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Suizid

    Der Suizid oder Selbsttötung (von suicidium aus caedium = Tötung und sui = seiner selbst (Genitiv), also sui caedium = Tötung seiner selbst) ist das willentliche Beenden des eigenen Lebens, sei es durch beabsichtigtes Handeln oder absichtliches Unterlassen, z. B. lebenswichtige Medikamente, Nahrungsmittel oder Flüssigkeit nicht mehr zu sich zu nehmen. Das Wort „Suizid“ wird in der modernen Wissenschaftssprache bevorzugt, während der sprachgebrauchlich bekanntere Ausdruck „Selbstmord“ als Lehnübersetzung bereits im 17. Jahrhundert ebenfalls aus „suicidium“ entstand.

    Die Selbsttötung gehört zu den häufigsten Todesursachen auf der Welt und es gibt sie in allen Kulturen, unabhängig davon, ob und wie sie gesetzlich verboten oder sozial beziehungsweise religiös geächtet sind. Unstrittig ist, dass biologische, psychologische und soziale Faktoren eine Rolle spielen.

    Entwicklungsstadien der Suizidhandlung

    • Stadium 1: Erwägung. Aufgrund verschiedener Faktoren (soziale Isolierung, Stress, Identitätsverletzung und Aggressionshemmung) kann ei Suizid in Erwägung gezogen werden. Darüber hinaus wird man stark von der Umwelt beeinflusst, wie Suizide in der Familie oder bei Bekannten sowie aus den Massenmedien. Diese Modelle dienen als Informationsquelle über die Möglichkeit eines Suizids, sowie die dazu verwendenden Mittel. Suizidale Erwägung sind daher recht häufig, führen allerdings nicht unbedingt in die nächsten Stadien.
    • Stadium 2: Abwägung.Kennzeichen dieses Stadiums sind die konstruktiven und destruktiven Tendenzen. Der Suizidale schwankt zwischen Leben- und Sterbenwollen. Diese Unsicherheit ist der Hauptgrund für die Ankündigung von Suizidabsichten, die aber leider kaum ernst genommen werden. Die Ankündigung sollte als Hilferuf und Versuch der Kontaktaufnahme gesehen werden. Am Ende des Stadiums bereitet der Suizidale den Entschluss vor, entweder in Richtung Suizidtendenz oder in Richtung der Aufgabe dieses Vorhabens.
    • Stadium 3: Entschluss. In diesem Stadium wird die Entscheidung gefällt und es kommt zu einem Entschluss. Unter Geheimhaltung des Vorhabens werden Vorbereitungen für den Suizid getroffen und nötige Mitteln besorgt.

    Risikofaktoren

    Als Risikofaktoren für Suizidalität gelten:

    • mangelhafte Kontakte und Einsamkeit, z.B. Auszug aus dem Elternhaus, Wechsel des beruflichen Umfeldes, häufige Umzüge, Scheidung oder Trennung, höheres Lebensalter, – Verlust der nächsten Bezugspersonen, in erster Linie Ehegatten oder Partner durch Trennung, Scheidung oder Tod,
    • berufliche Krisen,
    • Umbruchs- und Übergangssituationen, z.B. das Erwachsenwerden in der Spätadoleszenz; für Eltern, v.a. Mütter, der Auszug der Kinder aus dem Elternhaus; die Pensionierung; die Diagnose einer schweren Krankheit, auch bei einer nahen Bezugsperson; beruflich bedingter häufiger Ortswechsel, z.B. bei Mitarbeitern des Diplomatischen Dienstes,
    • frühere Suizidversuche im Bekannten- und Verwandtenkreis und in der eigenen Biographie.

