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Spielsucht

    Die Spielsucht bezeichnet das pathologische oder zwanghafte Spielen, das sich vor allem darin zeigt, dass es den Betroffenen nicht möglich ist, der Versuchung zu widerstehen, sich an Glücksspielen oder Wetten zu beteiligen. Das Denken der Spielsüchtigen dreht sich in der Regel beinahe ausschließlich um das Spiel, wobei Männer häufiger von Spielsucht betroffen sind als Frauen.

    Die Wurzeln der Spielsucht liegen häufig in der Kindheit, denn Menschen sind in ihrer Entwicklung dazu gezwungen, gewisse Risiken einzugehen, die mit der Hoffnung auf Erfolg oder sogar auf Außergewöhnliches verbunden sind. In solchen Situationen schüttet der Körper Endorphine aus, die das Risikoverhalten sowohl im Erfolgsfall aber auch bei Misserfolg durch Konditionierung verstärken. Die Aussicht auf einen Erfolg wie einen finanziellen Gewinn verstärkt das Verlangen nach Glücksspiel auch dann, wenn ein Gewinn noch gar nicht erzielt wurde, denn schon potentielle Gewinnchancen sorgen für dieses Verlangen. Hinzu kommt bei Glückspielsüchtigen das trügerische und nicht zu erschütternde Gefühl der Kontrolle über den Spielverlauf, wobei auch das Wissen, dass auf längere Sicht gesehen immer das Casino oder der Buchmacher gewinnt, keine Einstellungsänderung bewirkt. Vor allem Problemspieler überschätzen ihre Gewinnchancen massiv und glauben, über den Ablauf eines Spiels Kontrolle zu besitzen, wobei vor allem Online-Casinos dieses Kontrollgefühl ausnützen, und den SpielerInnen durch near-misses (Beinahefehler) suggerieren, bald sicher einen Treffer oder Gewinn landen zu können. Der Begriff Near Miss stammt übrigens aus der Luftfahrt und bezeichnet einen Beinahezusammenstoß.

    Die Forschung hat gezeigt, dass Glücksspiel bestimmte Hirnregionen beeinträchtigen kann, wobei die Aktivität in bestimmten Hirnregionen das Glücksspielverhalten direkt beeinflusst. Dabei handelt es sich insbesondere um den präfrontalen Cortex, den vorderen Teil des Gehirns, der die Planung, das Lösen komplexer Probleme, die Persönlichkeit und die Verarbeitung möglicher Konsequenzen steuert, und das ventrale Striatum, den Teil des Gehirns, der Belohnungen und Gefühle wie Glück verarbeitet. In der Forschung wurde festgestellt, dass Menschen mit einer Glücksspiel- oder Drogenkonsumstörung eine erhöhte Konnektivität mit dem Belohnungssystem und eine verringerte Aktivität mit dem präfrontalen Cortex aufweisen. Die verringerte Aktivität im präfrontalen Cortex könnte dann auch erklären, warum Menschen mit einer Glücksspielstörung mehr Probleme haben, ihre Impulse zu kontrollieren als andere Menschen. Diese Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass es bei Menschen mit problematischem Spielverhalten Unterschiede in der Funktion des präfrontalen Cortex gibt, was dazu führt, dass sie größere Schwierigkeiten haben, Entscheidungen über unmittelbare Belohnungen im Vergleich zu späteren Belohnungen und deren Folgen zu treffen. Auch das ventrale Striatum ist bei problematischen Glücksspielern weniger aktiv, wobei Menschen, die dem Nervenkitzel des Glücksspiels verfallen sind, paradoxerweise eine geringere Aktivierung der Belohnungsbahnen in ihrem Gehirn aufweisen. Dies alles deutet darauf hin, dass das Hauptinteresse von Spielsüchtigen eher darin besteht, die mangelnde Aktivität des Belohnungssystems und positive Gefühle zu kompensieren, als im Gewinnen selbst (Stangl, 2019).

