Obwohl Psychotherapie und psychologische Beratung eine der persönlichsten Dienstleistungen darstellt, die man sich vorstellen kann, gehört die E-Therapie etwa in den USA längst zum Alltag. Leider sind tausende selbsternannte Netzpsychologen via E-Mail oder im Chat unterwegs. Auch in Europa und daher auch Österreich entwickelt sich eine solche Szene, obwohl die Entwicklung hier deutlich langsamer verläuft. Ein Grund dafür ist die gesetzliche Lage, denn Psychotherapie muss unmittelbar und persönlich erfolgen, wobei es sich bei allem anderen nur um Beratung handelt. Vor allem die Suche eines geeigneten Therapeuten findet immer häufiger online statt und auch der Erstkontakt erfolgt über diese Schiene. In einem Angebot findet man etwa folgenden Text: „Meine Psychologische Beratung Online im Internet richtet sich an alle Menschen, die mit ihren Problemen allein nicht mehr fertig werden oder sich in einer schwierigen Situation befinden. Ich biete Rat, Begleitung, Psychologische Beratung und Psychotherapie. Angst, Depression, Partnerkonflikte, Familienkonflikte, Probleme am Arbeitsplatz (z.B. Streß, Mobbing, Burnout), Scheidung, Arbeitslosigkeit, Suchtprobleme, Eßstörungen, Figur-, Gewichtsprobleme, Suche nach Sinn im Leben, Berufswahl, Zeitmanagement: meine psychologische Beratung kann Ihnen helfen.“
Immer häufiger findet daher auch im psychotherapeutischen Bereich Onlineberatung statt, bei der die therapiegestützte Kommunikation zwischen Klienten und Psychologen ausschließlich über das Internet, durch die Benutzung eines Computers, erfolgt. Diese Interaktion kann per E-Mail, Chat, Videokonferenz oder in Foren stattfinden, wobei auch die Schaffung einer virtuellen Realität im Bereich der klinischen Psychologie eingesetzt werden. Im Vergleich zur therapeutischen Face-to-face Behandlung ist die internetbasierte Behandlung in der Regel durch einen schriftlichen Kommunikationsstil und kürzere Behandlungszeiträume charakterisiert, wobei durch die Erhöhung der Bandbreiten immer häufiger auch Übertragungsformen mit Life-Bildern eingesetzt werden. Die Verfügbarkeit von Skype und anderen bildgestützten Kommunikationsformen verstärken noch die Vorteile einer Onlinebehandlung, etwa die leichte Verfügbarkeit, die weitgehende Flexibilität, die größere Reichweite sowie in manchen Fällen auch die Anonymität. Allerdings kann die Anonymität auch die Gefahr des Missbrauchs von falschen Informationen und Identitäten mit sich bringen. Dennoch konnte gezeigt werden, dass eine internetbasierte Behandlung ebenfalls zu einer Reduktion der Symptome führt und diese auch über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden kann.
Die in zahlreichen Studien berichteten Erfolge der Internettherapie erfordern allerdings, die Ergebnisse richtig einzuordnen, denn in den meisten Fällen haben sich die in die Untersuchungen einbezogenen Betroffenen aktiv für die Behandlung durch das Internet entschieden, und diese bewusste Entscheidung ist bekanntlich eine wesentliche Voraussetzung für jede Form von Psychotherapie. Es findet daher in solchen Untersuchungen meist eine positive Selektion der Probanden und Probandinnen statt. Die Ergebnisse solcher Studien können daher nicht auf alle KlientInnen übertragen werden, sondern nur auf jene, die sich bewusst für eine solche Form der Behandlung entscheiden. Allerdings gilt, dass jemand, der aufgeschlossen gegenüber einer e-Therapie ist, bessere Heilungschancen besitzt.
Ein großer Nachteil aller Online-Therapien ist allerdings, dass der Klient nicht von einem Therapeuten oder einer Therapeutin im direkten physischen Kontakt begleitet wird, sodass diese die Körpersprache analysieren und die Behandlung auf diesen Beobachtungen basierend individuell gestalten kann. Diese physische Präsenz kann auch durch bildgestützte Medien nicht in vollem Umfang ersetzt werden.