    Es gibt nur wenige psychisch Kranke, deren Leiden nicht irgendwann zu der Frage führt: Kann ich, will ich so weiterleben? Depressive Verstimmungszustände, Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, Abhängigkeitserkrankungen, psychogene Reaktionen und Persönlichkeitsstörungen bringen für viele Kranke soviel Leid und soviel Erschütterung in ihren Beziehungen zu anderen Menschen mit sich, dass sich Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung ausbreiten. Dies aber sind die wichtigsten Risikofaktoren, die eine Suizidgefährdung mit sich bringen und die zum “präsuizidalen Syndrom” und schließlich zur Suizidhandlung führen können. Aber auch bei Menschen, bei denen bis dahin keine psychische Störung bekannt war, können Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung in eine Suizidhandlung münden. Suizid ist ein menschenmöglicher Akt. Keiner von uns ist vor Suizidgedanken sicher. Ob daraus ein Suizidversuch wird, liegt meist an der Häufung komplizierter Umstände. Ob daraus ein vollendeter Suizid wird, mag sogar eine Frage von Glück oder Unglück sein, rechtzeitig gefunden zu werden oder eine gerade nicht tödliche Dosis an Medikamenten geschluckt zu haben. Manche Autoren fordern ein Recht auf Suizid ein, auf die Freiheit, Hand an sich zu legen, wenn die persönliche Bilanz ergeben hat, dass sich Weiterleben nicht lohnt. Jeder suizidale Mensch, ob er nun krank ist oder gesund, verdient Achtung statt Ächtung, Anteilnahme statt Ablehnung, Verständnis statt intoleranter Verurteilung, Mitgefühl statt Bestrafung und Entmündigung, Hilfe statt Gleichgültigkeit. Tot sein und nicht mehr weiterleben wollen sollte als möglicher und einsehbarer Impuls der menschlichen Psyche akzeptiert und nicht länger tabuisiert und diskriminiert werden.


    Mythen zum Suizid

    • Wer von Suizid spricht, tut es nicht.“ 80% der Menschen, die einen Suizid begehen, kündigen diesen vorher an, d. h., solche Ankündigungen sind immer ernst zu nehmen!
    • Werden Suizidabsichten angesprochen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit ihrer Umsetzung.“ Gespräche sind für Betroffene entlastend, d. h., die Sorge, durch Nachfragen eine Verschlimmerung herbeizuführen, ist unbegründet.
    • Wer sich wirklich das Leben nehmen will, ist nicht aufzuhalten.“ Die meisten Suizide erfolgen im Rahmen von Krisen, d. h., professionelle Krisenbewältigung kann Suizide verhindern.
    • Ein Suizidversuch ist nur Erpressung.“ Jeder Suizidversuch ist ein Hinweis auf die Not der Betroffenen, wobei ebenfalls professionelle Hilfe das familiäre und soziale Umfeld entlastet.
    • Ein Suizid geschieht ohne Vorzeichen.“ Bei fast jedem Suizid ist nachweisbar, dass er sich im Vorfeld abgezeichnet hat, nur gab es niemanden, der diese Zeichen wahrgenommen oder ernst genommen hat.
    • Wer an Suizid denkt, ist verrückt.“ Je nach Alter haben 40-80% aller Menschen schon einmal an Suizid gedacht, d. h., Gedanken über das Leben und den Tod sind normal.

    Wiederholung von Suizidversuchen

    Nach einem misslungenen Suizidversuch ist eine intensive Betreuung notwendig, denn nach Studien unternehmen etwa zehn Prozent der Betroffenen in den Folgejahren einen neuen Versuch, der dann oft gelingt. Bo Runeson verfolgte das Schicksal von rund 50000 Personen in Schweden, die zwischen 1973 und 1982 einen ersten Suizidversuch unternommen hatten, von denen rund zwölf Prozent in den Folgejahren bis einschließlich 2003 erneut versuchten, sich umzubringen. Dabei ließ die Wahl der Methode beim ersten Versuch Rückschlüsse auf das Risiko eines weiteren Selbsttötungsversuchs zu, wobei Menschen besonders gefährdet sind, die sich beim ersten Mal für gewalttätige oder harte Methoden wie Erhängen entschieden hatten. Die Mehrheit der Folgeversuche wurden mit der selben Methode verübt wie beim Suizidversuch.


