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Mozart-Effekt


    Im Jahr 1993 wurde eine Studie zu Musik, Intelligenz und Gedächtnis durchgeführt, die als „Mozart-Effekt“ Aufsehen erregte. Damals testeten Rauscher und seine Mitarbeiter die räumliche Intelligenz von Studenten mit standardisierten Aufgaben, wobei ihnen zuvor für 10 Minuten Mozarts Sonate für zwei Klaviere in D-Dur oder eine Entspannungsmusik oder gar nichts dargeboten wurde. Das Ergebnis zeigte, dass die Studenten, die Mozart horchten, statistisch signifikant besser abschnitten. Daraufhin entbrannte eine regelrechte Mozart-Euphorie: die Schallplattenumsätze für Werke von W.A. Mozart stiegen stark an, in Klassenzimmern wurde Mozart als Hintergrundmusik gespielt und auch in vielen anderen Bereichen fand Mozart-Musik Verwendung. Das Ergebnis, der „Mozart-Effekt“, wurde wirtschaftlich ausgeschlachtet.

    In der Wissenschaft ging man nun daran diese Auswirkung genauer zu beleuchten und zu untersuchen und es wurden Versuche durchgeführt, die teilweise den Mozart-Effekt bestätigten, manchmal aber auch negative Ergebnisse erzielten. 1995 untersuchten Rauscher und seine Mitarbeiter noch einmal die positive Auswirkung von Mozart auf räumliche Verarbeitungs- und Gedächtnisaufgabe und bestätigten ihr Ergebnis. Später überprüften sie auch Untersuchungen, die zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangt waren und kamen zu dem Schluss, dass entweder „langweilige“ Musik, falsche Tests oder methodische Unterschiede zu dem negativen Ergebnis führten. 1999 untersuchte Christopher Chabris den Einfluss von klassischer Musik auf Menschen und konnte jedoch keinen Zusammenhang zum Intelligenzquotienten feststellen. Wissenschaftler der Universität Wien unter Jakob Pietschnig haben 2010 diesen „Mozart-Effekt“ in einer Metaanalyse über 39 Studien mit mehr als 3000 Testpersonen endgültig widerlegt. Zu einem negativen Befund kam auch eine Expertenkommission der deutschen Regierung, wonach das passive Hören von Musik zwar nichts bringt, aber  das aktive Erlernen eines Instruments könnte unter Umständen förderlich sein. Allerdings hat Musik einen indirekten Einfluss auf zahlreiche andere Fähigkeiten, die im Alltag von Menschen von Bedeutung sein können. Beim Erlernen und Spielen von Musik wird das Hörzentrum gefordert, das auf der oberen Windung des Schläfenlappens der Großhirnrinde liegt und bei professionellen Musikern ist dieser Bereich stark vergrößert, da die graue Substanz zunimmt und sich Fettschichten um die Nervenfasern bilden, was die Signalweiterleitung beschleunigt. Außerdem greift Musik,auf ähnliche Ressourcen zurück wie die Sprache, denn nach Untersuchungen schneiden Kinder, die ein Streichinstrument beherrschen,  in Tests besser ab. Auch können Menschen mit einem musikalisch geschulten Gehör gesprochene Worte besser von Hintergrundrauschen unterscheiden.

    Musik kann Menschen allerdings generell einfach in einen leistungsbereiten Zustand versetzen, wobei die Art der Musik keine Rolle spielt.


    Die Wirkung von Musik auf Neugeborene

    Neonatologen haben kürzlich in einem New Yorker Krankenhaus beobachtet, dass Säuglinge den Einstich einer Nadel zur Blutentnahme an der Ferse weniger schmerzhaft empfinden, wenn ihnen dabei Mozart-Musik vorgespielt wird. Es muss aber nicht Mozart sein, denn Musik an sich hat eine Wirkung: Auch bei Frühgeborenen geht es oft vor allem darum, sie in wohltuende Klänge zu hüllen, das Brummen des Brutkastens zu dämpfen und eine entspanntere Atmosphäre zu schaffen. Studien zeigen, dass das Stresserleben auf diese Weise erfolgreich reduziert werden kann, da Herz- und Atemfrequenz sinken, die Sauerstoffsättigung steigt und sich die Musik auch positiv auf das Saug- und Trinkverhalten auswirkt.

    Die Wirkung von Mozarts Sonate D-Dur für zwei Klaviere (KV 448) als nicht-invasive, nicht-pharmakologische Intervention bei refraktärer Epilepsie wurde allerdings weiterhin eingesetzt und schien wirksam zu sein. Quon et al. (2021) haben versucht, den möglichen Mechanismus zu finden, der dem Mozart-Effekt bei Menschen mit Epilepsie zugrunde liegen könnte. Sie haben haben den den Einfluss von K448 auf intrakranielle interiktale epileptiforme Entladungen bei sechzehn Betroffenen gemessen, die wegen refraktärer fokaler Epilepsie intrakraniell überwacht wurden. Sie stellten fest, dass die epileptiformen Entladungen in der Originalversion von K448 nach einer Expositionszeit von mindestens dreißig Sekunden reduziert waren. Nicht-signifikante Verringerungen der epileptiformen Entladungsrate wurden in allen Hirnregionen beobachtet, mit Ausnahme der bilateralen frontalen Cortex, wo man eine erhöhte frontale Theta-Leistung während der Übergänge von verlängerten Musiksegmenten beobachtete. Alle anderen dargebotenen musikalischen Reize waren mit nicht signifikanten epileptiformen Entladungsveränderungen verbunden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der „Mozart-K448-Effekt“ von der Dauer der Exposition abhängt und möglicherweise bevorzugt die Aktivität in frontalen emotionalen Netzwerken moduliert, was einen Einblick in den Mechanismus gibt, der dieser Reaktion zugrunde liegt.


