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Koma

    Koma bezeichnet einen Zustand tiefster, durch äußere Reize nicht zu beeinflussende Bewusstlosigkeit, d.h., in einem Koma ist die/der Betroffene nicht mehr aufweckbar, die Reflexe sind aufgehoben (z.B. Pupillenstarre bei weiten Pupillen). Die Ursachen für eine Koma liegen in unter anderem in traumatischen Einflüssen (z. B. Schädel-Hirn-Trauma), cerebralen Defekten (z. B. Gehirntumor oder Gehirnhautentzündung). Auch Störungen des Stoffwechels und schwere Lebererkrankungen enden oft in einem Koma, ebenso wie Vergiftungen durch Tabletten, Alkohol oder CO2.

    Menschen, die aus einem Koma erwachen, durchlaufen verschiedene Rückbildungsphasen, wobei nach der eigenständigen Atmung meist ein erst kurzer, dann längerer Blickkontakt und zunehmende Reaktionen von Augen, Mund und Mimik folgen. Während einer Aufwachphase können noch zahlreiche Komplikationen auftreten, denn die Betroffenen können auf jeder Stufe des Erwachens stehenbleiben, wobei manche jahrelang im Wachkoma verbleiben, vor allem dann, wenn die Schädigung den Hirnstamm und das Mittelhirn auf beiden Seiten betroffen hat. Allerdings sind die Verläufe individuell, denn je nach dem, wie die Körperfunktionen auf die neuen Anforderungen reagieren, können Aufwachende schon nach etwa drei Tagen oder aber erst nach mehreren Wochen vollständig erwachen.Dann gilt: entweder der Körper schafft es, sich ohne lebenserhaltende Funktionen am Leben zu halten oder er schafft es eben nicht.

    Es ist auch bekannt, dass Menschen nach einer Behandlung auf der Intensivstation oft an dauerhaften Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Verwirrung oder Gedächtnisverlust leiden, die sich über Monate bis hin zu Jahren ziehen können, doch wurde bis jetzt der Zusammenhang zwischen verlängerter Anästhesie und Einschränkung von Kognition und die direkten Auswirkungen auf die neuronalen Verbindungen noch nicht im Detail untersucht. Das liegt daran, dass es schwierig ist, die Gehirne von Betroffenen mit einer so hohen Auflösung zu untersuchen, um die Verbindungen zwischen einzelnen Neuronen überwachen zu können. Nun konnte von Wenzel et al. (2021) am Mausmodell mit einer experimentellen Plattform die Verbindungen zwischen Neuronen während verlängerter Narkose und damit verbundene kognitive Auswirkungen untersuchen. Es zeigte sich, dass eine längere Narkose die synaptische Architektur des Gehirns unabhängig vom Alter signifikant verändert.

    Künstliches Koma

    Der Begriff künstlichem Koma ist unglücklich gewählt, den ein Koma ist ja der Zustand einer krankheitsbedingten schweren Bewusstseinsstörung des Großhirns, während es sich beim künstlichen Koma um eine Langzeitnarkose handelt, denn Ärzte verwenden dafür die gleichen Medikamente wie für die Narkose während einer Operation, in der Regel also starke Schmerz- und Schlafmittel. Nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma etwa soll diese Form der Narkose die Gehirnzellen entlasten, indem der Stoffwechsel und der Sauerstoffbedarf des Gehirns reduziert werden. Dadurch will man verhindern, dass Nervenzellen zugrunde gehen, Schwellung und Gehirndruck weiter steigen und eine Schädigung durch das Trauma fortschreitet. Zusätzlich soll die Narkose den Betrofffenen Angst und Schmerz nehmen aber auch vor Verletzungen schützen, die sich der Betroffene durch unwillkürliche Bewegungen zufügen könnte. Aber nicht nur nach einer Hirnverletzung, auch nach anderen schweren Erkrankungen kann es nötig sein, den Sauerstoffbedarf des Gehirns medikamentös zu senken, etwa nach großen Operationen, schweren Unfällen oder einem Herzinfarkt. Meist wird eine solche Langzeitnarkose über einige Tage oder bei einer Hinverletzung auch wesentlich länger aufrechterhalten. Die meisten Organe arbeiten während einer solchen Langzeitnarkose selbstständig weiter, denn das Herz schlägt, die Leber und die Niere funktionieren, nur die Ernährung erfolgt über eine Magensonde und auch die Atmung wird maschinell unterstützt. Mit Dauer der Sedierung steigt aber die Gefahr von Komplikationen, denn als Folge der künstlichen Beatmung kann eine Lungenentzündung auftreten, und das pemanente Liegen erhöht das Thromboserisiko, sodass grundsätzlich diese Narkose so kurz wie möglich und so lange wie nötig aufrechterhalten wird. Nicht immer erreicht ein Mensch im Wachkoma nach dem Absetzen der Medikamente gleich wieder das volle Bewusstsein, denn das Wachkoma kann ein Übergangsstadium aus der Langzeitnarkose zum Aufwachen sein, aber auch Monate dauern, wobei manche Menschen in diesem Zustand bleiben, denn im Wachkoma funktioniert das Großhirn nicht mehr und nur die tiefen Hirnregionen, die unter anderem die Atmung steuern, arbeiten noch. Die Betroffenen haben die Augen geöffnet, können aber nicht mit ihrer Umwelt kommunizieren, wobei schwer festzustellen ist, ob der Betroffene tatsächlich ohne jedes Bewusstsein ist.