    Suizid ist ja nicht strafbar, dennoch darf man ihn auch als Unbeteiligter nicht tatenlos zulassen. Wer tatsächlich in eine Extremsituation gerät, einen Suizidversuch mitzuerleben, sollte die Polizei rufen – Österreich 133, Deutschland 110, Europa 112 – , denn wenn man jemanden in Lebensgefahr glaubt, tut man das ohne Risiko, auch wenn sich die Situation später als harmlos herausstellen sollte. Allerdings sollte sich niemand beim Versuch einen Suizid zu verhindern, selbst in Gefahr bringen. Generell gilt, dass man einen Menschen in Not nicht sich selbst überlassen darf, was vor allem dann gilt, wenn man die Person angesprochen und Kontakt aufgebaut hat. Man sollte dabei ruhig auf die Person zugehen, wobei man sich zuerst sprechend nähern sollte. Ansprechen, zuhören, Fragen stellen und keinesfalls bagatellisieren, das ist in jedem Fall von Suizidgefahr das beste Verhalten. Man sollte nie einfach darüber hinweggehen, wenn jemand vom Sterben als beste Lösung spricht, auch dann nicht, wenn der Ton dabei flapsig klingt. Ein Mensch, der seinen Suizid im Kopf hat, will unbedingt ernst genommen werden.


    Praktische Hinweise zum Umgang mit suizidgefährdeten Personen

    Allgemein geht es im Umgang mit suizidgefährdeten Personen nicht in erster Linie darum, wie man den Menschen daran hindern kann, sich selbst zu töten, sondern darum, wie man ihn unterstützen kann, dass seine Lebensumstände wieder so werden, dass das Leben ihm/ihr wieder lebenswert erscheint, denn

    • Suizidanten verneinen nicht das Leben im allgemeinen sondern ihr Leben – ein besseres, anderes sind sie bereit zu leben.
    • Suizidalität sollte man immer als Notsignal verstehen,
    • nehmen Sie daher aktiv Kontakt zu der gefährdeten Person auf,
    • akzeptieren Sie die Person, wie Sie ist, fragen Sie nach Gründen, Folgen, Risiken, Vor- und Nachteilen, Wünschen,
    • greifen Sie die Ambivalenz gegenüber Leben und Tod auf, denn Suizidgefährdete wollen nicht unbedingt tot sein, sondern nur so, wie jetzt, nicht weiterleben.
    • Seien Sie in der Beziehung beständig und zuverlässig,
    • unterstützen Sie den Menschen dabei, selbständig zu sein, weil das deren Selbstwert stärkt und handeln Sie nicht unüberlegt anstelle der Betroffenen.
    • Verweigern Sie die Verharmlosungstendenzen, falls vorhanden, und
    • stellen Sie die Situation nicht vorschnell als positiv dar, somderm
    • helfen Sie beim Wiederherstellen der wichtigsten Beziehungen, ermutigen Sie diese zu
    • Entwicklung alternativer Problemlösungen.
    • Arbeiten Sie an Ihrer Beziehung zur/zum Betroffenen und vermeiden Sie objektivierende Distanz, denn
    • eigene Wertmaßstäbe sind nicht maßgeblich, sondern
    • nehmen Sie auch die bei Ihnen ausgelösten Gefühle wahr und achten Sie darauf, worauf diese hinweisen.

