das Herz bis zum Halse schlägt angesichts einer schwierigen Anforderungssituation. Besonders unter Druck nehmen  Menschen körperliche Empfindungen wie feuchte Hände, Zittern oder Herzklopfen als Zeichen für ein mögliches Scheitern wahr, doch durch geeignete Übungen können Menschen mit der Zeit lernen, solche Empfindungen anders zu interpretieren, etwa als Zeichen freudiger Erregung oder Vorfreude auf das Kommende
    • Soziale Überzeugung: Auch durch Zuspruch von anderen gewinnt man Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Damit Selbstwirksamkeit entstehen kann, müssen die von aussen herangetragenen Überzeugungen jedoch auch (irgendwann) mit der Realität übereinstimmen. D. h. man muss auch irgendwann tatsächlich Erfolg haben. Die verbale Mitteilung oder Überredung gilt ebenfalls als Quelle zum Aufbau von Selbstwirksamkeitserwartungen („Du kannst es bestimmt schaffen“). Allerdings gilt auch, dass soziale Gruppen oft einen negativen Einfluss auf die Selbstwirksamkeit haben können. Erfährt man immer wieder von anderen Menschen, dass man selber versagt hat, werden Selbstwirksamkeitsüberzeugungen nachhaltig geschwächt.
    • Modelllernen: Beim Beobachten von Personen, die durch eigene Anstrengung eine schwierige Aufgabe bewältigen, kann ebenfalls Selbstwirksamkeit entstehen. Hierbei spielt die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen BeobachterIn und Zielperson eine grosse Rolle. Nur wenn man der Zielperson ähnliche Kompetenzen zuschreibt wie sich selbst, löst deren Erfolg auch beim Beobachter bzw. bei der Beobachterin das Gefühl aus, das Gleiche erreichen zu können. Wenn das Individuum Modellpersonen beim Handeln beobachtet, kann es durchaus Rückschlüsse auf die eigene Kompetenz ziehen, was man als stellvertretende Erfahrung bezeichnen kann. Wird der Erfolg anderer Personen beobachtet, die einem selbst wichtig oder ähnlich sind, so stärkt das ebenfalls die Erfahrung der eigenen Selbstwirksamkeit, besonder dann, wenn die Modellperson öffentlich belohnt wird.
    • Eigene Erfahrungen haben den wichtigsten Einfluss auf die Ausbildung der Selbstwirksamkeit. Das Erlebnis, durch eigene Anstrengungen ein Ziel zu erreichen, bewirkt, dass man sich auch in Zukunft für fähig halten wird, schwierige Aufgaben zu bewältigen. Wichtig ist dabei, dass man sich für die Zielerreichung anstrengen muss. Wer sich für seine Erfolge nicht anstrengen muss, lernt auch nicht, dass er sie durch eigenes Handeln beeinflussen kann. Besonders stark wirken sich sogenannte „mastery experiences“ aus. Dies sind Situationen, in denen eine Person zunächst nicht weiß, wie sie eine Aufgabe zu lösen hat, aber durch eigene Anstrengungen nach und nach eine erfolgreiche Lösungsstrategie ausbildet. Erfolgserlebnisse führen daher zu einer Stärkung der Selbstwirksamkeit, wobei wiederholte Misserfolge, vor allem dann, wenn die Ursachen dafür der eigenen Person zugeschrieben werden, zu einer Schwächung von Selbstwirksamkeit.

    Bei der kollektiven Selbstwirksamkeitserwartung geht es darum, überindividuelle Überzeugungen von der Handlungskompetenz einer Gruppe zu konzeptualisieren. So wie der Einzelne optimistische Selbstüberzeugungen haben kann, so soll dies auch für Gruppen gelten. Es wird zum Beispiel angenommen, daß ein Lehrerkollegium Vertrauen in die Kapazitätsreserven des Teams haben kann und somit auch eine optimistische Auffassung von der Bewältigung zukünftiger streßreicher Ereignisse, die die ganze Gruppe treffen. Die Kollektive Selbstwirksamkeit wird daher einen Einfluss darauf haben, welche Ziele sich Gruppen setzen, wieviel Anstrengung sie gemeinsam in ein Projekt investieren und wieviel Widerstand sie leisten, wenn Barrieren auftreten. Ein Lehrerkollegium zum Beispiel, das durch hohe Kollektive Selbstwirksamkeit charakterisiert ist, wird sich eher zutrauen, anspruchsvolle Reformziele zu verwirklichen und wird sich auch leichter von Rückschlägen erholen können, sollten die gemeinsamen Bemühungen einmal scheitern.

