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soziale Interaktion

    Soziale Interaktion bezeichnet das wechselseitig aufeinander bezogene Handeln oder auch Beeinflussen von Akteuren oder Gruppen, also das Geschehen zwischen Personen, die aufeinander reagieren, miteinander umgehen, einander beeinflussen und steuern. Die soziale Interaktion umfasst demnach alle Prozesse, die zwischen zwei oder mehr Menschen oder Gruppen ablaufen, die sozialen Kontakt in realer oder virtueller Form miteinander haben. Solche Prozesse finden in der Regel immer dann statt, wenn man mit einem anderen Menschen spricht, verhandelt oder mit diesem etwas austauscht. Dabei spielen in der direkten Konfrontation auch die Körperhaltung, der Tonfall und die Mimik und Gestik eine wichtige Rolle (nonverbale Kommunikation). Übrigens: Auch ein Nicht-Verhalten ist für andere eine Mitteilung, die sie interpretieren und bewerten können. Verhalten hat in diesem Verständnis daher kein Gegenteil, denn man kann sich nicht nicht verhalten bzw. man kann nicht nicht kommunizieren (vgl. Watzlawick, 1985).

    Der Mensch nimmt von früher Kindheit an Einfluss auf Situationen, die er andererseits selbst beeinflusst, ebenso wie er durch die soziale und physische Umwelt beeinflusst wird. Der Mensch reagiert also nicht nur passiv, sondern gestaltet seine Umwelt selbst mit, sodass der Mensch ein System bildet, in dem Aktivitäten und Veränderungen miteinander verschränkt sind. Die Veränderungen von Details führen zu Veränderungen des Gesamtsystems und wirken natürlich wieder zurück. Hat man früher in der Entwicklujngspsychologie gefragt, wie sich ein Kind in einer Familie entwickelt, fragt man heute, wie ein Kind auf eine Familie wirkt und welche Wirkungen das Kind beeinflussen.

    Paul Watzlawicks Axiome zur Kommunikation gelten übrigens auch für das Online-Verhalten, denn Watzlawicks wohl bekanntestes Axiom “Man kann nicht nicht kommunizieren” ist virtuell leicht beobachtbar, da Social-Media-Verweigerer auch durch ihr Fernbleiben von Facebook, Twitter, Instagram oder WhatsApp kommunizieren.

    Dikker et al. (2017) haben die Gehirnaktivität mit Hilfe mobiler Elektronenzephalogramme während sozialer Interaktionen im Biologie­unterrichts von zwölf Gymnasiasten sowie ihre Lehrer ein ganzes Schuljahr lang erfasst. Dabei zeigte sich, dass die Synchronisierung der Gehirnströme widerspiegelte, wie sehr die Schüler den Unterricht mochten und wie sympathisch sie sich gegenseitig fanden. Wie stark Gehirnströme mit denen einer anderen Person synchronisiert sind, scheint ein guter Prädiktor dafür zu sein, wie gut sie miteinander auskommen und wie stark sie sich engagieren. Offenbar ist die Hirn-zu-Hirn-Synchronizität ein möglicher neuraler Marker für soziale Interaktionen im Alltag. Es zeigte sich in den Daten eine positive Korrelation zwischen der Unterrichtsbewertung eines Schülers und dessen Hirnsynchronizität mit seinen Mitschülern als Gruppe, d. h., je stärker die Gehirnaktivitäten eines Schülers mit denen in der Klasse insgesamt übereinstimmten, desto wahrscheinlicher gab dieser eine positive Bewertung für den Unterricht ab, und je größer die Synchronizität zwischen einzelnen Schülern und ihren Mitschülern war, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Unterrichtsstil des Lehrers positiv beurteilten. Auch zeigte sich, dass Schüler, die einander näherstanden, während des Unterrichts eine stärkere Synchronizität aufwiesen, doch dies war jedoch nur dann der Fall, wenn sie direkt vor dem Unterricht persönlich miteinander zu tun hatten. Das lässt vermuten, dass eine persönliche Interaktion direkt vor einer gemeinsamen Erfahrung von Bedeutung ist, selbst dann, wenn während der Erfahrung selbst kein direkter Kontakt besteht. Darüber hinaus wurde bei Schülern, die Gruppenaktivitäten als bedeutend für ihr Leben bezeichneten, eine stärkere Synchronizität mit ihren Mitschülern nachgewiesen. Generell dürfte die Hirn-zu-Hirn-Synchronisierung durch geteilte Aufmerksamkeit unterstützt werden.

    Das Verständnis für andere ist grundlegend für eine zwischenmenschliche Kooperation und erfolgreiche Zusammenarbeit, wobei der Mechanismus der interpersonellen neuronalen Synchronisation als eine wesentliche Grundlage für effektive Kommunikation und Verhaltenskoordination gilt. Nguyen et al. (2020) haben nun mit Hilfe der dual-funktionalen Nahinfrarotspektroskopie die Auswirkungen der Interaktionsqualität auf die neuronale Synchronität während einer Problemlösungsaufgabe bei Dyaden von Müttern und ihren Vorschulkindern untersucht. In einer Kooperationsbedingung wurden Mütter und Kinder angewiesen, gemeinsam ein Tangram-Puzzle zu lösen, in der Einzelbedingung führten Mütter und Kinder die gleiche Aufgabe allein und getrennt aus. Die Ergebnisse belegten eine erhöhte neuronale Synchronizität im bilateralen präfrontalen Cortex und in den temporo-parietalen Arealen während der Kooperation im Vergleich zur individuellen Problemlösung. Eine Aktivierung in diesen Regionen steht dabei im Zusammenhang mit dem Fassen gemeinsamer Absichten und gegenseitiger Perspektivenübernahme. Diese höhere neuronale Synchronizität während der Kooperation korrelierte auch mit einer höheren Verhaltens-Reziprozität und sagte auch den Problemlösungserfolg der Dyade über das reziproke Verhalten zwischen Mutter und Kind voraus. Dabei spielen Faktoren wie der mütterlicher Stress und kindliche Handlungsfähigkeit während der Aufgabe eine größere Rolle für die neuronale Synchronisation als etwa Faktoren wie das kindliche Temperament. Die Studie belegt deutlich, dass die Anpassung der Gehirnaktivität schon im Kindesalter eine grundlegende Rolle bei sozialen Interaktionen spielt.

    Literatur

    Dikker, Suzanne, Wan, Lu, Davidesco, Ido, Kaggen, Lisa, Oostrik, Matthias, McClintock, James, Rowland, Jess, Michalareas, Georgios, Van Bavel, Jay J., Ding, Mingzhou & Poeppel, David (2017). Brain-to-Brain Synchrony Tracks Real-World Dynamic Group Interactions in the Classroom. Current Biology, 27, 1375-1380.
    Nguyen, Trinh, Schleihauf, Hanna, Kayhan, Ezgi, Matthes, Daniel, Vrticka, Pascal & Hoehl, Stefanie (2020). The effects of interaction quality on neural synchrony during mother-child problem solving. Cortex, 124, 235-249.
    Stangl, W. (2019). Watzlawicks Axiome im Licht digitaler Kommunikation – ☀ bemerkt.
    WWW: https://bemerkt.stangl-taller.at/watzlawick-axiome-im-licht-digitaler-kommunikation/ (2019-10-25).
    Watzlawick, P. (1985). Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Bern/Stuttgart/Toronto: Verlag Hans Huber.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Interaktion (08-11-14)


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