    Man unterscheidet grundsätzlich zwei Arten von Glücksspielen:

    Reine Glücksspiele: In diese Kategorie fallen alle typischen, als solche bekannten Glücksspiele: Lotterien, Würfelspiele, Slots und Tischspiele wie Roulette oder Craps. Es handelt sich hierbei um Games, bei denen der Ausgang des Spiels ausschließlich vom Zufall und damit vom Glück entschieden wird und man als Teilnehmer keinen Einfluss auf das Ergebnis nehmen kann.
    Teilweise Glücksspiele: Hier geht es im Gegensatz zu den reinen Glücksspielen um Games, bei denen der Zufall zwar einen deutlichen Einfluss auf das Ergebnis hat, bei denen man als Spieler allerdings auch einen Einfluss auf das Spielergebnis hat. Hierunter fallen Spiele wie beispielsweise Poker oder auch das Brettspiel Backgammon.

    In Bezug auf Spielsucht sind allerdings die Mechanismen, die im Gehirn ablaufen, die gleichen, sodass bei Spielsucht grundsätzlich nicht zwischen unterschiedenen Spieltypen unterschieden werden kann. Das Gehirn wird beim Glücksspiel in eine Art Ausnahmezustand versetzt, und zwar durch die Ausschüttung von Hormonen, wobei ein Kreislauf entsteht: Der Gedanke ans Glücksspiel taucht auf oder es wird an einem Glücksspiel teilgenommen, der potentielle Gewinn sorgt als Anreiz dafür, dass Dopamin und Serotonin im Gehirn ausgeschüttet werden, und die ausgeschütteten Hormone bewirken ein Glücksgefühl, das Menschen immer wieder zum Glücksspiel zurückkehren lässt. Dabei ist es gleichgültig, ob man gewinnt oder verliert, denn der Glückszustand beginnt im Gehirn, und zwar lange bevor man das erste Mal gewonnen hat.

    Jüngst hat man untersucht, ob es einen geschlechterspezifischen Unterschied bei der Entwicklung einer Spielsucht gibt und versucht, dafür psychologische und biologische Erklärungen zu finden. Das Glücksspiel ist historisch gesehen ein überwiegend männlicher Zeitvertreib, doch ist mit der Ausweitung des legalisierten Glücksspiels die Beteiligung von Frauen gestiegen, sodass heute vermutlich das Verhältnis von Männern zu Frauen fast gleich ist. Allerdings werden bei Zunahme der Glücksspielmöglichkeiten für Frauen bei jungen Erwachsenen immer noch geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt, denn bei jungen erwachsenen Männern ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Glücksspiele spielen, doppelt so hoch und die Wahrscheinlichkeit, dass sie Glücksspielprobleme entwickeln, fast dreimal so hoch wie bei jungen erwachsenen Frauen. Einschlägige Studien zum Thema Spielsucht haben mehrfach nachgewiesen, dass sich Frauen durch Glücksspiele von emotionalem Stress und Sorgen befreien bzw. diese ausblenden wollen, d. h., sie legen mehr Wert auf eine unkomplizierte Ablenkung, während bei Männern hingegen die Motivation für die Spiele in der Aussicht auf Gewinn oder in der Ausübung von Macht begründet ist. Daher ist es nicht überraschend, dass Männer traditionell mehr Glücksspiele spielen, denn solche Spiele lassen vermehrt einen Einfluss durch das Geschick und Können der Spieler zu oder vermitteln zumindest den Eindruck, man könnte den Ausgang des Glücksspiels oder einer Wette durch Geschick und Können beeinflussen. Bei Frauen geht das Suchtverhalten meist einher mit weiteren psychischen Problemen oder Störungen, d. h., die Betroffenen versuchen mit dem Glücksspiel ihren Problemen zu entkommen, was allerdings die Probleme verstärken und die Spielsucht manifestieren kann. Bei Frauen liegt der Ursprung der Sucht doppelt so oft wie bei Männern in Traumata aus der Kindheit, etwa in Form von körperlicher Gewalt oder sexuellem Missbrauch. Immerhin fangen Frauen später an zu spielen, gleiten auch seltener in die Spielsucht ab, wenn es aber geschieht, geht es schneller als bei Männern.


