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Fovea

    Die Fovea – auch Sehgrube genannt – ist der Punkt des schärfsten Sehens auf der Netzhaut, um den herum die Zapfen des Auges gehäuft angeordnet sind. Dieser Bereich entspricht in etwa der Größe eines Daumennagels am Ende eines ausgestreckten Armes, sodass Objekte außerhalb dieser Fläche nur ein unscharfes Bild auf der Netzhaut ergeben. Alle Seheindrücke, die außerhalb der Fovea auf die Netzhaut treffen, werden hingegen zunehmend unscharf abgebildet, obwohl Menschen für gewöhnlich den Eindruck haben, einen Großteil der Umwelt scharf und detailliert wahrzunehmen. Physiologisch betrachtet ist scharfes Sehen für das menschliche Auge aber im gesamten Blickfeld unmöglich, denn nur dieser kleine Bereich im Zentrum der Netzhaut liefert scharfe Bilder, während der restliche Bereich vom Gehirn an Hand von früheren Erfahrungen konstruiert bzw. ersetzt wird.
    Wie das Gehirn dieses Scharf-Sehen erzeugt, haben Herwig & Schneider (2014) mit einem Experiment untersucht, wobei sie davon ausgehen, dass Menschen im Laufe ihres Lebens in unzähligen Blickbewegungen lernen, den unscharfen Seheindruck von Objekten außerhalb der Fovea mit dem scharfen Bild nach der Augenbewegung zu verknüpfen. Sieht eine Mensch etwa im Augenwinkel unscharf einen Ball, vergleicht das Gehirn dieses aktuelle Bild mit gespeicherten Bildern von unscharfen Objekten. Findet das Gehirn nun ein passendes Bild, ersetzt es den unscharfen Eindruck durch ein damit verknüpftes präzises Bild aus dem Gedächtnis. Mit Hilfe einer Eyetracking-Kamera – sie nimmt 1000 Bilder pro Sekunde auf – zeichneten Herwig & Schneider (2014) die schnellen, sprunghaften Augenbewegungen (Sakkaden) der Probanden auf, während sie gezielt einzelne bisher unbekannte Objekte veränderten. Schon nach wenigen Minuten verknüpften die Versuchsteilnehmer den unscharfen Seheindruck am Rande des Sehfeldes mit dem zugehörigen scharfen Bild, wobei das außerfoveale Bild den neu erlernten scharfen Seheindrücken immer mehr ähnelte. Die Experimente zeigten also, dass der Seheindruck wesentlich von gespeicherten Erfahrungen im Gedächtnis abhängt ist, wobei das Gehirn das unscharfe Bild bereits ersetzt, noch bevor sich der Blick tatsächlich auf das Objekt am Rande des Blickfelds hin bewegt. Man glaubt daher, einen peripher wahrgenommenen objektiv unscharfen Ball genau zu erkennen, obwohl das gar nicht der Fall sein kann. Dieses Experiment bestätigt übrigens auch die radikal konstruktivistische Annahme, dass Menschen nicht die aktuelle Welt sehen, sondern deren Vorhersagen bzw. Erwartungen an diese.

    Literatur
    Herwig, A. & Schneider, W. X. (2014). Predicting object features across saccades: Evidence from object recognition and visual search. Journal of Experimental Psychology, 143, 1903-1922.


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