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Gleichgewichtssinn

    Der Gleichgewichtssinn ist jenes Sinnessystem im Innenohr zur Wahrnehmung der Bewegung und Lage des Körpers. Der Gleichgewichtssinn informiert das Gehirn, wenn der Körper in eine bestimmte Richtung beschleunigt wird, wobei neben dem Gehirn und den Augen vor allem auch die Ohren eine wichtige Rolle spielen. In den Ohren befinden sich drei feine schlauchartige Bogengänge, die um 90 Grad versetzt zueinander stehen, die mit Flüssigkeit gefüllt sind und Sinneszellen an den Innenwänden besitzen, die feine Härchen aufweisen, die in die Flüssigkeit hineinragen. Bewegt man seinen Kopf, bewegt sich auch die Flüssigkeit in den Schläuchchen und verbiegt diese Härchen. Auf diese Weise nehmen diese Sinneszellen Bewegungen wahr und leiten Signale ans Gehirn weiter. Zum Gleichgewichtssinn gehören außerdem Sinneszellen am ganzen Körper, denn auch sie melden dem Gehirn, ob man steht, liegt oder sitzt, wo oben und wo unten ist. Das menschliche Gefühl für das Gleichgewicht entsteht also durch das Zusammenspiel zahlreicher Organe und Sinneszellen. Die Augen vermitteln dem Gehirn die visuelle Wahrnehmung, der Tast- und Tiefensinn der Haut, der Gelenke, Muskeln und Sehnen, liefern zusätzliche Details, die im Hirnstamm verarbeitet und im Gehirn aufeinander abgestimmt werden.

    Dieser Gleichgewichtssinn ist wie das Gehör immer aktiv und sendet permanent Signale an das Gehirn, damit man weiß, in welcher Lage man sich gerade zu seiner Umgebung befindet. Nur dadurch ist es den Menschen überhaupt möglich, zu gehen, zu balancieren, zu schwimmen oder Fahrrad zu fahren. Wenn Menschen gehen oder stehen, den Körper aufrecht halten und Bewegungen koordinieren, vollbringt dieser Organismus daher Höchstleistungen, wobei das Gleichgewichtsorgan im Innenohr, der Gleichgewichtsnerv und die Nervenleitungen im Gehirn für jene Informationen sorgen, in welche Richtung sie sich bewegen. Dieser Vorgang läuft automatisch ab und und die in diesem Gehirnareal abgespeicherten Bewegungsabläufe setzen unbewusst ein, wobei man neue Bewegungen gezielt üben kann, bis sie irgendwann ebenso unbewusst verlaufen, etwa bei der Ausübung eines Sports.

    Das Gehirn kann diese Prozesse aber nur dann durchführen, wenn es genug Sauerstoff erhält, sodass eine mangelnde Sauerstoffzufuhr etwa bei hohem Luftdruck in großer Höhe oder beim Tauchen zu Störungen des Gleichgewichtssinns und daher zu Schwindel führt. Damit das Gehirn ausreichend Sauerstoff erhält, müssen Blutfluss, Blutdruck und Stoffwechsel normal sein, und auch das Blut selbst muss fließen können, also eine weder zu dicke noch zu dünne Konsistenz aufweisen.

    Manchmal jedoch wird der Gleichgewichtssinn verwirrt, wenn etwa die Sinnesorgane widersprüchliche Informationen an das Gehirn senden. Das ist z. B. der Fall, wenn der Körper sich nicht bewegt, die Augen aber Bewegung um sich herum wahrnehmen, etwa beim Karussellfahren. Wenn das Ringelspiel danach plötzlich stehen bleibt, dreht sich die Flüssigkeit im Innenohr, die man beim Drehen in Bewegung gesetzt habt, nach dem Stopp noch etwas weiter, etwa so, wie sich das Wasser in einem Glas nach dem Rühren noch weiter bewegt. Das Gleichgewichtsorgan dann dem Gehirn, dass wir uns noch drehen, aber die Augen melden sagen, dass wir still stehen. Das verwirrt das Gehirn und man empfindet ein Schwindelgefühl, wobei es sich bei Schwindel um eine Scheinbewegung handelt, d. h., es entsteht das Gefühl, dass sich die Umgebung beziehungsweise der eigene Körper dreht oder der Boden schwankt.


    Schwerkraft und Gleichgewichtsorgan: Frühere Studien haben übrigens gezeigt, dass die offenen Strukturen der Ventrikel tief im Gehirn, in denen Liquor cerebrospinalis produziert wird, sich bei Schwerelosigkeit erweitern. Der Liquor cerebrospinalis ist die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und befindet sich in den vier Hirnventrikeln (Kammern) des Gehirns und im Subarachnoidalraum. Der Subarachnoidalraum befindet sich zwischen zwei Hirnhautschichten (Arachnoidea mater und Pia mater), von denen sowohl das Gehirn als auch das Rückenmark umgeben sind. In einer Studie mit Astronauten, die die Internationale Raumstation besuchten, wurde jüngst festgestellt, dass sich die Flüssigkeit um das Gehirn während der Raumfahrt im Schädel neu verteilt. Der menschliche Körper ist offenbar so konstruiert, dass er am besten unter den Bedingungen der Schwerkraft der Erde funktioniert, und viele seiner Teile haben sich dabei so entwickelt, um auf diesen Zug nach unten zu reagieren. Diese biologischen Systeme ändern sich, wenn Menschen und andere Säugetiere einen längeren Zeitraum im Weltraum verbringen, wo eine Mikrogravitationsumgebung ein Gefühl der Schwerelosigkeit hervorruft. Auf der Erdoberfläche reagiert flüssiges und gelartiges Material im Körper auf die Schwerkraft auf eine Weise, die für das tägliches Funktionieren wichtig ist. Ein Ort, an dem dies vor allem geschieht, ist das Otolithenorgan, ein Teil des Vestibularsystems, denn der Otolith im Innenohr hilft dem Gehirn, Informationen zu erhalten, die ihm sagen, wie der Kopf ausgerichtet ist. Es besteht aus winzigen Kristallstrukturen, die Otokonie genannt werden und flach auf einem Gel im Innenohr liegen. Wenn der Kopf eine Bewegung wie das Herunterkippen auf eine Schulter ausführt, zieht die Schwerkraft die Otoconia-Kristalle über die Haare im Innenohr nach unten und sendet ein Signal an das Gehirn, dass der Kopf geneigt ist. In der Schwerelosigkeit reicht die Anziehungskraft jedoch nicht aus, um dem Gehirn mitzuteilen, dass der Kopf seine Position geändert hat, sodass die Kosmonauten die ersten Tage im Weltraum desorientiert sind, wobei eine längere Exposition gegenüber der Schwerelosigkeit bedeutet, dass sie eine Zeit der Anpassung an die Schwerkraft benötigen, wenn sie wieder auf die Erde zurückkehren. Da sich die Flüssigkeit um das Gehirn und die Wirbelsäule während der Raumfahrt nicht so bewegt wie auf der Erde, erleben die Kosmonauten während einer sechsmonatigen Mission eine Aufwärtsverschiebung ihres Gehirns und dass sich die Flüssigkeit um das Gehirn und die Wirbelsäule aufgrund der Schwerelosigkeit neu verteilt. Dies ist jedoch vorübergehend und reversibel, da Follow-up-Scans zeigten, dass das Gehirn fast vollständig zu dem zurückgekehrt war, wie es in Scans vor dem Flug aussah.


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