    Klassische Symptome der Spielsucht

    • Zwang immer wieder Spielen zu müssen
    • Leugnung der Spielsucht
    • aggressive Reaktion, wenn man den Betroffenen auf die Spielsucht anspricht
    • Betroffene stecken trotz normalen Einkommens in finanziellen Schwierigkeiten
    • Spielsüchtige verheimlichen ihren finanziellen Besitz, selbst kleine Beträge
    • Betroffenen fangen an bei Freunden und Verwandten um Geld zu bitten bzw. zu betteln und nennen dabei seriöse Gründe wie Autokauf oder Reise zu einem Bewerbungsgespräch
    • Diebstahl von Geld und Wertsachen im Freundes- und Familienkreis

    Übrigens: Entzugssymptome verbindet man typischerweise mit Substanzabhängigkeit, d. h., der Körper der oder des Süchtigen gewöhnt sich an das Vorhandensein einer bestimmten Droge, und fehlt diese, verursacht das Entzugserscheinungen. Solche Entzugserscheinungen können auch beim Glücksspiel auftreten, denn für das Gehirn ist es letztlich gleichgültig, ob das bei Spielen produzierte Dopamin vo einer Substanz herbeigeführt wird oder vom Spiel an einem Spielautomaten oder im Internet. Zu den klassischen Symptomen eines Entzugs gehören Reizbarkeit, Unruhe, Angstzustände und Heißhunger, wobei manche auch unter Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit und Durchfall leiden. Im Laufe der Zeit entwickelt das Gehirn somit eine Spieltoleranz, sodass eine Erhöhung der Spieldosis notwendig wird, um den erwünschten Hormonspiegel zu erreichen.


    Test des Kompetenzzentrums für Verhaltenssucht am Universitätsklinikum Mainz

    Wenn man mindestens drei dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet, sollte man über sein Spielverhalten nachdenken:

    • Müssen Sie manchmal mehr und häufiger Glücksspiele spielen, als Sie ursprünglich vorhatten?
    • Setzen Sie im Vergleich zu früher heute mehr Geld oder Zeit für Glücksspiele ein?
    • Haben Sie schon einmal versucht, mit dem Glücksspielen aufzuhören, und es nicht geschafft?
    • Spielen Sie vor allem auch dann Glücksspiele, wenn Sie Langeweile beziehungsweise Stress haben oder traurig sind?
    • Wenn Sie an das Glücksspielen denken, verspüren Sie dann körperliche Symptome wie Herzrasen, feuchte Hände oder ein inneres Kribbeln?
    • Leiden Sie unter Ihrem Glücksspielverhalten?
    • Kreisen Ihre Gedanken häufig um Gewinnchancen oder um die möglichen Gewinne?
    • Verspüren Sie oft ein unwiderstehliches Verlangen, Glücksspiele zu spielen?
    • Vernachlässigen Sie wegen des Glücksspielens bestimmte Verpflichtungen (Beruf, Hobby, Beziehungen)?
    • Wenn Sie nicht Glücksspiele spielen können, fühlen Sie sich dann unruhig, gereizt oder verspüren Sie unangenehme körperliche Symptome?
    • Versuchen Sie Ihre Spielleidenschaft zu verheimlichen?

    1.    Definition
    „Spielsucht, die: einer Sucht(1) ähnlicher, unwiderstehlicher Drang, sich dem Glücksspiel zu überlassen“ (Ohne Autor, S. 3315, 1995)

    2.    Definition
    Sucht definiert sich als übermäßiges Bedürfniserlebnis dessen momentane Befriedigung den Spannungszustand nicht beseitigt, sondern noch verstärkt (vgl. DAS GROSSE DUDEN-LEXIKON S. 742). Bezogen auf Spielsucht kann man von einer Verschlimmerung des Zustandes ausgehen, je mehr der Betroffene versucht sein Bedürfnis nach Glücksspiel zu befriedigen.
    3.    Definition
    Sucht [svw, Krankheit, wie die Fallsucht – gehört etymologisch zu „siech“], i.w.S. jede zwanghafte Befriedigung eines Bedürfnisses mit dem Kennzeichen physischer und ps. Abhängigkeit. Bei der Sucht wird ein abnormes, unerträglicher Zustand der inneren Spannung, Leere usw. stärker und zwingender erlebt als beim normalen Bedürfnis. Befriedigung hebt den Zustand nur kurzfristig auf, er wiederholt sich dann gesteigert (vgl. Dorsch, Psychologisches Wörterbuch, 1976).