    Neuronale Funktionen als Prognose bei Koma-Patienten

    Eine offene Herausforderung in der Bewusstseinsforschung besteht darin zu verstehen, wie sich die neuronalen Funktionen bei pathologischem Bewusstseinsverlust wie etwa einem Koma verändern. Um das Bewusstsein aufrechtzuerhalten, benötigt das Gehirn eine synchronisierte Kommunikation von Informationen zwischen den Gehirnregionen und eine ausreichende Komplexität der neuronalen Aktivität. Es hat sich in früheren Studien gezeigt, dass die Koordinierung der Hirnaktivität, die in der Regel durch Messungen der neuronalen Synchronizität erfasst wird, bei Bewusstseinsverlust abnimmt und den klinischen Zustand von Menschen mit Bewusstseinsstörungen widerspiegelt. Darüber hinaus verliert die neuronale Aktivität bei Bewusstlosigkeit an Komplexität, während das Ausmaß des neuronalen Rauschens, das durch in einer Steigung des Spektralexponenten der Elektroenzephalographie sichtbar wird, abnimmt. Obwohl diese Eigenschaften bei der Aktivität im Ruhezustand gut untersucht sind, ist noch nicht bekannt, ob das sensorische Verarbeitungsnetzwerk, das im Koma nachweislich erhalten bleibt, eher unter einem Verlust an Synchronisation oder eher einem Verlust an Informationsgehalt leidet. Alnes et al. (2021) untersuchten jüngst die Hypothese, ob die neuronale Synchronität als Reaktion auf auditive Reize den Schweregrad des Komas anzeigt, während die Komplexität oder das neuronale Rauschen das Vorhandensein oder den Verlust des Bewusstseins widerspiegeln. Man hatte sich dabei auf einen bestimmten Fall von Bewusstlosigkeit konzentriert, und zwar den ersten Tag nach Einsetzen des Komas. In den ersten Stunden, nachdem Patienten einen Herzstillstand erlitten haben, erfahren ihre Elektrophysiologie und ihr Stoffwechsel dramatische Veränderungen, wobei es ihren Gehirnreaktionen an Struktur fehlt, was zu spontanem Rauschen der neuronalen Aktivität führt. Man nutzte in der Studie das Paradigma der Klangverarbeitung, wobei 67 Patienten im Koma nach Herzstillstand und 13 gesunden Kontrollpersonen eine Reihe reiner Klänge vorgespielt und die Gehirnreaktionen wurden mittels EEG-Signalen aufgezeichnet wurden. In zwei verschiedenen Patientenkohorten wurde dabei festgestellt, dass Menschen, die später das Koma überlebten, eine höhere neuronale Synchronität als Reaktion auf Geräusche am ersten Tag hatten als die Nicht-Überlebenden. Tatsächlich ist die neuronale Synchronität der Überlebenden etwa auf dem Niveau von gesunden Kontrollpersonen, die bei Bewusstsein sind. Messungen der neuronalen Komplexität und des neuronalen Rauschens waren hingegen nicht aussagekräftig für dieses Ergebnis und wiesen bei den Betroffenen im Vergleich zu den Kontrollpersonen hohe oder niedrige Werte auf, was darauf hindeutet, dass neuronale Synchronität und Komplexität im akuten Koma unterschiedliche Rollen spielen dürften. Synchroninisation ist damit wohl eine Voraussetzung für Bewusstsein, während Komplexität ein Gleichgewicht zwischen hohen und niedrigen Werten benötigt, um bewusste Wahrnehmung zu unterstützen.


    Definitorisches: Der Gehirntod bezeichnet dem Zustand eines Gehirns, bei dem es zu einem nicht umkehrbaren Ausfall der Hirnfunktionen gekommen ist, der das Kleinhirn, das Großhirn und den Hirnstamm betrifft. Dies bedeutetet, dass Betroffene nicht mehr spontan atmen können, vielmehr müssen diese künstlich beatmet werden. Im Gegensatz zu einem Koma können hirntote Menschen nicht wieder aufwachen, da ihr Gehirn nicht mehr mit Blut versorgt werden kann, denn dadurch entsteht ein Sauerstoffmangel und das Gehirn stirbt ab. Da das Gehirn für den Körper das übergeordnete Steuerorgan darstellt, werden durch den Funktionsausfall des Gehirns auch andere Körperfunktionen mit der Zeit ausfallen. Es kommt zwar vor, dass das Rückenmark noch funktionsfähig ist, sodass Blutdruck und Puls weiterhin messbar sind und auch das Herz schlägt, doch für die Aufrechterhaltung dieser fundamentalen Körperfunktionen ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig. Ein Hirntod ist nicht behandelbar und wird die Diagnose ärztlich nach dem vorgeschriebenen Protokoll gestellt, gilt die Person als tot.


    Literatur

    Alnes, Sigurd L., Lucia, Marzia De, Rossetti, Andrea O. & Tzovara, Athina (2021). Complementary roles of neural synchrony and complexity for indexing consciousness and chances of surviving in acute coma. NeuroImage, 245, doi:10.1016/j.neuroimage.2021.118638.
    Haas, M. (2014). Künstliches Koma: Was ist das? ApothekenUmschau vom 1. Juli.
    Wenzel, Michael, Leunig, Alexander, Han, Shuting, Peterka, Darcy S. & Yuste, Rafael (2021). Prolonged anesthesia alters brain synaptic architecture. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.2023676118.


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