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strokes

    Da das aus dem Englischen kommende Wort „Stroke“ sowohl „Streicheln“ als auch „Schlag“, „Streich“ bedeutet, kann ein solcher strake lustvoll, angenehm, unangenehm oder sogar tödlich sein. Eric Berne wählte das Wort „Stroke“, um damit das ursprüngliche Bedürfnis des Säuglings nach körperlicher Berührung („Streicheln“) deutlich zu machen. Ein „Stroke“ wird in der Transaktionsanalyse als „Einheit der Anerkennung“ oder auch als „Einheit der Wahrnehmung“ definiert. Jedesmal, wenn man durch irgendeine kommunikative Handlung einem anderen Menschenn signalisiert, dass man ihn wahrnimmt und zwar so, dass er das Signal auch wahrnehmen kann, hat man ihm einen „Stroke“ gegeben.

    Nach Berne sind „Strokes“ für das physische und psychische Überleben eines Menschen unbedingt notwendig und verglich das Bedürfnis nach Stimulierung mit dem physischen Hunger. Wenn Menschen gelernt haben, mit einer symbolischen Form der Zuwendung auszukommen, haben sie so das ursprüngliche Bedürfnis nach körperlicher Zuwendung sublimiert. Den Hunger nach solchen symbolischen Formen der Zuwendung bezeichnete Berne als „Anerkennungshunger“. Da „Strokes“ lebensnotwendig sind und in unserer Kultur wenige direkte physische „Strokes“ ausgetauscht werden, bewertet man als Ersatz alle symbolischen Formen von „Strokes“ hoch: das Protokoll bei Staatsempfängen, Begrüßungen, Geld, Preise, Lob etc..


    Grundsätzliches zu Berührungen: Bereits ab der siebten Lebenswoche kann ein Embryo Berührungsreize wahrnehmen, wobei diese auch nach der Geburt essentiell für die erste Kommunikation sind. Die menschliche Haut kann mit Millionen Sinneszellen sofort erkennen, ob es sich um eine positive oder negative Berührung handelt, wobei das Gehirn positive Berührungsreize in Entspannung verwandelt. Dafür verantwortlich sind die C-taktilen-Fasern, auch Streichelfasern, die auf sanfte Berührungen am Rücken bei 34 Grad Celsius, der Temperatur der Fingerspitzen, reagieren. Dabei wird nach Streichelgeschwindigkeit und Temperatur bewertet, wobei eine Berührung mit etwa 1 bis 10 cm pro Sekunde als angenehmes Streicheln empfunden wird. Bei Babys stabilisieren Berührungen die Atmung und regulieren den Blutzuckerspiegel, Umarmungen stärken das Immunsystem und häufig umarmte Menschen sind weniger anfällig für Erkrankungen. Positive Berührungen bauen Aggressionen und Stress ab und lindern Schmerzen, auch seelische.


    Das Wichtige an streichelnden Berührungen durch einen anderen Menschen ist der Umstand, dass sich der Herzschlag beruhigt, der Blutdruck sinkt und der Pegel an Stresshormonen fällt, und dadurch auch das Immunsystem besser funktioniert. Menschen, für die körperliche Berührungen selbstverständlich sind, gehen aus Stresssituationen weniger angespannt heraus, sie empfinden bei Verletzungen weniger Schmerzen, haben sie Wunden, dann heilen diese besser. Selbst Frühgeborene profitieren von steter Berührung, denn sie legen schneller an Gewicht zu. Physiologisch ist die Empfindsamkeit des Menschen für Strokes gut zu erklären, denn der Berührungssinn ist der erste Sinn, der sich bei einem Embryo entwickelt, und sich über die gesamte Oberfläche des Körpers erstreckt, bis sie bei einem Erwachsenen eine Fläche von knapp zwei Quadratmetern erreicht. Die Haut ist somit das größte Sinnesorgan des Menschen, denn in ihr befinden sich unzählige Sensoren, die sich immer dann melden, wenn auf der Haut etwas geschieht, etwa ein Luftzug im Nacken, ein Schweißtropfen auf der Stirn, ein Kiesel am Fuß. Damit der Körper auch weiß, wie er die Signale bewerten soll, liegt an einem fortschreitenden Lernprozess, der im Kindesalter beginnt. Die Haut ist mit zwei Quadratmetern Oberfläche das größte und sensibelste Sinnesorgan, auf der Stirn wird bereits ein Druckgewicht von 0,075 Milligramm wahrgenommen.