    Wesentlich bei der Hilfe von Suizidgefährdeten ist das Bearbeiten der aggressiven Tendenzen, die mit einer Suizidhandlung stets verbunden sind, wobei man die vorausgegangene Kränkungen und die Kränkbarkeit der Betroffenen nicht unterschätzen darf. Von diesen ausgehende Provokationen sind nicht selten eine Art Probe für das Gegenüber, wobei es stets wichtig ist, die Provokation nicht persönlich zu nehmen. Es gibt einige klassische Fehler, die im Umgang mit Suizidgefährdeten gemacht werden können, denn viele schämen sich ihres Suizidimpulses und versuchen im Nachhinein, die bedrohliche Situation zu bagatellisieren. Oft suchen Betroffene möglichst schnell nach einem Ausweg und einer möglichen Zukunftsperspektive, wobei solch eine herbeigezwungene Normalisierung kurzfristig wie eine Lösung aussehen mag, sich jedoch die ausweglos scheinende Situation nicht wirklich verändert hat, aus der heraus der Suizidversuch unternommen worden war. Fundamental falsch ist die Unterteilung in ernstzunehmende und nicht ernsthafte Methoden eines Suizidversuchs, oder die Bewertung von Suizidäußerungen in ernstzunehmende oder zweckgerichtete, denn die meisten Suizidversuche werden vorher angekündigt. Ein wesentlicher Risikofaktor für einen erfolgreichen Suizid sind vorherige Suizidversuche, sodass entsprechende Äußerungen und jegliche Formen eines Suizidversuchs eine schwere Krise signalisieren, die unbedingt ernst zu nehmen ist.

    Was können Laien zur Suizidprävention beitragen?

    Viele Menschen stellen sich die Frage, ob ein Suizid verhindert werden kann bzw. wie kann man einem Menschen helfen, der keinen Sinn mehr im Leben sieht. Dazu ist es nach Ansicht von Arno Drinkmann (Professor für Psychologie an der Katholischen Universität Eichstätt) wichtig, das Thema Suizid aus der der Tabuisierung im öffentlichen Diskurs herauszuholen. Für Laien gibt es eine einfache Regel, nämlich mit den Betroffenen zu reden. „Wenn man bei einem anderen etwas merkt, ist es ratsam, denjenigen direkt anzusprechen, wie etwa: ‚Hast du schon mit dem Gedanken gespielt, dir das Leben zu nehmen?‘ Viele Menschen haben die Befürchtung, dass so eine Frage negative Konsequenzen haben könnte, und man denjenigen, der mit diesen Gedanken spielt, in seinen Phantasien bestärkt. Das ist aber ein Mythos, der widerlegt ist. Im Gegenteil: die meisten Menschen, die Suizid-Gedanken haben, sind froh darüber, angesprochen zu werden.“
    Wichtig ist dabei immer, sein Gegenüber ernst zu nehmen und ihn nicht vorschnell zu einer professionellen Stelle wegzuschicken, denn es geht zunächst immer darum, auf der persönlichen Ebene ehrliches Mitgefühl zu zeigen und auch Hoffnung. Bei etwa 60 Prozent der Suizidverstorbenen sind im Vorfeld psychische Erkrankungen bekannt, wobei eine Depression in ihren Auswirkungen mit organischen Krankheiten vergleichbar ist und mit dem Tod enden kann. „Psychische Störungen, insbesondere Depressionen, werden oft als Makel gesehen. Man hat keine ganz neutrale Haltung wie gegenüber körperlichen Erkrankungen. Und das ist falsch. Da muss sich gesellschaftlich etwas tun, das muss aus der Tabuzone geholt werden. Da muss man eigentlich genauso darüber sprechen können wie über Diabetes oder andere körperliche Erkrankungen. Erst dann wird es den Betreffenden leichter fallen, sein Problem gegenüber Freunden und Kollegen zu thematisieren.“

    Lithiumgehalt im Trinkwasser

    Geringe Mengen von natürlich im Trinkwasser enthaltenem Lithium senken nach Untersuchungen von Forschern der Medizinischen Universität Wien, die im „British Journal of Psychiatry“ veröffentlicht wurde, die Zahl der Selbstmorde. Schon ganz geringe Mengen des in der Psychotherapie verwendeten Metalls haben bekanntlich positive Wirkungen auf die menschliche Stimmung, wobei sich zeigte, dass je höher der Lithiumwert im Trinkwasser ist, desto niedriger war die Suizidrate.