    [Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=tT9gT5bqi6Y]

    Sonia Kleindorfer, Leiterin der Konrad Lorenz Forschungsstelle der Uni Wien im Almtal, weist in einem Interview mit den OÖN vom 28. September 2019 darauf hin, dass Menschen und Singvögel erstaunlich ähnliche Gehirne besitzen: „Es gibt nur sieben Tiergruppen, die vokales Lernen beherrschen; eine Form von Kultur: Singvögel, Papageien, Kolibris, Wale, Elefanten, Fledermäuse und Menschen. Jede Generation lernt die Sprache neu. Menschen und Singvögel haben einen Bereich im Gehirn, der für Lautverarbeitung zuständig ist und einen anderen für Lautproduktion. Beide sind mit Neuronen verbunden. Im menschlichen Baby, das ja noch nicht spricht, wird der Lautverarbeitungsbereich zuerst einmal mit den Lauten der Bezugspersonen formatiert. Diese Informationsstelle wird später mit der Lautproduktion verknüpft. Das Gleiche gilt bei den Vögeln. Brütet man Eier still im Labor aus, können die Vögel später nicht singen. Was meine Gruppe entdeckt hat, ist, dass dieses Lernen sehr früh beginnt. Wir haben gesehen, dass Weibchen zu ihren Eiern singen, obwohl dies das Risiko, von Räubern entdeckt zu werden, erhöht. Wir haben Gelege ausgetauscht und konnten nachweisen, dass die Küken dann den Ruf der Ziehmutter produzieren. Das heißt, dass die Lautäußerung gelernt ist und nicht genetisch festgelegt. Dann haben wir anhand von Magnetresonanzuntersuchungen an den Eiern festgestellt, dass sich die Gehirne anders entwickeln, wenn sie keine elterlichen Rufe erfahren haben. Sie waren asymmetrisch, kleiner und hatten weniger Protein im Areal der Lautverarbeitung.“ Und weiter in Bezug auf den Menschen: „Wir wissen, dass menschliche Embryos sehr wohl eine Wahrnehmung haben für menschliche Sprache. Neugeborene zeigen eine Präferenz für die Sprache, mit der sie Erfahrung haben – gemessen an der Nuckelintensität. Hier tut sich meines Erachtens eine Möglichkeit auf, mit der Stimme der Eltern Frühgeborene zu fördern. Diesbezüglich bin ich derzeit auf der Suche nach Forschungskooperationspartnern.“ Allerdings gibt es bei Singvögeln keinen Beweis, „dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Kognition und Sprachfähigkeit. Aber wir wissen, dass eine reiche pränatale Erfahrung mit Akustik die Persönlichkeit beeinflusst. Solche Jungvögel sind neugieriger und zeigen vermehrtes Explorationsverhalten, ohne bei Problemlösungen besser zu sein. Es gibt keine Evidenz, dass ein Vogel- oder Menschenbaby gescheiter wird, wenn man ihm Mozart oder Schönberg vorspielt. Spielt man jedoch Wachteln im Ei rhythmische Töne vor, steigert das ihre Leistungsfähigkeit nach dem Schlüpfen, spielt man ihnen hingegen Lärm vor, vermindert das die Gehirnorganisation. Wir Menschen – als vokal lernende Art – sollten unsere akustische Landschaft besser gestalten und genauer untersuchen. Viele unserer Leiden könnten daher kommen, dass wir in akustischer Armut leben oder überreizt sind vom Geräuschpegel.“


    Der Mozarteffekt im Kabarett

    Martin Puntigam: „Ist der Mozart – Effekt ein Mythos?“
    Heinz Oberhummer: „Es gibt in Wien, Niederösterreich und Burgenland findige Winzer, die beschallen ihren Wein bei der Gärung mit Mozartmusik, Die hängen einfach Boxen in die Weinfässer und spielen Mozartmusik vor, weil der Wein dadurch angeblich besser wird.“
    Martin Puntigam: „Und, ist aber Blödsinn, es passiert gar nichts.“
    Heinz Oberhummer: „Doch, es stellt sich eine beträchtliche Wirkung ein, der Wein ist nämlich viel teurer als normaler Wein vergleichbarer Qualität.“


    Literatur

    Anbalagan, Saminathan, Velasquez, Juan H., Staufert Gutierrez, Denisse, Devagiri, Sailaja, Nieto, Daniel & Ankola, Pratibha (2024). Music for pain relief of minor procedures in term neonates. Pediatric Research, 95, 679-683.
    Quon, Robert J., Casey, Michael A., Camp, Edward J., Meisenhelter, Stephen, Steimel, Sarah A., Song, Yinchen, Testorf, Markus E., Leslie, Grace A., Bujarski, Krzysztof A., Ettinger, Alan B. & Jobst, Barbara C. (2021). Musical components important for the Mozart K448 effect in epilepsy. Scientific Reports, 11, doi:10.1038/s41598-021-95922-7.
    Stangl, Werner (2010). Musik und Leistungsfähigkeit. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Leistung-Musik.shtml (10-05-05)
    Stangl, W. (2024, 14. April). Die Wirkung von Musik auf Neugeborene. Stangl notiert ….
    https:// notiert.stangl-taller.at/forschung/die-wirkung-von-musik-auf-neugeborene/
    Kabarett direkt: Tatort Gehirn. Die Science Busters live aus dem Wiener Rabenhof am Freitag, dem 16. Jänner 2015.
    https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/von-singvoegeln-und-menschen;art4,3169436

     


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