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Neuroästhetik

    Die Neuroästhetik als Forschungsgebiet hat zum Ziel, die neurobiologischen Grundlagen ästhetischer Empfindungen, etwa bei der Rezeption von bildender Kunst oder Musik, sowie der kreativen Prozesse beim Erschaffen solcher Werke zu erforschen. Die Neuroästhetik ist damit eine Teildisziplin der experimentellen Ästhetik in Verbindung mit psychologischer und neurologischer Forschung.

    Die Neuroästhetik ist ein sich schnell entwickelndes interdisziplinäres Forschungsfeld, das darauf abzielt, die neuronalen Substrate der ästhetischen Erfahrung von Menschen zu untersuchen. Während das Verständnis ästhetischer Erfahrung schon seit langem ein Forschungsgebiet zahlreicher Wissenschaften darstellt, werden diese Erfahrungen erst seit kurzem auch von Neurowissenschaftlern untersucht. Eine zentrale Fragestellung der Neuroästhetik ist dabei, inwieweit ästhetisches Empfinden „bottom-up“ von der Zusammenführung einfacher Wahrnehmungen oder „top-down“ von der Einwirkung höherer kognitiver Prozesse abhängt, wobei bei ästhetischen Empfindungen wohl beide Verarbeitungsweisen eine Rolle spielen.

    Untersuchungen in der Neuroästhetik haben gezeigt, dass ästhetische Erfahrungen mit statischer bildender Kunst sich auf visuelle, belohnende und defaultmäßige Netzwerke im Gehirn beziehen, wobei über die zeitliche Dynamik dieser Netzwerke bei der ästhetischen Erfahrung bisher nur wenig erforscht ist. Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren deuten aber darauf hin, dass kritische Aspekte der ästhetischen Erfahrung eine eher langsame Dynamik aufweisen, die mehr als einige Sekunden andauert und sie daher für ein Studium mit solchen bildgebenden Messverfahren zugänglich macht.

    Belfi et al. (2018) haben dabei einige Schlüsselaspekte der Dynamik ästhetischer Erfahrung identifiziert. Dabei spielt vor allem das Default Mode Network, das für reflektierende mentale Prozesse zuständig ist, eine wichtige Rolle, denn es versetzt Menschen in die Lage, unabhängig von äußeren Reizen zu denken. Wenn Probanden ein Kunstwerk ästhetisch ansprechend finden, werden Teile des Default Mode Network bei der Betrachtung wieder aktiv, obwohl der Fokus aktiv auf dem Kunstwerk liegt. Sehen Probanden hingegen ein Kunstwerk, das sie als nicht attraktiv einstufen, wird das Default Mode Network nicht aktiv. Das Default Mode Network ist offenbar für eine bewegende ästhetische Erfahrung charakteristisch. Damit Kunstwerke Menschen nachhaltig beeindrucken, erfordern diese jedoch ein Zusammenwirken des nach innen gerichteten Default Mode Networks und der nach außen gerichteten aktiven Wahrnehmungen.

    Bestätigt wurde das in einer Untersuchung von Vessel et al. (2019): Bei der Betrachtung von bildlichen Darstellungen von Kunst, Architektur oder Naturlandschaften löst diese in den visuellen Gehirnareale sehr unterschiedliche Aktivitätsmuster aus, und zwar auch beim Vergleich von Bildern, die Menschen als ästhetisch ansprechend beurteilen. Eine ganz andere Reaktion fanden fand man in den Gehirnarealen, die typischerweise nur während der inneren Reflexion aktiv sind, denn im Default Mode Network führten die Bilder, die die Studienteilnehmer als schön beurteilt hatten, zu bemerkenswert ähnlichen Aktivitätsmustern, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Kunstwerke, Gebäude oder Landschaften handelte. Da das Default Mode Network normalerweise inaktiv ist, wenn sich ein Mensch mit der Außenwelt beschäftigt, ist es höchst ungewöhnlich, dass es mit dem ästhetische Gefallen visueller Erfahrungen korrespondiert. Die ähnlichen Aktivitätsmuster deuten jedoch darauf hin, dass das Default Mode Network einen universellen Code für ästhetische Attraktivität enthalten könnte, wobei man nicht weiß, ob das Default Mode Network diesen Code selbst errechnet. Daher dürfte das Default Mode Network eine wichtige Rolle spielen bei der Art und Weise, wie Menschen auf Schönheit reagieren, die sie emotional bewegt.