    Welt-Suizid-Präventionstag

    wiener-werkstaette-suizidforschungErwin Ringel, ein österreichischer Psychiater, untersuchte Methoden, Suizide zu verhindern, und gründete 1948 in Wien das erste Zentrum zur Suizidprävention. Zudem veranlasste er 1960 die Gründung der International Association for Suicide Prevention (IASP) und wurde deren erster Vorsitzender. Gernot Sonneck führte dessen Suizidforschung weiter und gründete mit seinen Mitarbeitern 2007 die Wiener Werkstätte für Suizidforschung.

    Seit 2003 findet am 10. September der Welt-Suizid-Präventionstag statt, um die Menschen dafür zu sensibilisieren, dass Suizid eines der größten Gesundheitsprobleme der Welt darstellt. Nach dem Suizid-Bericht der WHO nehmen sich jedes Jahr weltweit mehr als 800.000 Menschen das Leben, wobei auf jeden vollendeten Suizid  etwa zwanzig Suizidversuche kommen. In den westlichen Ländern bestehen große Unterschiede bezüglich der Suizidraten, was für den Einfluss von soziokulturellen Rahmenbedingungen wie Alkoholkonsum, soziale und zwischenmenschliche Unterstützung, Qualität medizinischer Versorgung spricht bzw. auf die Art und Weise, wie Menschen mit Lebenskrisen, Schicksalsschlägen und Krankheiten umgehen. Bis zu 90 Prozent der Suizidopfer sind psychisch krank und leiden an gut behandelbaren psychischen Erkrankungen wie Depression und Alkoholabhängigkeit, sodass der Prävention deshalb allerhöchste Priorität zukommt. Nach Ansicht von Experten muss man die der Suizidalität zugrunde liegenden Mechanismen besser verstehen und die Suizidforschung intensivieren.

    Link: http://www.suizidforschung.at/ (11-10-11)

    Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen schreibt in einer Presseaussendung zum Welttag der Suizidprävention 2023: „Das Thema Suizid ist nach wie vor eines der großen Tabuthemen unserer Gesellschaft. Die mit der Tabuisierung einhergehende Scham der Betroffenen und ihrer Angehörigen erschwert den Umgang mit der lebensbedrohlichen Krise zusätzlich. Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufene Welttag der Suizid-Prävention am 10. September soll darauf aufmerksam machen, dass Suizid eines der größten Gesundheitsprobleme der Welt darstellt. Besonders besorgniserregend: Suizid zählt auch bei Kindern und Jugendlichen zu den häufigsten Todesursachen. „Es ist ein wichtiger Tag, um bewusst zu machen, dass viele, vor allem auch sehr junge Menschen tagtäglich mit Suizidgedanken kämpfen“, so die Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP) ao. Univ.Prof.in Dr.in Wimmer-Puchinger. „Kinder und Jugendliche von heute sind durch Social Media zahlreichen Perfektionserwartungen und Cybermobbing ausgesetzt. Daher müssen wir alles daransetzen, um die Jugend zu entlasten, denn eines ist sicher: Suizid bei unserer Jugend ist ein dramatisches Alarmsignal“, so die BÖP-Präsidentin. Laut dem „Suizid- und Suizidpräventionsbericht 2022“ der Suizidprävention Austria (SUPRA), starben im Jahr 2021 in Österreich 1.099 Personen durch Suizid – mehr als dreimal so viele wie im Straßenverkehr. Seit den 1980er-Jahren ist in Österreich zwar ein deutlicher Rückgang der Suizidhäufigkeit zu beobachten, dennoch ist Suizid sowohl bei Männern als auch bei Frauen bis zum 50. Lebensjahr eine der häufigsten, in der Altersgruppe 20 bis 29 Jahre insgesamt sogar die zweithäufigste Todesursache. Die Zahl der Suizidversuche wird noch deutlich höher geschätzt. Mehr als drei Viertel der Suizidtoten sind Männer. Auch bei Kindern und Jugendlichen zählt Suizid zu den häufigsten Todesursachen.“


