Zum Inhalt springen

kritische Psychologie

    Bei der kritischen Psychologie handelt es sich um eine ursprünglich auf der Arbeit Klaus Holzkamps beruhende Form einer Subjektwissenschaft, die auch anhand der Kritik des psychologischen Experiments Zusammenhänge von einer fundamentalen Gesellschafts- und Wissenschaftskritik festgestellt hat, wobei insbesondere Herrschaftsansprüche kritisch hinterfragt werden sollten. Die Anfänge der kritischen Psychologie ist eng mit der stark politisch inspirierten Psychologiekritik der Studentenbewegung verbunden, die sich vor allem als Funktionskritik, also als Kritik an der Funktion der Wissenschaft Psychologie, die mit ihren Befriedungs- und Selektionsstrategien vor allem zur Herrschaftswissenschaft taugt.

    Klaus Holzkamps Ausgangspunkt für seine Kritik war die Orientierung der Psychologie an den Naturwissenschaften und am Experiment als zentraler Methode. Nach Holzkamp kann eine Humanpsychologie mit Menschen nicht wie mit unbelebter Materie oder Tieren umgehen, sondern mit  Menschen als potentiell ebenbürtigen Erkenntnissubjekten. Deren Verhalten im Experiment ergibt sich dabei nicht unmittelbar aus den jeweils festgelegten Bedingungen, sondern aus der subjektiven Interpretation der mit dem Versuchsleiter verabredeten Situation. Diese Interpreta­tion wiederum kann die Ziele des Experiments durchkreuzen, wobei alle Maßnahmen, die diese und andere Störbedingungen ausschalten wollen, zu einer immer stärkeren Kontrolle der Versuchsperson führt, sodass schließlich kaum etwas anderes übrig bleibt, als die von ihr erwarteten Verhaltensweisen zu zeigen. Menschen, die eine Geschichte haben und über die Fähigkeit verfügen, ihre Lebensumstände bewusst zu gestalten, werden von einer naturwissenschaftlich orientierten Psychologie auf den Status von Organismen reduziert, deren Handlungsmöglichkeiten gegenüber fremdgesetzten Bedingungen stark eingeschränkt sind. „Das bornierte Distinktionsbedürfnis der Psychologie gegenüber den Nachbardisziplinen der Human- und Sozialwissenschaften, ihr paranoid verteidigter naturwissenschaftlicher Standesdünkel, der pseudoexakte Methodenkanon und seine langweilige Gleichförmigkeit, das Fehlen von intellektuellen Herausforderungen und die proklamierte apolitische Haltung schlugen uns aufs Gemüt, bevor uns Möglichkeiten zur Verfügung standen, Kritik daran zu artikulieren. Diese konsolidierte sich erst aus einer immanent kritischen Auseinandersetzung mit der akademischen Psychologie, ihren blinden Flecken und erkenntnistheoretischen Schwachstellen“ (Busch & Uhlig, 2016).

    Technisch relevant sind nach Holzkamp Befunde nur dann, wenn es strukturelle Ähnlichkeiten zwischen dem Experiment und der außerexperimentellen Wirklichkeit gibt. Die Gegebenheiten in der Praxis sind jedoch meist so komplex, dass eine Übertragung von im Labor geprüften Theorien kaum möglich ist. „Die Methodenrezepte der Psychologie halten den eigentlichen Gegenstand vom Leibe und bieten einen schützenden Raum, der dem Bedürfnis nach arbeitsmarktgerechter Integration entgegenkommt. Es steht zu befürchten, dass das verschulte, anwendungsorientierte Studium und die Angst, fernab der marktgängigen Psychologie nicht bestehen zu können, eine Generation von PsychologInnen vergesellschaftet, deren Begriff von psychischen und sozialen Phänomenen sich im Erreichen von statistisch-objektiver Reliabilität und der Vermeidung kumulativer Alpha-Fehler erschöpft“ (Busch & Uhlig, 2016). Der technischen Relevanz stellte Holzkamp programmatisch eine emanzipatorische Relevanz gegenüber, womit  er das zentrale Kriterium einer neu zu entwickelnden kritischen Psychologie bezeichnete, die gesellschaftliche Unterdrückungsverhältnisse wie Abhängigkeiten oder Unterdrückung von Interessen und Bedürfnissen erforscht.

    Da nach Ansicht der kritischen Psychologie Theorien nur als Theorien zur Selbstverständigung der Subjekte verstanden werden kann, ist diesem Aspekt sowohl in den Methoden und Konzepten Rechnung zu tragen, die in einem Begründungsdiskurs argumentiert werden müssen. Menschen werden daher nicht beforscht werden, sondern stehen selber zusammen mit den psychologischen Professionellen auf der Forschungsseite. Gegenstand der Forschung ist nicht das Subjekt, sondern die Welt, wie das Subjekt sie – empfindend, denkend, handelnd – erfährt. In diesem Sapekt steht die kritische Psychologie der Aktionsforschung nahe.

    Anmerkung: Der Begriff der kritischen Psychologie ist übrigens in Bezug auf eine Wissenschaft ein Pleonasmus, denn eine nicht-kritische Wissenschaft kann es gemäß dem allgemeinen Wissenschaftsverständnis nicht geben.

    Literatur
    Busch, C. & Uhlig, T. (2016). Uni friert. In M. Brunner & N. Ruck (Hrsg.), Psychologie & Gesellschaftskritik – Autonomes Studieren? Heft 3, 40. Jahrgang. Papst Science Publishers.
    Markard, Morus (2000). Zur Theorie der Kritischen Psychologie oder Die Entwicklung der Kritischen Psychologie zur Subjektwissenschaft. Theoretische und methodische Fragen.
    WWW: http://kritische-psychologie.de/wasist.html (09-11-21)
    Zander, M. (2012). Kritischer Psychologe.
    WWW: http://www.jungewelt.de/2012/11-30/025.php (12-11-30)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert