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Morbus Parkinson

    Am 11. April findet jährlich der Welt-Parkinson-Tag statt.

    Parkinson bzw. korrekt Morbus Parkinson wurde im Jahr 1817 erstmals durch James Parkinson als Schüttellähmung beschrieben, und ist eine Erkrankung des Nervensystems, die bis heute nicht heilbar ist. Parkinson war britische Landarzt und Apotheker und ein guter Beobachter: „Unwillkürliche, zitternde Bewegungen, verbunden mit verminderter Muskelkraft, zeitweise selbst mit Unterstützung völlig unbeweglich; Neigung zu vornübergebeugter Körperhaltung und zum Übergang von einer laufenden in eine vorwärts rennende Bewegung, die Sinne und der Intellekt bleiben unbeeinflusst“. Erst 60 Jahre später hat der französische Neurologe Jean-Martin Charcot erstmals die Bezeichnung „Maladie de Parkinson“ verwendet, der seinen Schülern die Lektüre des 70-seitigen Essays von Parkinson empfahl.

    Parkinson entwickelt sich meist schleichend, wobei sich anfangs nur leichte und eher diffuse Symptome wie meist einseitige Verspannungen im Schulterbereich, Riechstörungen, depressive Verstimmungen oder Verstopfungen zeigen. Meist findet man auch einen veränderten Gang mit kleiner, langsamer und vorsichtiger werdenden Schritten. Am Beginn der Erkrankung steht meist eine seitenbetonte Verlangsamung bestimmter Bewegungen (Bradykinese) sowie ein Ruhezittern der Hände (Tremor). Zu den vier weiteren Hauptsymptomen zählen Muskelversteifung (Rigor) sowie im Verlauf eine Störung der Stand- und Gangstabilität, sodass es zu Stürzen kommt. Typisch sind auch Geh- und Haltungsstörungen, wobei Betroffene zunehmend nach vorn gebeugt gehen, die Arme nicht mehr mitschwingen und der Gang langsam, kleinschrittig und schlurfend wird. Viele Betroffene haben Haltungsstörungen, ihre Körperhaltung wird also insgesamt zunehmend instabil, sodass das Sturzrisiko ansteigt. Weitere frühe Warnzeichen sind, wenn Menschen häufig aus dem Traumschlaf aufschrecken und wild um sich schlagen. Solche REM-Schlafstörungen gehen nach Ansicht von Experten mit einem 50-prozentigen Risiko einher, in einigen Jahren Parkinson zu entwickeln. Weitere Warnsignale sind Einbußen beim Geruchssinn und Verstopfung, also Veränderungen, die die Betroffenen eher zu Fachärzten als zum Neurologen führen. Mit der Zeit verarmt meist die Mimik, wobei vermehrter Speichelfluss, Probleme beim Sprechen sowie eine immer leiser werdende Stimme ebenfalls Anzeichen darstellen.

    Man vermutet neben ererbten genetische Faktoren als mögliche Ursachen Ernährungs- und Bewegungsaspekte, aber auch ein Einfluss von Umweltgiften wie Pestiziden ist möglich. Zu den aktuell diskutierten Theorien – nach Experimenten an Mäusen  gehört, dass Parkinson seinen Ursprung im Darm haben könnte, wonach sich zerstörerische Proteinzusammenschlüsse entlang einer Reihe verbundener Nervenzellen bilden, die von einer einzelnen Zelle im Nervensystem des Darms ausgehend über das Rückenmark ins Gehirn und schließlich zur die Substantia nigra wirken. Nach dieser Aszensionshypothese vermutet man also, dass Parkinson zumindest teilweise im Verdauungstrakt beginnt. Eine schwedische Studie stützt die Hypothese, dass die Parkinson-Krankheit im Magen entsteht und sich über die Nervenbahnen ins Gehirn ausbreitet, wobei das Eiweißmolekül Alpha-Synuklein eine entscheidende Rolle spielt, das sich bei der Parkinson-Erkrankung typischerweise in den erkrankten Gehirnzellen ablagert (Lewy-Körperchen). Für diese Studie nutzten die schwedischen Forscher eine nationale Gesundheitsdatenbank, um Patienten zu finden, die sich einer Vagotomie unterzogen hatten, einem Eingriff wegen Magengeschwüren, bei denen man den Vagusnerv durchtrennte, um die Produktion von Magensäure zu blockieren. Ein Vergleich der Häufigkeit von Parkinson unter den Menschen, deren Vagusnerv ganz oder teilweise getrennt worden war, mit einer Kontrollgruppe zeigte, dass die Operierten seltener an Parkinson erkrankten, wobei der Unterschied noch deutlicher bei Menschen war, deren Vagusnerv vollständig durchtrennt worden war. Jüngste Studien unterstreichen die Bedeutung der Darm-Hirn-Achse und legen nahe, dass das menschliche Mikrobiom neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson beeinflussen könnte, da sich das Darmmikrobiom von Parkinson-Patienten von dem gesunder Menschen unterscheidet. Einige mikrobielle Stoffwechselprodukte (Metabolite) greifen gezielt Dopamin-produzierende Neuronen an, die bei der Parkinson-Krankheit eine entscheidende Rolle spielen. Ückert et al. (2023) isolierten und identifizierten diesen Metaboliten und setzten ihn menschlichen Dopamin-produzierenden Neuronen aus, wobei der Metabolit eine zerstörerische Wirkung zeigte, die zu einem Neuronenverlust ähnlich dem bei Parkinson führte. Die Wirkung dieses bakteriellen Metaboliten auf Fadenwürmer wurde getestet, die daraufhin Bewegungsstörungen und spezifische neuronale Muster zeigten, die denen von Menschen mit Parkinson ähneln.

    Bei der Parkinson-Krankheit – einer der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen – sammeln sich die Lewy-Körperchen in verschiedenen Regionen des Gehirns an, doch die Mechanismen, die zu ihrer Bildung führen, sowie ihre Struktur geben mich immer noch Rätsel auf.  Allerdings wird von manchen bezweifelt, dass die Ansammlung von unlöslichen Fibrillen des Proteins alpha-Synuclein in den Lewy-Körperchen für die Erkrankung verantwortlich ist, denn kürzlich konnte ein internationales Forschungsteam belegen, dass die für Parkinson typischen Einschlüsse in den Nervenzellen des Gehirns meist nicht aus Proteinfibrillen bestehen. Mithilfe von Elektronenmikroskopen konnte man zeigen, dass die Lewy-Körperchen vor allem Membranfragmente, Lipide und anderes zelluläres Material enthalten anstatt der alpha-Synuclein-Fibrillen. Nachdem das Gehirngewebe verstorbener Parkinsonkranken mit Licht- und Elektronenmikroskopie untersucht worden war, wurde sichtbar, dass die Lewy-Körperchen lediglich über geringe Mengen an Fibrillen verfügen. Zwar ist noch unklar, wo und in welcher Form sich das Protein alpha-Synuclein zwischen den Membranfragmenten befindet und welche Rolle es bei der Entwicklung der Lewy-Körperchen übernimmt, doch schürt dieses Ergebnis die Zweifel daran, dass das Labormodell der alpha-Synuclein Fibrillen der Ursprung und Mechanismus von Parkinson sind. So gilt es nun herauszufinden, wie genau alpha-Synuclein zu den Lewy-Körperchen beiträgt, wenn dies nicht vor allem durch Fibrillen geschieht.

    Moors et al. (2021) haben nun im Detail die Architektur der Lewy-Körperchen entschlüsselt, wobei sie mit modernster Mikroskopietechnik die konzentrischen inneren Strukturen sichtbar machten, die an den Aufbau einer Zwiebel erinnern. Sie besitzen konzentrische, ringförmige Schichten, in denen ein Kern aus angesammelten Proteinen und Lipiden von phosphoryliertem α-Synuclein und strukturgebenden zellulären Komponenten umgeben ist. Diese Befunde legen nahe, dass Gehirnzellen die Form von Lewy-Körperchen aktiv regulieren und möglicherweise toxische Komponenten einkapseln. Man untersuchte dabei die α-Synuclein-Varianten nicht nur in den Lewy-Körperchen, sondern auch außerhalb davon und verglich die Verteilung der Varianten in Gehirnzellen von Spendern, die in einem frühen oder späten Stadium der Parkinson-Erkrankung verstorben waren, sowie mit gesunden Kontrollprobanden. Dabei zeigte sich, dass sich phosphoryliertes α-Synuclein bereits in frühen Stadien der Krankheit in einem Netzwerk um den Zellkern ausrichtet, also noch bevor sich Lewy-Körperchen bilden. Das deutet darauf hin, dass eine abnorme Verteilung vor der Bildung von Lewy-Körperchen auftritt. Man vermutet deshalb, dass Gehirnzellen Lewy-Körperchen erst in Situationen bilden, in denen sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Trümmer zu recyceln. Wenn sich Lipide und Proteine ansammeln, versucht die Zelle, diese an einem speziellen Ort vergleichbar mit einer Mülldeponie abzusondern, den sie schließlich umformt und einkapselt, um sich vor schädlichen Bestandteilen zu schützen. Im Laufe der Zeit könnte das Vorhandensein dieser Mülldeponie die normale Biologie der Neuronen verändern und so zu Funktionsstörungen führen.

    Sampson et al. (2016) vermuten, dass die Darmbakterien, deren Anzahl die Zellen des menschlichen Körpers um den Faktor 10 übertrifft, Substanzen bilden könnten, die vom Darm resorbiert über die Blutbahn ins Gehirn gelangen, wobei kurzkettige Fettsäuren wie Acetat, Propionat oder Butyrat im Verdacht stehen, die relativ rasch resorbiert werden. So wurde das Protein Alpha-Synuclein, dessen Ablagerung im Gehirn nach heutiger Kenntnis die Ursache der Parkinson-Erkrankung ist, auch im Darm und im Nervus vagus nachgewiesen, wobei einige Neuroanatomen vermuten, dass der Morbus Parkinson eine Prionen-Erkrankung ist, bei der mit der Nahrung aufgenommene Proteine über Nerven ins Gehirn transportiert werden, und dort eine fatale Kettenreaktion auslösen. Ablagerungen von Alpha-Synuklein entstehen vermutlich auch durch den Einfluss von Umweltgiften im Nervensystem des Magens und des Darms, von wo aus diese Ablagerungen ins Gehirn gelangen, indem sie den Vagusnerv und dessen Verästelungen wie eine Steigleiter benutzen.  Mäuse, deren Produktion von Alpha-Synuclein erhöht ist, erkranken frühzeitig an motorischen Störungen, wie sie für den Morbus Parkinson kennzeichnend sind. Außerdem kommt es zu Störungen der Darmfunktion, wobei beides in den Experimenten verhindert oder zumindest abgeschwächt wurde, wenn die Tiere in einer keimfreien Umgebung aufwuchsen, die eine Besiedlung des Darms mit Bakterien verhinderte. Im Rahmen der Erkrankung kommt es zu einer Aktivierung der Mikroglia, dem Immunsystem des Gehirns, was sowohl Ursache als Folge der Erkrankung sein könnte. Für eine Ursache spricht, dass die Immunreaktion der Mikroglia durch eine Behandlung der Tiere mit kurzkettigen Fettsäuren ausgelöst werden konnte.

    Morbus Parkinson ist die zweithäufigste degenerative Erkrankung des Nervensystems und wird durch den Verlust von Dopamin produzierenden Zellen im Gehirn verursacht (Substantia nigra im Zwischenhirn). Bei Morbus Parkinson kommt es allmählich zu einer Reduktion der Dopamin produzierenden Zellen im Mittelhirn, wodurch es zu einer gestörten Signalübertragung zwischen den Nervenzellen und in der Folge zu Störungen der Bewegungsregulierung kommt. Die typischen Symptome mit Muskelsteifigkeit, unkontrollierbarem Zittern, Unterbeweglichkeit und oft auch Standunsicherheit sind die Folge dieser degenerativen Prozesse. Die Lebenserwartung wird durch Parkinson an sich auch kaum verringert, in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit, in dem die Menschen z. B. bettlägerig werden, können Schluckstörungen und Lungenentzündungen zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.  Parkinson verläuft also nie tödlich, doch durch die Krankheit wird das Immunsystem des Betroffenen aber so geschwächt, dass die Wahrscheinlichkeit zur Ausbildung von Folgekrankheiten steigt, die dann zum Tod führen können.