    Beim ästhetischen Erleben handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel von Wahrnehmung und kognitiven Prozessen, wobei Merkmale der Kunstwerke wie die Farbgebung und die dargestellten Inhalte eine Rolle spielen, aber auch individuelle Eigenschaften des Betrachters sowie seine Fachkenntnis und kontextbezogene Faktoren wie etwa der Titel eines Kunstwerks. Krauss et al. (2019) haben in einer realen Ausstellungssituation untersucht, wie Kontextinformationen zu den Kunstwerken das ästhetische Empfinden beeinflussen, wobei sie insbesondere der Frage nachgingen, ob und wie sich verschiedene Arten von Informationen auf die ästhetische Erfahrung von Museumsbesucherinnen und -besucher auswirken. Frühere Untersuchungen hatten nämlich gezeigt, dass Kontextinformationen die Wahrnehmung und das Erleben maßgeblich prägen können, etwa wenn Wein den Konsumenten besser schmeckt, wenn sein Preis höher angegeben wird. In der vorliegende Studie betrachteten sechs Gemälde verschiedener Künstler aus der Zeit des flämischen Expressionismus, wobei die Teilnehmenden entweder einfache, beschreibende Informationen zu den Gemälden erhielten oder aber ausführliche, vertiefende Informationen wie eine Interpretation. Danach bewerteten die Probanden in einem Fragebogen die Intensität ihrer ästhetischen Erfahrung, wobei auch die durch die Kunstbetrachtung ausgelösten Emotionen anhand von psychophysiologischen Daten wie der Herzfrequenz und der Hautleitfähigkeit erfasst wurden. Es zeigte sich, dass weder die beschreibende noch die erklärenden Informationen das ästhetische Empfinden beeinflussen, denn zwischen den beiden Gruppen liessen sich keine Unterschiede nachweisen, weder bei der subjektiven Einschätzung noch bei den körperlichen Reaktionen. Auswirkungen hatten nur die Eigenschaften der Kunstwerke selbst, denn so waren die körperlichen Reaktionen einerseits stärker als vor Beginn der Kunstbetrachtung und unterschieden sich auch signifikant je nach Gemälde. Das Kunstwerk, das die grösste Reaktion zum ästhetischen Erleben hervorrief, war James Ensors «Les masques intrigués» aus dem Jahr 1930, wobei diese Kunstwerke bizarr oder absurd wirken und deshalb die Betrachter zu extremeren Bewertungen verleiteten. Diese Forschungsergebnisse relativieren somit die Bedeutung von Begleitinformationen und unterstreichen gleichzeitig, dass der Kontext des Museums das ästhetische Erleben beeinflusst, d. h., Museumsbesucherinnen und -besucher brauchen nicht zwingend Informationen, um beeindruckt aus einer Ausstellung zu kommen, sondern die Kunst spricht für sich.

    Literatur

    Belfi, Amy M., Vessel, Edward A., Brielmann, Aenne, Isik, Ayse Ilkay, Chatterjee, Anjan, Leder, Helmut, Pelli, Denis G. & Starr, G. Gabrielle (2018). Dynamics of aesthetic experience are reflected in the default-mode network. NeuroImage, doi:10.1016/j.neuroimage.2018.12.017.
    Krauss, Luisa, Ott, Celine, Opwis, Klaus, Meyer, Andrea & Gaab, Jens (2019). Impact of contextualizing information on aesthetic experience and psychophysiological responses to art in a museum: A naturalistic randomized controlled trial. Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts, doi: 10.1037/aca0000280.
    Vessel, Edward A., Isik, Ayse Ilkay, Belfi, Amy M., Stahl, Jonathan L. & Starr, G. Gabrielle (2019). The default-mode network represents aesthetic appeal that generalizes across visual domains. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.1902650116.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Neuro%C3%A4sthetik (17-11-12)


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    Ein Gedanke zu „Neuroästhetik“

    1. Beder Odette

      Wann ist eigentlich wobei dieser Jagt nach wissenschaftlichen Aufmerksamkeit.
      Ich müssen nicht neien blöd Sinn ausdenken um sich hervor zu setzen.
      Der ästhetische Gehirn ist kulturel bedingt.
      Gesetzmäßigkeiten findet in Harmonie und neuronale Dopamin zusatz beim Synapsen Erneuerung oder Bestätigung.
      Das verstehen einer Kunst ist gelungenen Kommunikation.
      Ich könnte mich vorstellen ein computer der Kunst nach deinem Prinzip bewertet als Experiment.
      Im Vergleich mit einem Mensch.
      Der Kasparow computer Schach Spiel nur im Gestaltungsbereich.
      Das Treffen einer Bedeutung ist begridigend.
      Ich habe mit meiner Kinder 4 Jahre alt das Picasso Experiment gemacht.
      Picasso Bilder sollten von 4 jährigen Kinder betrachtet und mit einen Oberbegriff bezeichnet.
      Das Treffen zwischen den Künstler Taufen seiner Werke und kindisch Taufe war von etwas 50 Prozent.
      Jeder Volltreffer wurde als Belohnung erfunden und bewirkte neue Interesse an Picasso.
      Mit 4 Jahre alter normal intelligente Kinder.
      Odette Beder Diplom Ästhetik.

      Dieser Kommentar wurde deshalb freigeschaltet, da er trotz aller Irritation ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit hervorruft und zahlreiche Fragen aufwirft!
      (W. S.)

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