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Zeitzellen

    Zeitzellen – time cells – sind Neuronen im Hippocampus und entorhinalen Cortex, die zu bestimmten Zeitpunkten innerhalb einer kognitiven Aufgabe oder Erfahrung feuern. Im Hippocampus und im entorhinalen Cortex von Nagetieren deuteten die in den letzten zehn Jahren gewonnenen Erkenntnisse darauf hin, dass Populationen von Zeitzellen im Hippocampus zeitliche Informationen kodieren könnten. Während viele Theorien der Gedächtniskodierung Zeitzellen als Quelle der zeitlichen Komponente des episodischen Gedächtnisses vermuten, sind sie bei menschlichen Untersuchungen bisher noch nie beobachtet worden. Umbach et al. (2020) identifizierten nun mit Hilfe intrakranialer Mikroelektrodenaufnahmen bei Epilepsiepatienten jüngst aber Zeitzellpopulationen im medialen Temporallappen des Menschen während der Gedächtniskodierung und -abfrage bei einem Test zur Erinnerung an die Reihenfolge von auf einem Bildschirm dargebotenen Wörtern, und konnten somit zeigen, dass die Stabilität des Zeitsignals, das von Zeitzellen während der Kodierung bereitgestellt wird, die Fähigkeit beeinflusst, Erinnerungen zum Zeitpunkt des Abrufs zeitlich zu ordnen. Sie zeigten auch, dass die Zeitzellenaktivität die zeitliche Organisation der abgerufenen Gedächtnisobjekte vorhersagen kann, indem man Hinweise auf eine ansteigende Zellaktivität fand, die eine komplementäre Art von zeitlicher Information darstellt. Eine frühere Studie hatte schon gezeigt, dass Menschen mit Hippocampus-Läsionen sich zwar an dieselben Ereignisse erinnern konnten wie andere Probanden, aber nicht an die genaue Reihenfolge, in der die Erinnerungen aufgetreten waren. Zeitzellen versehen offenbar die sich bildenden Erinnerungen mit einer Art Zeitstempel, was es Menschen ermöglicht, Ereignisabläufe oder Erfahrungen in der richtigen Reihenfolge abzurufen. Diese Befunde beweisen erstmals einen zellulären Mechanismus für die Repräsentation von Zeitinformationen im menschlichen Gehirn, die zur Bildung episodischer Erinnerungen benötigt werden. Man vermutet, dass dieser Indexierungsprozess dafür verantwortlich ist, kohärente episodische Erinnerungen an bestimmte wichtige Ereignisse zu bilden.

    Literatur

    MacDonald, C. J., Lepage, K. Q., Eden, U. T., & Eichenbaum, H. (2011). Hippocampal „time cells“ bridge the gap in memory for discontiguous events. Neuron, 71, 737–749.
    Umbach, Gray, Kantak, Pranish, Jacobs, Joshua, Kahana, Michael, Pfeiffer, Brad E., Sperling, Michael & Lega, Bradley (2020). Time cells in the human hippocampus and entorhinal cortex support episodic memory. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.2013250117.


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