    Persönliche und kollektiv bedingter Selbstmord

    Maurice Halbwachs, auf den das Konzept des kollektiven Gedächtnisses zurückgeht, unterschied zwei Arten des Suizids: den persönlichen, der auf eine Störung im Organismus, in diesem Fall der Psyche zurückzuführen ist, und den Selbstmord als Störung des kollektiven Gleichgewichts, das einer sich verändernden, wahrnehmbaren sozialen Umwelt geschuldet ist. Insofern das gesellschaftliche Umfeld, also Schule, Familie, Vereine, Freunde aber auch Massenmedien für Personen sensibilisierend, unterstützend, vor- und nachsorglich sowie bewusstseinsbildend wirken, gehen mit Veränderungen dieses Umfelds eben auch Wahrnehmungsveränderungen einher. Solche können etwa zu Amokläufen oder mit ideologisch begründeten Attentaten führen.

    Suizidneigung spiegelt sich im Gehirn wider

    Just et al. (2017) haben mit der Hilfe bildgebender Verfahren Probanden untersucht, von denen eine Hälfte schon über Selbstmord nachgedacht oder sogar einen Versuch unternommen hatte, während die andere Hälfte noch nichts dergleichen gedacht oder unternommen hatte. Alle Probanden erhielten dreißig Wörter präsentiert, von denen zehn mit dem Tod zu tun hatten, zehn mit negativen Emotionen, und zehn mit positiven Emotionen. Aus den Aktivitätsmustern des Gehirns suchte danach ein lernfähiges Programm sechs Schlüsselbegriffe (Tod, Grausamkeit, Ärger, sorglos, gut, Ruhm) heraus, in denen sich die Gehirnaktivitäten der Suizidgefährdeten von der Vergleichsgruppe unterschieden. Aus diesen sechs Wörtern lößt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmen, ob eine Testperson mit Selbstmord zu tun hatte oder nicht, wobei die Unterscheidung zwischen gedachtem und versuchtem Selbstmord noch deutlicher möglich war.

    Siehe auch das Phänomen Call of the Void.

    Literatur

    Finzen, Asmus & Hoffmann-Richter, Ulrike (1997). Umgang mit suizidalen Patienten – Laufen am Abgrund. Via medici 4/97.
    WWW: http://freenet-homepage.de/suizidalitaet/ (09-11-15)
    Halbwachs, M. (1967). Das kollektive Gedächtnis. Stuttgart: Enke.
    Just, Marcel Adam, Pan, Lisa, Cherkassky, Vladimir L., McMakin, Dana L., Cha, Christine, Nock, Matthew K., Brent, David (2017). Machine learning of neural representations of suicide and emotion concepts identifies suicidal youth. Nature Human Behaviour, doi:10.1038/s41562-017-0234-y.
    Rolf Oerter & Eva Dreher (2002). Jugendalter (S. 303f). In Rolf Oerter & Leo Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz.
    http://www.dgppn.de/presse/pressemitteilungen/detailansicht/article/149/welt-suizid.html (14-09-13)
    http://paedpsych.jku.at/wiki/Suizid (09-10-10)
    http://de.wikipedia.org/wiki/Suizid (09-10-10)
    http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/news/suizid-den-zweiten-versuch-verhindern_aid_530104.html (10-07-14)
    http://www.suizidpraevention-stmk.at/mythen (17-08-02)
    https://www.br.de/nachrichten/kultur/wohin-mit-wut-und-trauer-selbsthilfe-bei-suizid,RPK9z1l (19-05-08)


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