    Es gibt übrigens kein Säugetier, dass sich ohne Berührung adäquat entwickelt, denn ein Mensch überlebt einen solchen Mangel an Kontakt nicht (Deprivationsversuche). Martin Grunwald, Professor für Wahrnehmungspsychologie an der Universität Leipzig, hält den Tastsinn für überlebenswichtig. Er sagt: „In der sehr frühen Kindheit sind Körperberührungen sogar elementare Voraussetzung dafür, dass der Säugetierorganismus Mensch überhaupt wächst. Es gibt kein neuronales oder körperlich-zelluläres Wachstum ohne ein adäquates Maß an Körperverformung, sprich Körperberührungen.“ Grunwalds Versuche im Haptik-Forschungslabor in Leipzig haben gezeigt, dass befruchtete Eizellen im Mutterleib bereits in der sechsten Schwangerschaftswoche auf Berührung reagieren und so Wachstum stimuliert wird. Auch für Erwachsene spielt die Sensorik eine zentrale Rolle: Rund 900 Millionen Rezeptoren senden in jedem Augenblick Informationen an das Gehirn, ein Vielfaches der Seh- und Höreindrücke. Im Kernspintomographen untersucht Grunwald die durch Berührung ausgelösten biochemischen Vorgänge im Körper und ihre individuelle und soziale Auswirkung. „Die körperliche Entspannung, die Regulation von Emotionen kann man mit Körperberührung sehr gut hinbekommen, und wir haben eine ganze Reihe positiver Immunreaktionen, die nur und ausschließlich durch Köperberührung stimuliert werden.“ Nach Grunewald sind Menschen auf Körperkontakt auf der individuellen Ebene für ein gesundes, menschliches Leben angewiesen. Untersuchungen haben etwa gezeigt, dass KellnerInnen, die ihren Gast vor dem Bezahlen kurz leicht berühren, durchweg mit einem höheren Trinkgeld rechnen dürfen. Bereits ein leichtes Schulterklopfen vor einer Prüfung verringert den Blutdruck und das Stresslevel bei Studierenden messbar.

    Übrigens gibt es auch Second-hand-Strokes, die aus aus vergangenen Transaktionen stammen und die als Erinnerung im Gedächtnis abgespeichert sind, die aber wieder abgerufen werden können. Solche Second-hand-Strokes können unter bestimmten Bedingungen etwa für Kriegsgefangene oder Menschen in verzweifelten, zuwendungsarmen Situationen, lebensrettend sein, denn der Betroffene ernährt sich emotional einige Zeit mit solchen erinnerten Zuwendungseinheiten.

    Übrigens wurden an Mäusen die neuronalen Grundlagen des Streichelns identifiziert, und zwar spezielle Neuronen in der Haut, die gezielt auf zärtliche Berührungen (das Fell wurde mit einem Pinsel gestreichelt) reagieren und bei Aktivierung für Wohlbefinden sorgen (Vrontou et al., 2013). Diese Tasterven bilden Verästelungen in der behaarten Haut und ziehen von dort als dünne Fasern bis ins Rückenmark, wobei sie sich von anderen Nervenzellen unterscheiden, indem sie ein spezielles Sensorprotein produzieren.

    Untersuchungen mit Sensornadeln, bei denen man die Nervenreaktion von Versuchspersonen aufzeichnete und analysierte, ergab übrigens die optimale Streichelform bzw. Streichelgeschwindigkeit bei Menschen: bei leichtem Druck mit einer Geschwindigkeit von fünf Zentimetern pro Sekunde erzielt man die stärkste Reaktion beim Gestreichelten, wobei auch die Temperatur der streichelnden Hand genau jener der Haut des Empfängers der Streicheleinheit entsprechen sollte.

    Ausgrenzung durch andere Menschen bedroht das menschliche Bedürfnis nach sozialer Interaktion und sozialem Anschluss, und zwar mit negativen Folgen für Kognitionen, Gefühle und Verhaltensweisen. In einer Studie haben Morese et al. (2019) Verhaltens- und fMRI-Messungen benutzt, um zu untersuchen, welche Form der sozialen Unterstützung die negativen Auswirkungen sozialer Ausgrenzung abfedern kann. Dabei verglich man zwei Arten der Unterstützung durch einen Freund: emotionale Unterstützung, vermittelt durch sanfte Berührung, und verbale Unterstützung in Form einer informativen Textnachricht. Bei weiblichen Probanden und Probandinnen wurden während eines virtuellen Ballwurfspiels unter den beiden genannten Bedingungen, bei der sie von der Teilnahme ausgeschlossen wurden, fMRT-Messungen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Erfahrung der sozialen Ausgrenzung durch die Art der erhaltenen Unterstützung moduliert wird, wobei körperliche und emotionale Berührungen durch eine nahestehende Person einen wirkungsvollen Weg im Umgang mit negativen Emotionen sein kann, wobei diese jedenfalls viel eher funktioniert als die rationale Erklärung einer Situation, in der sich jemand befindet.

    Plüschtier oder Hund streicheln?