    4.    Definition
    Im Handwörterbuch Psychologie wird Sucht etymologisch vom Begriff „Siechen“ abgeleitet. Allfällig kombiniert sich das Wort nur mit einem Symptom, das durch den Begriff „Sucht“ als krankhaft oder krankhaft übersteigert charakterisiert wird (vgl. Handwörterbuch Psychologie S. 752-757, 1992)
    5.    Definition
    „Seit seiner erstmaligen offiziellen Anerkennung als psychologische Störung im DSM-III im Jahre 1980 [APA, 1980] wird das pathologische Spielen als eine Form der Impulskontrollstörung klassifiziert. Diese Einordnung, steht in der Tradition der klassischen, deskriptiven Psychiatrie, in der bereits Kraepelin [1915] die <<Spielwut>> als <<impulsives Irresein>> auffasste.“ (Müller-Spahn & Margraf, S. 13, 2003)


    Sportwetten über das Internet

    sind besonders tückisch, denn sie befriedigen das Bedürfnis der Süchtigen, ihre Erregung aufrechtzuerhalten, indem sie schnell und immer wieder wetten, d. h., innerhalb von Sekunden können sie auf Ereignisse eines laufenden Spiels setzen, etwa auf die nächste Ecke, die nächste gelbe Karte, das nächste Tor. Gefördert wird diese Sucht durch Werbung für Wettspiele etwa in den Pausen von Fernsehübertragungen von Spielen. Hinzu kommt, dass zahlreiche Wettanbieter als Sponsoren auftreten und folglich deren Logo auf dem Trikot von bekannten Vereinen auftauchen und daher ständig präsent sind. Da viele Sportler Werbeträger sind, suggerieren die Sportwetten-Anbieter, dass echte Experten mit Wetten sogar Geld verdienen könnten, auch wenn zahlreiche Studien gezeigt haben, dass es keinen Unterschied macht, ob Laien oder Experten tippen. Dennoch versprechen Wettanbieter, dass SpielerInnen mit gutem Fachwissen beim Wetten auf Sportergebnisse Geld verdienen können, wobei diesem Irrglauben nach einer Studie besonders aktive SportlerInnen unterliegen. Oft findet in Sportvereinen der Einstieg in die Sucht statt, wenn nach dem Sport in geselliger Runde Tipps und Prognosen über das Abschneiden der Vereine ausgetauscht werden, woraus sich besonders dann, wenn regelmäßig gewettet wird, daraus ein pathologisches Verhalten entwickeln kann.

    Detaillierte Informationen zum Thema Spielsucht unter https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SUCHT/Spielsucht.shtml.

    Literatur

    BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE (1995).  F.A. Brockhaus Mannheim.
    Ohne Autor (o. J.). Sucht (S. 742). DAS GROSSE DUDENLEXIKON.
    Dorsch, F. (1976). Psychologisches Wörterbuch. Bern: Verlag Hans Huber.
    Asenger, R. & Wenninger, G. (1992). Handwörterbuch Psychologie. Weinheim : Psychologie Verlags Union.
    Müller-Spahn F. & Margraf, J. (2003). Wenn Spielen pathologisch wird. Freiburg: S. Karger.
    Stangl, W. (2019, 20. August). Wie sich das Glücksspiel im Gehirn manifestiert. Stangl notiert …
    https:// notiert.stangl-taller.at/zeitgeistig/wie-sich-das-gluecksspiel-im-gehirn-manifestiert/.
    https://www.swr.de/swr2/wissen/Sportwetten-Milliardengeschaeft-mit-Suchtpotential,swr2-wissen-2019-09-11-100.html (19-09-12)
    https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/psychologie/wie-viel-einfluss-hat-das-geschlecht-beim-thema-spielsucht-13375582 (21-12-06)


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