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Adaptivität

    Adaptiver Unterricht ist ein Sammelbegriff für Strategien und Verfahren der Differenzierung und Individualisierung von Unterricht. Während in selektiv orientierten Bildungssystemen eine möglichst gute Passung zwischen den Lernenden und dem Unterricht durch gezielte Auswahl möglichst geeigneter Schülerinnen und Schüler angestrebt wird, versucht man in einem adaptiven System, den Unterricht inhaltlich und methodisch an die Lernenden anzupassen, indem fehlende Lernvoraussetzungen entweder direkt gefördert oder ausgleichend umgangen werden. Zielerreichendes Lernen macht traditionell den Kern adaptiven Unterrichts aus, wobei in den letzten Jahren zunehmend die pädagogisch durchdachte Gestaltung komplexer Lernumwelten in den Blick genommen wird. Wenn nämlich im Unterricht nicht verschiedene Lerntempi und individuelle Begabungen und Bedürfnisse berücksichtigt werden, werden Kinder bzw. Jugendliche, die unter ihren Fähigkeiten gefordert werden, diese nicht entwickeln können und damit auch den Anschluss an Kinder gleicher Fähigkeiten etwa auf einer höheren Schulform verlieren, sodass Aufwärtsmobilität dadurch erschwert wird. Andererseits werden Kinder, deren aktueller Leistungsstand, sei es aus Anlage, mangelnder Förderung im Elternhaus oder auch entwicklungsbedingt, noch nicht dem Durchschnitt einer Klasse entspricht, mit der Zeit den Anschluss verlieren und Lücken kumulieren, die auch durch eine Rückstufung schwer auszugleichen sind, sofern in der neuen Schule ebenfalls eine individuelle Förderung nicht möglich oder üblich ist. Ein uniformer Unterricht verstärkt demnach Privilegien und Benachteiligungen, die bereits aus dem individuellen Hintergrund eines Kindes oder Jugendlichen gegeben sind, anstatt diese als Herausforderung anzunehmen und auszugleichen. Bekanntlich ist die Unterrichtsführung sogar entscheidend in der Frage des Zusammenhangs zwischen Intelligenz und Leistungsentwicklung, denn ein unklarer und unverständlicher Unterricht ist in der Regel dazu angetan, diesen Zusammenhang noch zu verstärken, während ein klarer, verständlicher und schülerorientierter Unterricht hingegen alle SchülerInnen gleichermaßen fördert.

    Empirische Studien belegen, dass sich adaptiver Unterricht durchaus in der schulischen Praxis realisieren lässt, jedoch nur mit einigem Aufwand. Bei immer heterogeneren Lerngruppen dürfte es jedoch zur adaptiven Passung des Unterrichts keine wirksamen Alternativen geben, zumal durch die gemeinsame Unterrichtung behinderter und nichtbehinderter Kinder die Heterogenität in den Jahrgangsklassen zunimmt. Durch die neuen Medien scheint die Adaptivität in einigen Bereichen erreichbar. Adaptivität meint in diesem Kontext die Anpassung einer computergestützten Lernumgebung an SchülerInnen durch Laufzeitmodellierung, d.h., ebenso wie sich ein Privatlehrer auf die Stärken und Schwächen, die besonderen Bedürfnisse oder die Wünsche des Lernenden einstellt und seinen Unterricht darauf entsprechend auslegt, muss ein angepasstes Lernsystem zunächst Informationen über persönlichen Merkmale einer Schülerin oder eines Schülers sammeln. Aus diesen gesammelten Informationen wird dann die Auswahl, Präsentation und auch die Abfrage des Lernstoffes bestimmt. Adaptive Systeme setzen hierzu den Einsatz wissensbasierter Methoden voraus. Je nach Komplexität können Lernprogramme in Hinsicht auf ihre Adaptivität in folgende drei Kategorien eingeteilt werden:

    • Passive Adaptivität: dem Benutzer wird eine Reihe von Lerninhalten angeboten, er selbst entscheidet unter Berücksichtigung eigener Interessen den Lernweg; Einsatz eines passiven „Wenn-Dann“-Schemas; Autorenwerkzeuge, einfache Hypertextsysteme.
    • Aktive Adaptivität: das Programm entscheidet selbst auf Grund des anfänglich eingeschlagenen Weges und an Hand von Testfragen an den Benutzer, wie der weitere Lernweg aussehen soll; Einsatz eines aktiven „Wenn-Dann“-Schemas; moderne Autorenwerkzeuge, Programmiersprachen.
    • Intelligente Adaptivität: zur Laufzeit wird ein umfassendes Bild des Lernenden sowohl unter lernpsychologischen Gesichtspunkten als auch persönlichen Präferenzen generiert und ständig erweitert, auf Grund dieses Benutzerprofiles wird die Lernstoffdarbietung ausgelegt; Einsatz komplexer wissensbasierter Methoden; Programmiersprachen.

    Problematisch ist die Laufzeitmodellierung in Anbetracht der Privatsphäre des Benutzers, daher muss ein Missbrauch der gesammelten Daten durch geeignete Schutzmechanismen wie etwa dezentrale Aufbewahrung verhindert werden.

    Literatur

    Bodendorf, F. (1990). Computer in der fachlichen und universitären Ausbildung. München: Oldenbourg.
    Fischer, Ch. (Hrsg.) (2013). Schule und Unterricht adaptiv gestalten: Fördermöglichkeiten für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Münster: Waxmann.
    Leutner, D. (1997). Adaptivität und Adaptierbarkeit multimedialer Lehr- und Informationssysteme. In Issing, L. & Klimsa, P. (Hrsg.), Information und Lernen mit Multimedia. Weinheim: Beltz.
    Steinhager, K. (Hrsg.) (1975). Adaptiver Unterricht: Zur Wechselwirkung von Schülermerkmalen und Unterrichtmethoden. München: Kösel.

     


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