    Berufliche Selbstwirksamkeit

    Die Weitergabe von Wissen durch ältere Mitarbeiter an jüngere Kollegen ist von zentraler Bedeutung für den Wissenserhalt in einem Unternehmen. Fasbender & Gerpott (2021) haben erklärt, warum der Wissensaustausch älterer Arbeitnehmer mit jüngeren Kollegen oft gehemmt ist, wobei vor allem die wahrgenommene Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz als Bedrohung für die Wahrnehmung der beruflichen Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer im Sinne der berufliche Selbstwirksamkeit erlebt wird, die  den Wissensaustausch älterer Arbeitnehmer mit jüngeren Kollegen verringert. Es zeigte sich, dass ältere Mitarbeiter, die sich altersbedingt diskriminiert fühlten, eine geringere berufliche Selbstwirksamkeit aufweisen, was mit einem geringeren Wissensaustausch mit jüngeren Kollegen zusammenhing. Diskriminierung verändert also das Verhalten Betroffener am Arbeitsplatz, denn ältere Beschäftigte verinnerlichen das negative soziale Urteil anderer kognitiv und fühlen sich daher weniger sicher, ihr Fachwissen mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen zu teilen. Auch Personalanpassungsmaßnahmen wie Weiterbildung und Zugeständnisse verstärken den positiven Zusammenhang zwischen beruflicher Selbstwirksamkeit und Wissensaustausch, indem solche Maßnahmen zwar älteren Arbeitnehmern mit höherer beruflicher Selbstwirksamkeit helfen, gleichzeitig aber den Wissensaustausch älterer Arbeitnehmer mit geringerer beruflicher Selbstwirksamkeit aufgrund von wahrgenommener Altersdiskriminierung beeinträchtigen. Human Resources-Praktiken, die sich gezielt an ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten, sind zwar nützlich, können aber den negativen Auswirkungen einer wahrgenommenen Diskriminierung aufgrund des Alters jedoch nicht nachhaltig entgegenwirken.

    Abgrenzung von anderen Begriffen

    Selbstwirksamkeit meint also die individuelle, unterschiedlich ausgeprägte Überzeugung, dass man in einer bestimmten Situation die angemessene Leistung erbringen kann.
    Bei der Selbstachtung geht es eher um die Beurteilung des Selbstwertes, denn mit Selbstachtung ist etwa gemeint, ob man sich selber mag oder nicht, sodass Selbstachtung im Gegensatz zu Selbstwirksamkeit weder persönliche Ziele noch Leistung erzeugt.
    Auch beim Selbstkonzept geht es um die Beurteilung des Selbstwertes, also die gesamte Selbstwahrnehmung, die durch Erfahrungen mit der Umwelt gebildet wird und durch Verstärkung und Beurteilung durch andere stark beeinflusst wird.

    Zusammengestellt nach http://web.fu-berlin.de/gesund/skalen/Kollektive_Selbstwirksamkeit/
    kollektive_selbstwirksamkeit.htm (08-07-03)

    Auswüchse übertriebener Selbstwirksamkeiterwartung

    Der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit, dass man selbst etwas bewegen kann, ist heute bei den Menschen stark verwurzelt, denn es heißt sehr oft, man muss nur genug wollen, dann schafft man es auch. Die Wissenschaft, insbesondere die Psychologie, hat bei vielen Menschen einen extrem hohen Stellenwert, wenn es darum geht, das Leben zu gestalten, denn Menschen orientieren sich daran, was Forscher über Glück, Resilienz, Sex, Erfolg usw. herausgefunden haben. Man vergisst jedoch dabei, dass es sich um zahlreiche kleine und kleinste meist noch unüberprüfte Hypothesen oder Theorien handelt, die einander oftmals widersprechen, und mit minimalen statistischen Zusammenhängen, die keinen Leitfaden zum richtigen Leben ergeben können, nicht alltagstagstauglich sind.

    Literatur

    Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84, 191-215.
    Bandura, A. (1995). Exercise of personal and collective efficacy in changing societies. In A. Bandura (Ed.), Self-efficacy in changing societies (pp. 1-45). New York: Cambridge University Press.
    Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman.
    Fasbender, Ulrike & Gerpott, Fabiola H. (2021). To share or not to share: A social-cognitive internalization model to explain how age discrimination impairs older employees’ knowledge sharing with younger colleagues. European Journal of Work and Organizational Psychology, 30, 125-142.
    Parker, L. E. (1994). Working together: Perceived self- and collective-efficacy at the workplace. Journal of Applied Social Psychology, 24, 43-59.
    Stangl, W. (2022, 4. März). Warum der Wissensaustausch zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern in einem Unternehmen nicht funktioniert. arbeitsblätter news.
    https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/warum-der-wissensaustausch-zwischen-aelteren-und-juengeren-mitarbeitern-in-einem-unternehmen-nicht-funktioniert/.


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    Ein Gedanke zu „Selbstwirksamkeit“

    1. Selbstwirksamkeit, Selbstverantwortung und Selbstfürsorge

      Selbstwirksamkeit bedeutet das Erkennen und Nutzen der eigenen Wirksamkeit im Sinne von: Ich kann etwas erreichen, etwas bewirken, d.h. man kann selbst wirksam dazu beitragen, seine Ziele zu erreichen. Eng damit verbunden ist die Selbstverantwortung, denn nur wer die Verantwortung für sich, sein Handeln und seine Entwicklung übernimmt, kann sein Leben aktiv so gestalten, wie es sich gut und richtig anfühlt. Hinzu kommt die Selbstfürsorge, denn man selbst ist dafür verantwortlich, sich um sich selbst zu kümmern und zu erkennen, was einem gut tut und was man gerade braucht. Vor allem kann man diese Aufgabe niemand anderem übertragen, was wiederum zu Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit führt.
      Quelle: https://notiert.stangl-taller.at/allgemein/selbstwirksamkeit-selbstverantwortung-und-selbstfuersorge/

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