Ein neueres Beispiel einer Online-Therapie ist das iFightDepression – Tool.
Digitale Gesundheitsinterventionen: Gesundheits-Apps
Bei einer Untersuchung von Gesundheits-Apps (Meinlschmidt et al., 2019) wurde überprüft, wie diese besser auf die individuellen Bedürfnisse der KlientInnen zugeschnitten werden können. Gesundheits-Apps kommen zunehmend bei körperlichen und psychischen Erkrankungen zum Einsatz und ergänzen bzw. unterstützen die reguläre Behandlung, etwa um bei Depressionen die Stimmung zu verbessern. Besondere Bedeutung haben diese Smartphone-basierte Interventionen in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen, bei denen reguläre Behandlungsangebote nicht oder nur punktuell zur Verfügung stehen. Bekanntlich unterscheidet sich die Wirkung solcher Apps von Mensch zu Mensch, und auch bei ein und derselben Person wirken die Interventionen je nach Situation einmal mehr und einmal weniger. Um zu überprüfen, wie der Effekt einer Smartphone-basierten Intervention besser vorhergesagt werden kann, nutzt man die Daten von Smartphone-basierten Interventionen zur Stimmungsregulation, wobei ein statistisches Verfahren des maschinellen Lernens zur Anwendung kam, und zwar eine spezifische Form der sogenannten «Random-Forest»-Methode. Mit diesem Klassifikationsverfahren können große Datenmengen geordnet werden. Die Stärke der Methode liegt darin, dass die Forschenden dem System relevante Merkmale wie zum Beispiel Müdigkeit oder Unruhe zuteilen können. Der «lernende Wald» kombiniert diese Merkmale vielfältig miteinander und erlaubt Vorhersagen, die der Komplexität im realen Leben besser entsprechen als traditionelle Vorhersagemethoden. Während es im untersuchten Fall bei etwa sechs von zehn Anwendungen zu keiner Verbesserung der Stimmung kam, waren dies in den durch maschinelles Lernen als erfolgreich vorhergesagten Anwendungen nur noch etwa drei von zehn. Die Anzahl erfolgloser Nutzungen konnte also durch das Verfahren halbiert werden. Man weiß, dass viele PatientInnen digitale Interventionen nach anfänglicher Nutzung schnell wieder weglegen, denn wenn eine App nur jedes zweite oder dritte Mal wirkt, verlieren die Menschen bald die Lust, und sie sehen wenig Sinn in ihrer Anwendung. Das neue Verfahren hat das Potenzial, dass Patienten Smartphone-basierte Interventionen längerfristig nutzen, und diese Studie liefere wichtige Hinweise, wie digitale Interventionen im Sinne einer personalisierten Therapie in Zukunft besser auf das Individuum zugeschnitten werden können. Dabei wären Anwendungen auch in vielen anderen Feldern denkbar, in denen mobile Apps zum Einsatz kommen.
Siehe dazu auch die Psychologische Beratung im Internet – die „eTherapie“ oder „Online-Therapie“.
Literatur
Botella, C., Garcia-Palacios, A. Banos, R.M., & Quero. S. (2009). Cybertherapy: Advantages, limitations, and ethical issues. PsychNology Journal, 7, 77–100.
Kersting, A., Schlicht, S. & Kroker, K. (2009). Internettherapie. Möglichkeiten und Grenzen. Nervenarzt, 80, 797–804.
Meinlschmidt, Gunther, Tegethoff, Marion, Belardi, Angelo, Stalujanis, Esther, Oh, Minkyung, Jung, Eun Kyung, Kim, Hyun-Chul, Yoo, Seung-Schik & Lee, Jong-Hwan (2019). Personalized prediction of smartphone-based psychotherapeutic micro-intervention success using machine learning. Journal of Affective Disorders, doi:10.1016/j.jad.2019.11.071.