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Salienz

    Salienz bzw. Auffälligkeit bedeutet in der Psychologie der Wahrnehmung, dass ein Reiz aus seinem Kontext hervorgehoben und dadurch dem Bewusstsein leichter zugänglich ist als ein nicht-salienter Reiz. Die Salienz eines Reizes bzw. eines Objektes oder einer Person bestimmt mit, worauf sich die menschliche Aufmerksamkeit richtet. Es gibt dabei eine reizinduzierte Vereinnahmung der Aufmerksamkeit, d. h., Objekte, die hinsichtlich bestimmter Merkmale salient sind, ziehen unabhängig von den Zielen des Wahrnehmenden die Aufmerksamkeit auf sich, etwa ein rotes Licht inmitten von grünen Lichtern Bei der selektive Aufmerksamkeit geht das Wahrnehmungssystem zielgesäuert vor, d. h., der Wahrnehmende schenkt aufgrund seiner Ziele oder seine Motivation bestimmten Objekten Aufmerksamkeit, wenn etwa einem hungrigen Menschen Lebensmittel eher auffallen als einem satten. Diese beiden Prozesse der Aufmerksamkeitssteuerung werden auch als Bottom-up- (die Aufmerksamkeit ist reizgesteuert und automatisch) und Top-down-Prozess (die Aufmerksamkeit wird absichtsabhängig gelenkt) bezeichnet.

    Die Salienz eines Reizes hängt unter anderem ab von seiner

    • Intensität, d. h., ein intensiver Reiz ist salienter als ein weniger intensiver
    • Neuigkeit, d. h., ein neuer Reiz ist salienter als ein altbekannter, und ein überraschender Reiz ist salienter als ein erwarteter
    • Bedürfnis-Relevanz, d. h., ein Reiz, der ein biologisches Bedürfnis befriedigt, ist salienter als ein Reiz, der biologisch irrelevant ist
    • Ökologische Validität, d. h., ein Reiz, der relevante Informationen über ein Objekt liefert, ist salienter als ein Reiz, der dies nicht tut
    • Bewegung, d. h., ein bewegtes Objekt zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich als ein ruhendes.

    In der Regel spielen beide Prozesse zusammen, doch es kann auch zu einer Konkurrenz von zwei Reizen kommen, wobei sich nach Ansicht von Experten meist die reizinduzierte Vereinnahmung gegenüber der zielgesteuerten Wahl durchsetzt.

    Im Salienzmodell von Itti et al. (1998) wird versucht, die spontane Zuwendung der Aufmerksamkeit und des Blicks zu erklären, wobei saliente Bildregionen die Aufmerksamkeit und den Blick bottom-up, also absichtsunabhängig anziehen. Dieses visuelle Salienzmodell wurde durch Untersuchungen angeregt, die eine gehirnseitig frühe und nach Merkmalen getrennte Verarbeitung visueller Merkmale wie Farbe oder Form, belegen.

    Vor einiger Zeit wurde die von Li Zhaoping stammende V1-Salienzhypothese in der neurowissenschaftlichen Community heftig debattiert, stellte diese doch einen Bruch zu früheren Ansichten dar, wie das Gehirn seine Aufmerksamkeit von einem Ort zum anderen verlagert. Ihre Salienzhypothese besagt, dass der primäre visuelle Cortex die unbewusste oder reflexive Änderung des Blickfeldes steuert, obwohl dieser im hinteren Teil des Gehirns lokalisiert ist, während doch das Frontalhirn gemeinhin als der klügste Gehirnabschnitt angesehen wird. Das Frontalhirn wäre demnach prädestiniert dafür, die schwierige Aufgabe der Aufmerksamkeitssteuerung zu übernehmen, die wiederum beeinflusst, wie Menschen die Welt wahrnehmen.

    Aus der Sozialpsychologie ist bekannt, dass Salienz ein wichtiger Faktor für Ursachenzuschreibungen ist. Wenn z. B. Angehörige von Minderheiten bestimmte Verhaltensweisen zeigen, wird dieses Verhalten von den übrigen Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit auf die Zugehörigkeit zu dieser Minderheit zurückgeführt als dasselbe Verhalten eines Mitglieds der Mehrheit auf die Zugehörigkeit zu ebendieser Mehrheit.

    Literatur

    Itti, Laurent, Koch, Christof & Niebur, Ernst (1998). A Model of Saliency-based Visual Attention for Rapid Scene Analysis. Pattern Analysis and Machine Intelligence, 20, 1254-1259.
    Zhaoping, L. (2019). A new framework for understanding vision from the perspective of theprimary visual cortex. Current Opinion in Neurobiology, 58, 1-10.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Salienz (14-03-07)
    https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/salienz (20-01-03)


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