    Im Mausmodell haben Rizzi & Tan (2019) zwei Zellpopulationen in der Substantia nigra identifiziert, die für verschiedene Aspekte von Bewegung verantwortlich sind. Dabei wurde die Substantia nigra anatomisch, genetisch und funktionell untersucht, wobei sich zeigte, dass dieses Areal aus unterschiedlichen Arten von Nervenzellen besteht. Eine dieser Populationen ist für die Auslösung einer gewünschten Bewegung verantwortlich, während die zweite für deren Fortführung sorgt. Dabei arbeiten diese beiden Populationen zusammen, um eine Bewegung korrekt auszuführen. Die Autoren vermuten, dass die Signale zur Bewegungssteuerung bei Parkinson ins Leere laufen, da bestimmte Nervenzellen bei den Betroffenen absterben. Der Verlust bestimmter Nervenzelltypen bei Parkinson bedeutet, dass Signale nicht mehr weitergeleitet bzw. empfangen werden, sodass dies der Grund für die bei Parkinsonpatienten beobachtete gestörte Bewegungsinitiierung sein könnte.

    Wissenschaftler erforschen derzeit in einem Projekt die Rolle der microRNAs bei der Entstehung von Parkinson und Alzheimer. Die Wissenschaftler wollen neue Methoden finden, um diese Krankheiten früher zu erkennen und zu behandeln. Denn mit dem Alter werden diese Krankheiten häufiger. Diese Erkrankungen sind dadurch gekennzeichnet, dass Nervenzellen absterben. Man weiß bisher nicht, warum das passiert. Eiweiße sorgen dafür, dass die menschlichen Zellen funktionieren. Sie müssen zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge gebildet und gefaltet werden, damit sie ihre Funktion erfüllen können. Wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben, werden sie abgebaut und neue Proteine gebildet. Dieser Prozess ist ein dynamischer Prozess, der mit zunehmendem Alter fehleranfälliger wird. Studien an Tieren haben gezeigt, dass bestimmte Proteine, die bei neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen, im Alter nicht mehr so gut ausgetauscht werden. So können sich die Proteine in den Nervenzellen des Gehirns ansammeln und Schäden auf molekularer Ebene verursachen. Das passiert schon, bevor die Krankheit überhaupt erst bemerkt wird. Die Menge der Proteine im Gehirn bleibt gleich. Deshalb müssen Mechanismen eine Rolle spielen, die die Bildung, Faltung oder den Abbau der Proteine stören. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass kleine Moleküle, sogenannte microRNAs (miRNAs), die Herstellung und den Abbau von Proteinen steuern. Die kleinen Moleküle sind wohl sehr wichtig dafür, dass die Menge der Proteine in den Nervenzellen immer gleich bleibt. In älteren Gehirnen werden die durch miRNAs regulierten Proteine unzureichend erneuert. Das liegt wahrscheinlich an einer Fehlsteuerung der miRNAs. Wenn die miRNAs nicht richtig funktionieren, kann das Gehirn anfälliger für Krankheiten werden. Mit diesen Untersuchungen möchte man mögliche Therapieansätze finden, um neurodegenerative Hirnerkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

    Parkinson ist grundsätzlich nicht heilbar, d. h., die chronische Erkrankung des Gehirns schreitet mit der Zeit immer weiter voran, die Betroffenen werden immer unbeweglicher. Neben den motorischen Störungen treten im Verlauf der Erkrankung häufig weitere Beschwerden auf, wie Depressionen und Demenz. Mithilfe von Medikamenten und anderen Therapieformen lassen sich die Parkinson-Symptome jedoch bis zu einem gewissen Grad gut behandeln, d. h., Morbus Parkinson ist heute therapeutisch gut beeinflussbar, wobei Medikamente vor allem die gestörte Motorik verbessern. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien ist auch eine tiefe Hirnstimulation eine hilfreiche Behandlungsmethode, wobei je nach Art der Erkrankung unterschiedliche Areale im Gehirn über einen Hirnschrittmacher elektrisch stimuliert werden. Für die tiefe Hirnstimulation wird ein kleiner Hirnschrittmacher eingepflanzt, der fortlaufend elektrische Impulse ins Gehirn schickt, damit unkontrollierte Bewegungen reduziert und gleichzeitig für eine bessere allgemeine Beweglichkeit sorgt. Vorbereitend wird mittels Magnetresonanztomographie die genaue Hirnregion identifiziert, in der die Funktion der Hirnzellen gestört ist, wonach durch ein kleines Loch in der rechten und linken Schädeldecke  Neurochirurgen dann jeweils eine Mikro-Elektrode in das Gehirn des Patienten ein (Hauptzielpunkt auf beiden Seiten ist bei Parkinson der Nucleus subthalamicus) setzen, die durch eine dünne Leitung unter der Haut mit dem eigentlichen Schrittmacher verbunden sind, der wie ein Herzschrittmacher meist unter das Schlüsselbein implantiert wird. Vom Schrittmacher ausgesandte schwache Stromimpulse reizen die Gehirnregion und bewirken, dass die dort überaktiven Nervenzellen gehemmt und die Symptome gebessert werden. Der Schrittmacher muss in der Regel zwei Mal pro Jahr geprüft werden, um eine richtige Balance zwischen elektrischer Stimulation und den vom Patienten einzunehmenden Parkinson-Medikamenten zu gewährleisten.

