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REM-Rebound

    Unter REM-Rebound versteht man in der Schlafforschung die Tendenz zur Verlängerung der REM-Schlafphasen nach einem REM-Schlafentzug, also durch wiederholtes Erwachen während der REMPhasen. Wenn Menschen daran gehindert wurden, REM-Phasen zu erleben, brauchen sie danach weniger Zeit als gewöhnlich, um im Schlaf den REM-Zustand zu erreichen. Wenn Menschen nicht in der Lage sind, eine angemessene Menge an REM-Schlaf zu erreichen, steigt der Druck, REM-Schlaf zu erreichen. Wenn der Mensch in der Lage ist zu schlafen, verbringt sie einen höheren Prozentsatz der Nacht im REM-Schlaf.

    In frühen Forschungsarbeiten (Dement, 1960) begann man damit, Versuchspersonen ausschließlich den REM-Schlaf zu entziehen, um dessen einzigartige Bedeutung zu testen. Jedes Mal, wenn das Elektroenzephalogramm und die Augenbewegungen einer Versuchsperson den Beginn des REM-Schlafs anzeigten, weckte man die Versuchsperson mehrere Minuten lang auf. Bei fortgesetztem Traumentzug nahm die Tendenz, den REM-Schlaf einzuleiten, zu, und die Versuchspersonen wurden jede Nacht immer öfter geweckt. Die Probanden wurden reizbar, ängstlich und hungrig, und einige verließen die Studie vorzeitig. Nach fünf Nächten durften die verbleibenden Probanden ungestört schlafen und wiesen einen signifikanten Anstieg des Prozentsatzes der REM-Schlafphasen auf: von durchschnittlich 19,4 % auf durchschnittlich 26,6 %. Diese Effekte waren signifikant im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die jede Nacht in gleicher Anzahl und zu beliebigen Zeiten geweckt wurde.

    Die Tatsache, dass es einen REM-Rebound gibt, zeigt, dass das Gehirn Schlaf und das Erreichen bestimmter Schlafstadien benötigt. Bei einigen Meeressäugetieren wie Delfinen und Pelzrobben wird, wenn einer Gehirnhälfte der REM-Schlaf entzogen wird, nur die entzogene Hemisphäre in den REM-Rebound versetzt, während die andere Hemisphäre unbeeinflusst bleibt. Die negativen Folgen eines Schlafentzugs wurden von den neueren Gehirnforschung eindrücklich bewiesen. Tsai et al. (2021) gelang es mit Hilfe der Zwei-Photonen-Mikroskopie, den Fluss roter Blutkörperchen durch die Hirnkapillaren bei Mäusen sichtbar zu machen. Der Blutstrom versorgt die Neurone nicht nur mit Sauerstoff, sondern entsorgt ebenfalls Stoffwechselprodukte. An der Hirnaktivität der Labormäuse ließ sich ablesen, ob und in welcher Schlafphase sich die Tiere befanden. Während des REM-Schlafs kam es zu einem massiven Anstieg des Blutstroms durch die Kapillaren in verschiedenen Hirnregionen. Dagegen unterschied sich der Blutfluss in den übrigen Schlafphasen nicht vom Wachzustand. Hinderte man die Mäuse zwischenzeitlich am Einschlafen, verstärkte dies beim nächsten Schlummer den REM-Schlaf – und der Blutstrom nahm weiter zu. Der erhöhte kapillare RBC-Fluss während des REM-Schlafs deutet darauf hin, dass die kapillare CBF den REM-Schlafdruck widerspiegelt. Auf molekularer Ebene ist die Signalübertragung über Adenosin-A2a-Rezeptoren entscheidend; bei A2a-KO-Mäusen wird der kapillare CBF-Anstieg während des REM-Schlafs gedämpft, und die Auswirkungen des REM-Schlafdrucks werden aufgehoben. Diese Ergebnisse liefern Beweise für die Dynamik des kapillaren CBF in verschiedenen Schlaf-/Wachzuständen und geben Einblicke in die zugrunde liegenden Mechanismen. Für die Medizin ist das vor allem deshalb von Bedeutung, weil ein gestörter REM-Schlaf zu vermehrter Ansammlung von Stoffwechselprodukten im Gehirn führen kann und das Alzheimerrisiko erhöht.

    Die REM-Rebound-Phase tritt häufig bei Menschen auf, die bestimmte Schlafmittel einnehmen, und wird auch häufig in den ersten Nächten beobachtet, nachdem sie mit Schlafapnoe auf kontinuierlichern positiven Atemwegsdruck umgestellt wurden. Auch Alkohol kann sich auf den REM-Schlaf auswirken, denn er unterdrückt diesen in der ersten Hälfte der Nacht und führt vier bis fünf Stunden nach Einsetzen des Schlafs zu einem Rebound. Obwohl Alkohol die Einschlafzeit verkürzen kann, führt er zu einer Unterbrechung der Schlafzyklen. Der REM-Schlaf ist in der ersten Hälfte der Schlafperiode vermindert, und der Schlaf im Stadium 1 ist in der zweiten Hälfte der Schlafperiode erhöht. Die meisten Antidepressiva, insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Citalopram und Paroxetin, sind starke Hemmstoffe des REM-Schlafs und können beim Absetzen ebenfalls einen REM-Rebound verursachen.

    Literatur

    Dement, W. (1960). The Effect of Dream Deprivation: The need for a certain amount of dreaming each night is suggested by recent experiments. Science, 131, 1705-1707.
    Tsai, Chia-Jung, Nagata, Takeshi, Liu, Chih-Yao, Suganuma, Takaya, Kanda, Takeshi, Miyazaki, Takehiro, Liu, Kai, Saitoh, Tsuyoshi, Nagase, Hiroshi, Lazarus, Michael, Vogt, Kaspar E., Yanagisawa, Masashi, Hayashi, Yu (2021). Cerebral capillary blood flow upsurge during REM sleep is mediated by A2a receptors. Cell Reports, 36, doi:10.1016/
    https://en.wikipedia.org/wiki/REM_rebound (17-04-16)


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