    Marti et al. (2022) untersuchten die Veränderungen der Aktivität des Stirnhirns in Gegenwart und während des Kontakts mit einem Hund, wobei gesunde Probanden an sechs Sitzungen teilnahmen, in drei Sitzungen hatten sie Kontakt mit einem Hund, in drei Kontrollsitzungen interagierten sie mit einem Plüschtier. Jede Sitzung bestand aus fünf zweiminütigen Phasen, wobei die Intensität des Kontakts mit dem Hund oder dem Plüschtier (Stofflöwe) von der ersten bis zur vierten Phase zunahm. Mit Hilfe der funktionellen Nahinfrarotspektroskopie maß man dabei das oxygenierte, desoxygenierte und gesamte Hämoglobin sowie die Sauerstoffsättigung des Blutes im Frontallappen. Es zeigte sich, dass unter beiden Bedingungen die Konzentration von sauerstoffhaltigem Hämoglobin von der ersten bis zur vierten Phase signifikant anstieg, wobei die Konzentration von sauerstoffhaltigem Hämoglobin in der Hundebedingung höher war als in der Kontrollbedingung. Die Konzentration des sauerstoffarmen Hämoglobins, die Gesamthämoglobinkonzentration und die Sauerstoffsättigung zeigten aber ähnliche Muster, d. h., die präfrontale Gehirnaktivierung nahm bei gesunden Probanden mit zunehmender Interaktionsnähe mit einem Hund oder einem Plüschtier zu. Dies zeigt, dass Interaktionen mit einem Hund stärkere Aufmerksamkeitsprozesse aktivieren und eine höhere emotionale Erregung hervorrufen können als die Interaktion mit einem nicht lebenden Stimulus, was vermutlich der höheren Aufmerksamkeit geschuldet ist.

    Literatur

    Marti, Rahel, Petignat, Milena, Marcar, Valentine L., Hattendorf, Jan, Wolf, Martin, Hund-Georgiadis, Margret & Hediger, Karin (2022). Effects of contact with a dog on prefrontal brain activity: A controlled trial. Public Library of Science, 17, doi:10.1371/journal.pone.0274833
    Morese, R., Lamm, C., Bosco, M. F., Valentini, M. C. & Silani, G. (2019). Social support modulates the neural correlates underlying social exclusion. Social Cognitive and Affective Neuroscience, doi:10.1093/scan/nsz033.
    Stangl, W. (2022, 7. Oktober). Interaktion mit Plüschtier oder Hund. Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/4338/interaktion-mit-plueschtier-oder-hund.
    Vrontou, Sophia, Wong, Allan M., Rau, Kristofer, K. H., Koerber, Richard & Anderson, David J. (2013). Genetic identification of C fibres that detect massage-like stroking of hairy skin in vivo, Nature 493, 669–673, (31 January 2013), doi:10.1038/nature11810.
    Ohne Autor (2014). Forscher ermittelten optimale Streichelgeschwindigkeit. OÖN vom 22. Februar 2014.
    http://psychologie-news.stangl.eu/72/streicheleinheiten-fuer-das-wohlbefinden (10-02-21)
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/Transaktionsanalyse-Strokes.shtml (10-02-21)
    https://www.deutschlandfunk.de/forschung-aktuell.675.de.html (19-02-27)


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    Ein Gedanke zu „strokes“

    1. Aus einer Zeitschrift

      Drei Nebenwirkungen, was mit dem Körper passiert, wenn man lange nicht berührt wird:
      Man fühlt sich depressiv, denn regelmäßige menschliche Berührungen schütten Serotonin, Dopamin und Oxytocin im Gehirn aus, Neurochemikalien, die allesamt dafür verantwortlich sind, dass man glücklicher und zufriedener ist. Eine Lösung des Problems ist es deshalb, ganz bewusst Körperkontakt zu suchen, etwa indem man eine Massage bucht oder auch selbst massiert.
      Man ist gestresst, wobei soziale Isolation nicht gerade dabei hilft, entspannter zu sein. Wer nicht wie sonst gekuschelt, umarmt oder geküsst wird, schüttet früher oder später auch mehr Cortisol, das Stresshormon aus. Wenn man ein Haustier hat, dann kuschelt man mit diesem, denn Studien zeigen, dass eine starke Bindung zu einem Tier dabei hilft, Einsamkeit, den Cholesterinspiegel und Blutdruck zu senken. Dabei kann auch ein geeignetes Stofftier, mit dem man viele gemeinsame Erinnerungen verbindet, eine große Hilfe sein!
      Man hat entzugsartige Erscheinungen, denn man ist es so gar nicht gewöhnt, alleine zu sein. Plötzlich fühlt sich selbst eine unabsichtliche Berührung sehr intensiv an. Wenn Paare sich vor allen Dingen durch Berührung ihre Liebe zeigen, sollten sie sich nicht wundern, wenn sie an ihrer Beziehung zweifeln, weil sie sich gerade weniger berühren.

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