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sozialer Schmerz

    Alle Menschen streben danach, von anderen Personen akzeptiert und anerkannt zu werden und sozialen Gruppen anzugehören, doch wenn dieses grundlegende Bedürfnis nach Zugehörigkeit verletzt wird, wenn nahestehende Personen Gruppen den Menschen zurückweisen, abwerten oder gar ausschließen, kann eine emotionale Reaktion auf diese Erfahrung sozialer Schmerz auftreten. In der psychologischen Forschung wird sozialer Schmerz daher als jene spezifische, emotionale Reaktion auf eine wahrgenommene psychologische Distanzierung von wichtigen Bezugspersonen oder sozialen Gruppen charakterisiert, die als belastend und unangenehm erlebt wird. Die dabei empfundene Distanz ist dabei das Resultat von Zurückweisung, Ausschluss oder Ostrazismus. Der allgemeinste Begriff der Zurückweisung umfasst dabei gewissermaßen den durch gänzliche Ignoranz gekennzeichneten Ostrazismus sowie die Ausgrenzung aus einer sozialen Gruppe. Merkmal aller Phänomene ist dabei die geringe Einstufung des Wertes einer Beziehung, wobei eine soziale Geringschätzung jedoch nicht per se verletzend sein muss, sondern nach Leary (2001) zwei Bedingungen gegeben sein müssen: Zum ersten ist entscheidend, dass die Geringschätzung des Gegenübers diskrepant zur eigenen Wertschätzung ist, was bedeutet, dass die eigene Person die Beziehung als wertvoll erachtet und eine entsprechende Bewertung vom Gegenüber erwartet. Zum anderen ist nicht unbedingt der objektive Grad der Wertschätzung des anderen ausschlaggebend, sondern das subjektiv wahrgenommene Ausmaß, d. h., man versucht zu erschließen, wie bedeutsam die Beziehung in den Augen des anderen ist. Weicht dessen vermeintliche Wertschätzung von der erwarteten ab, fühlt man sich abgewertet, wobei die stärkste Form der Zurückweisung bei einer erfolgten Beziehungsabwertung empfunden wird, wenn also zu einer nicht erwarteten Veränderung ins Negative gekommen ist.
    Evolutionsbiologisch hebt der sozialer Ausschluss demzufolge die Wahrscheinlichkeit, nicht zu überleben oder sich nicht fortpflanzen zu können, sodass Mechanismen erforderlich sind, die es ermöglichen, einen drohenden Ausschluss zu erkennen und dem entgegen zu wirken. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass auch sozialer Ausschluss zur Aktivierung des Kampf- und Fluchtsystems führt und zu einer Verminderung der Schmerzempfindung, zur Störung kognitiver Verarbeitungsprozesse höherer Ordnung und wie bei körperlichem Schmerz zu vermehrter Aggressivität.
    Trotz der unterschiedlichen Empfindungen, mit denen psychische und körperliche Verletzun­gen verbunden werden, sind ihre Folgen für den Körper mitunter sehr ähnlich. So werden Jugendlichen im Laufe des Heranwachsens Beziehungen zu Gleichaltrigen immer bedeutender, sodass Jugendliche mit zunehmendem Alter immer stärker auf sozialen Ausschluss reagieren, was auch auf gehirnphysiologischer Ebene nachweisbar ist.  Es gibt übrigens auch zahöreiche Forschungsergebnisse, die nahelegen, dass soziale Unterstützung und Gruppenzugehörigkeit die neuronalen und psychologischen Auswirkungen von sozialem Schmerz wie die von physischem Schmerz vermindern können.

    Literatur

    Eisenberger, N.I. & Lieberman, M. D. (2004). Why rejection hurts: A common neural alarm system for physical and social pain. Trends in Cognitive Sciences, 8, 294–300.
    Leary, M. R. (2001). Toward a conceptualization of interpersonal rejection. In M. R. Leary (Eds.), Interpersonal rejection (S. 3-21). New York: Oxford University Press.
    Schneider, A. T. (2015). Sozialer Schmerz: Entwicklung und Validierung eines Fragebogens. Masterarbeit. Institut für Psychologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
    Spitzer, M. & Bonenberger, M. (2012). Soziale Schmerzen. Warum sie auch weh tun und was daraus folgt. Nervenheilkunde, 31, 761-764.


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