    Diese Operation wird Parkinson-Patienten als Ultima Ratio angeboten, wenn es bereits zu sehr ausgeprägten Bewegungsstörungen gekommen war. Studien belegen inzwischen den Nutzen dieser Therapie auch schon in einem früheren Krankheitsstadium, sobald erste Schwierigkeiten mit der medikamentösen Behandlung auftreten. Tiefe Hirnstimulation kann die Parkinson-Krankheit nicht heilen und Medikamente auch nur zum Teil ersetzen, wobei die teilweise sehr schnell, spätestens aber nach sechs Monaten einsetzende Besserung der Bewegungsstörungen durch den Hirnschrittmacher viele Betroffene als Fortschritt in ihrer Lebensqualität erleben, denn sie sind mobiler, die Aktivitäten des täglichen Lebens fallen ihnen wieder leichter, körperliche Missempfindungen nehmen ab und oft bessert sich auch der Schlaf. Zu den möglichen Nebenwirkungen der tiefen Hirnstimulation gehören vorübergehend allerdings auch Persönlichkeitsveränderungen, denn etwa jeder dritte Patient stellt nach dem Eingriff Charakterveränderungen an sich fest, wobei das Spektrum dabei depressive, aggressive und euphorische Gefühle, aber auch eine größere Ausgeglichenheit umfasst.

    Theoretisch gibt es übrigens ein Risiko für eine Übertragung von Parkinson bei Bluttransfusionen oder Hirnoperationen, denn in einer neueren Studie wurden Affen verklumpte Eiweiße aus dem Gehirn von Parkinsonpatienten gespritzt, wobei anschließend bei den Tieren ähnliche Veränderungen im Gehirn beobachtet wurden. Offenbar breiten sich Parkinson und Alzheimer-Demenz im Gehirn wie eine Infektionskrankheit aus, denn die verklumpten Eiweiße lösen offensichtlich eine Art Kettenreaktion aus, die auf verschiedene Gehirnteile übergreift.

    Neuer Ansatz der Behandlung könnte die Umwandlung von Gliazellen in Neuronen sein

    Bei degenerativen Erkrankungen wie der Parkinson-Krankheit zielen die meisten Behandlungsstrategien darauf ab, den Verlust von Nervenzellen zu verhindern oder anfällige neuronale Schaltkreise zu schützen. Qian et al. (2020) haben nun am Mausmodell eine mögliche Alternative aufgezeigt, verloren gegangene Nervenzellen zu ersetzen, um die unterbrochenen Schaltkreise zu rekonstruieren. Sie bedienten sich bei der Astrozyten, die im Gehirn den Raum zwischen den Nervenzellen ausfüllen. Astrozyten sind zwar nicht an der Signalweiterleitung beteiligt, stehen aber mit den benachbarten Nervenzellen vor allem im Bereich der Synapsen in engstem Kontakt. Die ForscherInnen waren dabei überrascht, wie einfach sich Astrozyten im Labor in Nervenzellen verwan­deln ließen. Der entscheidende Schalter war das RNA-binding protein PTB im Zellkern der Astrozyten, denn wurde PTBP1 durch ein Antisense-Oligonukleotid blockiert, ließen sich nicht nur Astrozyten, sondern auch Fibroblasten in Nervenzellen verwandeln, wobei die Astrozyten jeweils die Funktion der benachbarten Nervenzellen auf nahmen. Man injizierte das Antisense-Oligonukleotid direkt in die Region des Mittelhirns, wo der Ausfall der dopaminergen Neurone das Parkinson-Syndrom auslöst. Bei den behandelten Mäusen wandelte sich eine kleine Untergruppe von Astrozyten in Neurone um, wobei der Anteil der Neuronen in dieser Region um ungefähr dreißig Prozent zunahm. Der Dopaminspiegel war dabei auf ein Niveau gestiegen, das dem von normalen Mäusen vergleichbar war, und die neu gebildeten Neuronen sogar Axone ausgebildet, sodass es bei den am Morbus Parkinson erkrankten Tieren innerhalb von 3 Monaten nach der Behandlung zu einer Verbesserung der motorischen Funktionen gekommen ist. Auch wenn man noch weit weg von einer Anwendung bei Menschen ist, könnten sich langfristig neue Perspektiven für die Behandlung von Morbus Parkinson eröffnen.

    Frühdiagnose durch Alpha-Synuclein in der Haut

    Unspezifische Symptome im Frühstadium von Parkinson sind eine Verschlechterung des Geruchssinns, Depressionen und Verdauungsstörungen, doch wenn das Zittern beginnt, die Bewegungen steif und langsam werden, hat schon ein jahrelanges Nervenzellsterben stattgefunden, wobei bis zu 80 Prozent der dopaminergen Nervenendigungen und bis zu 50 Prozent der Nervenzellen in der Substantia nigra im Gehirn bereits unwiederbringlich verloren sind. Auch Schlafstörung gelten als charakteristisches Früh­symp­tome der Parkinsonkrankheit, was sich in aggressiven Träumen und auf­fälligen Bewegungen im Traumschlaf äußert, wobei sich bei der REM‐Schlaf­verhaltensstörung im Gehirn Ablagerungen von Alpha‐Synuclein finden. Da sich Alpha-Synuclein nicht nur im Gehirn von Parkinsonpatienten abla­gert, sondern auch in den kleinen Nervenfasern der Haut, haben Dopp­ler et al. (2017) gezeigt. Mit einer minimalinvasiven Hautbiopsie, bei der lediglich eine fünf Millimeter große Probe entnommen werden muss, kann eine mögliche Gefährdung für Parkinson schon sehr früh gezeigt werden, sodass eine prophylaktische Behandlung möglich wird.

    Frühdiagnose durch Blut-Biomarker

    Bislang gibt es keinen zuverlässigen klinisch anwendbaren Biomarker für die Parkinson-Krankheit, doch haben Kluge et al. (2022) nun gezeigt, dass ein Bluttest für die Parkinson-Krankheit realisiert werden könnte. Zunächst müssen Vesikel aus dem Nervensystem aus einer gewöhnlichen Blutprobe isoliert und gewonnen werden, in denen dann in einem zweiten Schritt gezielt nach dem Protein gesucht, das die Parkinson-Erkrankung verursacht. Es handele sich um eine veränderte Form eines bestimmten Proteins und könne mithilfe von Antikörpern, die spezifisch auf diese Form passen, nachgewiesen werden, wobei in einem dritten Schritt die krankmachenden Eiweiße vervielfältigt werden. Lässt sich nun eine Anhäufung von krankhaft veränderten Eiweißen nachweisen, ist das die Bestätigung dafür, dass die entsprechenden krankmachenden Eiweiße in einer Probe vorliegen. Auf dieser Grundlage kann nun möglicherweise ein Bluttest für die Diagnose der Parkinsonkrankheit entwickelt werden.

    Lifelogging-Kameras als Erinnerungshilfe?

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Beim EU-finanzierten Projekt Recall – im Anlehnung an den Film Total Recall mit Arnold Schwarzenegger – stattete man Probanden unter anderem mit kleinen Lifelogging-Kameras aus, die alle dreißig Sekunden ein Bild aus der Perspektive der Träger machten. Das Projekt Recall ging von der Erkenntnis aus, dass es Alzheimer-Patienten möglicherweise hilft, ihre Erinnerung zu stärken, wenn sie am Ende eines Tages eine kurze Zusammenfassung in Bildern erhalten. Ende 2016 wurde das Projekt abgeschlossen und es zeigte sich, dass solche aufbereiteten Informationen über den Tagesablauf tatsächlich das Gedächtnis stärken können, wobei vermutlich diese Form der Technologie auch gesunden Menschen helfen kann.
    Link: http://recall-fet.eu/ (16-02-09)

