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Stereotype-Threat-Theorie

    In der Stereotype-Threat-Theorie wird die Annahme vertreten, dass Personen ein Gefühl der Bedrohung erleben, wenn sie sich in einer Situation befinden, in der sie befürchten, auf Basis negativer Stereotypen beurteilt zu werden bzw. durch ihr eigenes Verhalten diese negativen Stereotype unbeabsichtigt zu bestätigen. Die Stereotype-Threat-Theorie beschreibt das meist unbewusste Gefühl der Bedrohung durch ein negatives Stereotyp, wie sie z. B. Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund in bestimmten Leistungssituationen empfinden. So erklärt man etwa bei Mathematiktests von Mädchen, denen zuvor erklärt wurde, dass Mädchen schlechter rechnen können, deren Resultate tatsächlich schlechter ausfallen, aber auch Angehörige von Minderheiten schneiden bei solchen Tests unter ähnlichen Bedingungen ebenfalls schlechter ab. Dieses Gefühl tritt daher in Situationen auf, in der jemand befürchtet, nur auf Grundlage von bestehenden Vorurteilen beurteilt zu werden bzw. durch das eigene Verhalten diese Stereotype dann noch zu bestätigen. Eine solche Zuschreibung von Merkmalen einer Gruppe entwickelt dadurch eine Eigendynamik, die den Betroffenen ebenfalls gar nicht bewusst ist, sie aber in ihrem Verhalten beeinflusst.

    So gibt es zahlreiche Studien, die zeigen, dass Frauen besser abschneiden, wenn der Druck des negativen Geschlechtstereotyps reduziert ist. So können Vorurteile die Leistungsfähigkeit bei Prüfungen in der Schule oder an der Universität negativ beeinflussen, etwa wenn man als Frau die Einstellung hat, dass Mathematik Männersache sei, auch wenn man in diesem Fach durchaus talentiert und interessiert ist. Man setzt sich durch eine solche Einstellung selber unter Druck, so dass Leistung schlechter ausfällt, als sie sein könnte. Besonders gefährdet sind vor allem Menschen, denen ein Fach sehr wichtig ist und die darin dementsprechend gut abschneiden wollen. Wenn in diesem Fachbereich das Selbstkonzept und das vermutete Urteil anderer gegenüber der Gruppe, der man angehört, nicht übereinstimmen, dann entsteht kognitive Dissonanz. Diese Dissonanz wirkt über Testsituationen hinaus und kann sich sowohl auf den Wissenserwerb und Lernprozess als auch auf akademische und berufliche Entscheidungen auswirken. Häufig versucht man in dieser Situation dem Widerspruch zu entgehen, indem man den Bereich abwertet. Erforscht wird „Stereotype Threat“ mit Hilfe von Experimenten, bei denen zwei Gruppen an demselben Leistungstest arbeiten, aber unterschiedliche Vorinformationen erhalten. In jener Gruppe, der im Vorfeld gesagt wurde, dass in dem Test Mädchen typischerweise schlechter abschneiden als Buben, zeigten sich danach deutlichere Geschlechterunterschiede zugunsten der Buben als in der Gruppe, der gesagt wird, dass es beim Test um Problemlösung und nicht um etwa mathematische oder naturwissenschaftliche Leistungsfähigkeit geht, was den Druck, den Mädchen in diesen Fachbereichen oft haben, vermindert. Die motivationale Orientierung, mit der Menschen an eine Bearbeitung von Testaufgaben offensichtlich herangehen, übt also einen starken Einfluss darauf aus, ob und wie stark eine Leistungsreduktion durch Stereotype Threat auftritt.

    Es gibt auch bei der Prokrastination das Phänomen Stereotype-Threat, denn Studien zeigen, dass Menschen eine Aufgabe eher hinauszögern, wenn sie ihnen sehr am Herzen liegt, was aber kein Zeichen mangelnder Motivation oder mangelnden Interesses an der Aufgabe ist. Vor allem viele Perfektionisten prokastinieren, denn wenn jemand nicht weiß, wie er oder sie eine Aufgabe beginnen soll, führt das auch häufig zu Prokrastination. Wenn etwa ein Mädchen immer wieder hört, dass Frauen schlecht in Mathematik sind, wird es selbst dann, wenn es Mathematik wirklich mag und vielleicht sogar Mathematikerin werden möchte, sich in einer Prüfungssituation unwohl fühlen.

    Stafford (2017) betont in einer Studie, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen vor allem beim Erlernen neuer Aufgaben untersucht wurde, bei denen die Angst, entsteht, Vorurteile zu bestätigen, was dann die eigene Leistung verschlechtert. Professionelle Schachspielerinnen hingegen, die seit vielen Jahren an Schachspielen gewöhnt sind, werden durch die Professionalisierung vor dieser Vorurteilsfalle geschützt bzw. nutzen diese ehr zu ihrem Vorteil aus, da sie in ihrer Leistung von Männern eher unterschätzt werden.

    Quelle: Die Presse“ vom 21. März 2012

    Literatur

    Appel, M., Kronberger, N., & Aronson, J. (2011). Stereotype Threat impedes ability building: Effects on test preparation among women in science and technology. European Journal of Social Psychology, 41, 904-913.
    Keller, J. (2007). Stereotype threat in classroom settings: The interactive effects of domain identification, task difficulty, and stereotype threat on female student’s maths performance. British Journal of Educational Psychology, 77, 323-338.
    Keller, J. & Bless, H. (2008). Expectancy effects on cognitive test performance: Regulatory focus as a catalyst. European Journal of Social Psychology, 38, 187-212.
    Keller, J. & Dauenheimer, D. (2003). Stereotype threat in the classroom: Dejection mediates the disrupting threat effect on women’s math performance. Personality and Social Psychology Bulletin, 29, 371-381.
    Stafford, Tom (2017). Female Chess Players Outperform Expectations When Playing Men. Psychological Science.
    Stangl, W. (2017). Gedächtnis im Alter. Werner Stangls Arbeitsblätter-News.
    WWW: http://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/gedaechtnis-im-alter/ (2017-10-30)


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