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White-Bear-Effekt

    Der White-Bear-Effekt – auch Ironische Prozesstheorie – bezieht sich auf das Phänomen, bei dem der Versuch, bestimmte Gedanken oder Gefühle zu unterdrücken oder zu kontrollieren, paradoxerweise zu ihrer verstärkten Präsenz und Dominanz führt. Die versuchte Vermeidung schlägt nicht nur fehl, sondern bewirkt sogar, dass der Gedanke oder das Gefühl häufiger und intensiver auftritt.

    Das Phänomen wurde durch Studien zur Gedankenunterdrückung in der experimentellen Psychologie entdeckt, die Wegner et al. erstmals 1987 in einem Laboratorium untersucht hahaben. Der Name stammt von einem Experiment, in dem Probanden aufgefordert wurden, nicht an einen weißen Bären zu denken. Das Ergebnis war, dass sie gerade wegen der Anstrengung, nicht an den Bären zu denken, vermehrt an ihn dachten.

    Im Detail: In der ersten Studie wurden 34 Teilnehmer gebeten, Anweisungen zu lesen, die sie dazu aufforderten, ihre Gedanken verbal zu beschreiben. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip entweder der Bedingung der anfänglichen Unterdrückung oder der Bedingung der anfänglichen Äußerung zugewiesen. Die beiden Bedingungen unterschieden sich nur in der Reihenfolge der Aufgaben. Die Ausdrucksaufgabe forderte die Teilnehmer auf, an einen weißen Bären zu denken, die Unterdrückungsaufgabe forderte sie auf, dies nicht zu tun. Bei beiden Aufgaben mussten die Teilnehmer jedes Mal eine Glocke läuten, wenn sie an einen weißen Bären dachten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Gruppe mit anfänglicher Unterdrückung bei der Ausdrucksaufgabe häufiger an den weißen Bären dachte. Die anfängliche Unterdrückung führte also zu einem Rebound-Effekt. Das zweite Experiment fügte eine dritte Gruppe hinzu und bat die Teilnehmer, während der Unterdrückungsaufgabe an einen roten Volkswagen als Ablenkungsmanöver zu denken. Die Ergebnisse bestätigten die vorangegangenen Befunde, zeigten aber, dass der Distraktor das paradoxe Ergebnis der anfänglichen Unterdrückung abschwächte, da die dritte Gruppe die Glocke weniger häufig läutete. Man erklärt das Phänomen damit dass Menschen, die versuchen, einen Gedanken zu unterdrücken, dies als schwierig empfinden und dann neugierig werden, warum der Gedanke so hartnäckig ist. Auch wenn es ihnen gelingt, den Gedanken vorübergehend zu unterdrücken, kann die spätere Erinnerung an den Gedanken dazu führen, dass sie sich wieder mit dem ehemals verborgenen Gedanken beschäftigen. Die anfängliche Unterdrückung führt daher paradoxerweise also dazu, dass unerwünschte Gedanken mit der Zeit immer häufiger auftreten.

    Ironische mentale Prozesse wurden in einer Vielzahl von Situationen nachgewiesen, in denen sie in der Regel durch Stress ausgelöst oder verschlimmert werden. In extremen Fällen führen ironische mentale Prozesse zu aufdringlichen Gedanken, etwas Unmoralisches oder Charakterloses zu tun, was für den Einzelnen beunruhigend sein kann. Diese Erkenntnisse haben sich in der klinischen Praxis bewährt, denn sie zeigen zum Beispiel, warum es unproduktiv ist, zu versuchen, angstauslösende oder deprimierende Gedanken zu unterdrücken.

    Literatur

    Wegner, Daniel M. (1994). Ironic processes of mental control. Psychological Review., 101, 34–52.
    Wegner, Daniel & Schneider, David (2003). The White Bear Story. Psychological Inquiry, 14, 326–329.
    Wegner, Daniel M., Schneider, David J., Carter, Samuel R. & White, Teri L. (1987). Paradoxical effects of thought suppression. Journal of Personality and Social Psychology. 53, 5–13.


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