    Bewegungstherapie bei Parkinson

    Der in New York lebende Kroate Nenad Bach, Komponist und Musiker, selbst Parkinson-Patient, konnte als Folge der Krankheit nicht mehr Gitarre spielen. Dann merkte er, wie die speziellen Bewegungsabläufe beim Tischtennisspielen die Symptome linderten und gründete 2017 „PingPongParkinson„. Zwischen dem 25. und 30. September 2023 treffen sich in der Messehalle im oberösterreichischen Wels über 300 Tischtennis-Spielerinnen und -Spieler aus 22 Nationen zu einer Weltmeisterschaft, wobei alle aktiven Teilnehmenden an Parkinson leiden. Hans-Peter Stangl aus dem steirischen Voitsberg ist selbst Parkinson-Patient und Mit-Organisator der Weltmeisterschaft in Wels, wobei der leidenschaftliche Tischtennis-Spieler und unermüdliche „PingPongParkinson“-Netzwerker auch bei der WM 2022 im kroatischen Pula dabei war, wo er die Bronze-Medaille im Mixed-Doppel holte. Neben „Klettern mit Parkinson-Patienten“ oder Tanzen ist dies eine vielversprechende Form der Bewegungstherapie bzw. physikalischen Therapie bei Morbus Parkinson.

    Gang-Freezings bei Parkinson-Patienten

    Gang-Freezing ist ein sehr häufiges und problematisches Symptom der Parkinson-Erkrankung, bei dem die Betroffenen plötzlich „einfrieren“ und nicht mehr in der Lage sind, weiterzugehen. Klocke et al. (2024) haben jüngst in einer Studie bedeutende Fortschritte im Verständnis des Gang-Freezings bei Parkinson-Patienten erzielt. Mithilfe einer neuen Generation hochauflösender Hirnstimulationselektroden konnten die Wissenschaftler erstmals die Aktivität einzelner Nervenzellen im Gehirn während des Auftretens von Gang-Freezing in Echtzeit präzise messen und analysieren. Die Studie zeigte, dass spezifische Fehlaktivierungen des Nucleus subthalamicus, einer für die Bewegungskontrolle zentralen Hirnregion, für diese Gangblockaden verantwortlich sind. Besonders aufschlussreich ist die Entdeckung, dass diese fehlerhafte neuronale Aktivität bereits wenige Schritte vor dem eigentlichen Einfrieren des Gangs auftritt. Diese Erkenntnisse eröffnen ganz neue Möglichkeiten für gezielte, möglicherweise sogar prädiktive Therapien, insbesondere den Einsatz adaptiver Neurostimulation, um eine sich ankündigende Gangblockade rechtzeitig zu erkennen und möglicherweise zu verhindern.

    Obwohl aktuelle Hirnschrittmacher-Technologien teilweise schon die technischen Voraussetzungen für solche Anwendungen mitbringen, sind noch weitere Forschungs- und Entwicklungsschritte sowie klinische Studien erforderlich, bevor eine solche adaptive Therapie tatsächlich for Parkinson-Patienten zur Verfügung stehen wird. Angesichts der stetig steigenden Zahl von Parkinson-Erkrankten weltweit – allein in Deutschland sind etwa 400.000 Menschen betroffen – könnte diese bahnbrechende Forschung jedoch zu erheblichen Verbesserungen in der Behandlung und Lebensqualität der Betroffenen führen.

    Literatur

    Doppler, Kathrin, Jentschke, Hanna-Maria, Schulmeyer, Lena, Vadasz, David, Janzen, Annette, Luster, Markus, Höffken, Helmut, Mayer, Geert, Brumberg, Joachim, Booij, Jan, Musacchio, Thomas, Klebe, Stephan, Sittig-Wiegand, Elisabeth, Volkmann, Jens, Sommer, Claudia & Oertel, Wolfgang H. (2017). Dermal phospho-alpha-synuclein deposits confirm REM sleep behaviour disorder as prodromal Parkinson’s disease. Acta Neuropathologica, toi: 10.1007/s00401-017-1684-z.
    Fleck, K. (2014). Parkinson: Hilft tiefe Hirnstimulation? Onmeda.de vom 22. Juni.
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    Kluge, Annika, Bunk, Josina, Schaeffer, Eva, Drobny, Alice, Xiang, Wei, Knacke, Henrike, Bub, Simon, Lückstädt, Wiebke, Arnold, Philipp, Lucius, Ralph, Berg, Daniela, & Zunke, Friederike (2022). Detection of neuron-derived pathological α-synuclein in blood, Brain, doi: 10.1093/brain/awac115.
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