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Zoom Fatigue

    Zoom Fatigue oder Zoom Müdigkeit bezeichnet die Müdigkeit und Erschöpfung von Menschen, die durch die Teilnahme an Videokonferenzen ausgelöst wird. In Zeiten zunehmender Digitalisierung steigt für viele Menschen die Frequenz, mit der sie an Video- und Webkonferenzen, Online-Meetings, Video-Chats oder Webinaren teilnehmen müssen. Es handelt sich dabei nicht um einen psychologischen Fachbegriff, sondern um ein zeitgeistiges Syndrom, das aus anderen psychologischen Phänomenen abgeleitet werden kann. Interessanterweise trägt die selbstfokussierte Aufmerksamkeit am meisten zum Erschöpfungsgefühl bei Frauen bei, ausgelöst durch die Selbstansicht bei Videokonferenzen. Diese selbstfokussierte Aufmerksamkeit bezieht sich auf ein erhöhtes Bewusstsein dafür, wie man bei anderen ankommt oder wie man in einem Gespräch erscheint. Schon frühere Forschungsergebnissen hatten gezeigt, dass Frauen eine größere Neigung zur Selbstfokussierung haben als Männer, wenn sie sich vor einem Spiegel befinden. Diese anhaltende Selbstfokussierung kann negative Emotionen hervorrufen (Spiegelangst).

    Nach dem Anbieter der Software Zoom bezeichnet sich demnach dieses relativ neue psychische Syndrom, das sich dank verstärkter Nutzung von Homeoffice und Telearbeit vor allem in jüngster Zeit weit verbreitet hat, denn solche Videokonferenzen und wesentlich mehr müde, als man das von Face-to-Face-Meetings kennt. Das liegt vor allem daran, dass Zoom, Skype, Facetime, Microsoft Teams und vergleichbare digitale Werkzeuge für Videokonferenzen die Konzentration des Einzelnen vor große Herausforderungen stellen.

    Genau genommen ist nicht das Tool für die Ermüdung ausschlaggebend, sodass es besser wäre, von einer Concentration Fatigue zu sprechen, denn das Problem ist die Schwierigkeit, die Konzentration im Zuge von Online-Meetings aufrecht zu erhalten. Das liegt daran, dass es fast keine Möglichkeit gibt, mentale Pausen einzulegen, die Übertragungsqualität von Bild und Ton ist oftmals nicht gleichbleibend, so dass einzelne Worte oder ganze Sätze verloren gehen und extrem aktives Zuhören erfordert. Die Latenz der Übertragung erschwert die Kommunikation, denn Menschen sind es gewohnt, auf eine Frage eine Antwort zu erhalten, sodass Nachfragen notwendig sind, Zwischenrufe und Unterbrechungen erfolgen. In manchen Situationen gelingt es einigenTeilnehmenden nicht einmal, sich an den entsprechenden Tools anzumelden, oder die Sessions werden nicht bzw. erst mit Verzögerung geladen. Dies führt oft zu einem erhöhten Stresslevel der Betroffenen. Je mehr Personen an einer Session teilnehmen, desto mehr Gesichter sind parallel zu sehen, wobei das menschliche Auge jede Bewegung erfasst und das Gehirn versucht, jede Information zu verarbeiten. Auch der permanente Wechse zwischen den Sprechenden erfordert permanentes Umschalten.

    Ein Grund für Probleme ist das Setting, also etwa die Kameraposition, denn in den meisten Fällen ist die Kamera so platziert, dass man nicht gleichzeitig auf den Bildschirm und in die Kamera schauen kann, was vor allem die Kommunikation über die Augen und generell das Nonverbale behindert. Wenn bei solchen Meetings die nonverbalen Zeichen fehlen, sieht man nicht, wie ein Gesprächspartner auf das, was man sagt, reagiert, denn es fehlen nonverbale Hinweise wie Mimik, kleine Gesten oder die Wahrnehmung der Haltung. Wenn man dann mit schnellem Blickwechsel versucht diesem Manko entgegenzusteuern, wird das im Vergleich zu Face-to-Face-Meeting sehr schnell anstrengend. Auch kann man in bewegten Bildern von der Größe einer Kreditkarte Menschen nicht richtig erkennen, was im normalen Gespräch auf natürliche Weise vermittelt wird, was eine ständige unbewusste Anstrengung beim Versuch erzeugt, die andere Person im Mikroformat doch zu lesen. Viele Menschen sind es auch nicht gewohnt, sich selbst dauerhaft im Bild zu sehen, was bei manchen Menschen zu mehr Kontrolle der eigenen Verhaltensweisen führt, bei anderen zu übertriebenen Gesten oder permanenter Mimik. Man ist bei einer solchen Videokonferenz also zu gleichen Teilen beobachtendes Subjekt und Objekt der Beobachtung. Wer anderen in die Augen sehen möchte, muss in die Kamera blicken, kann dabei die anderen Teilnehmer dabei nur noch peripher auf dem Monitor wahrnehmen. Obwohl die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Videochats den anderen nie wirklich in die Augen sehen können, hat das Gegenüber aber stets das Gefühl, beobachtet zu werden. Will man einem Diskussionsteilnehmer in die Augen schauen, das das wiederum zur Folge , dass der Gesprächspartner aus dem Blickwinkel gerät. Obwohl man aber bei Zoom permanent das Gefühl hat, dass man von allen betrachtet wird, weiß man, wer einen wirklich anschaut.

    Bei solchen Konferenzen gibt es auch selten Pausen zum Nachdenken, etwa für das Überlegen oder für Rückfragen. Hinzu kommt durch den ständigen Blick auf den Bildschirm auch eine Ermüdung der Augen. Dieses Phänomen der digitalen Augenbelastung ist allerdings schon seit den vielen Jahren der Bildschirmarbeit weit verbreitet (trockene Augen durch geringer Blinkfrequenz, Probleme bei der Wahrnehmung von Tiefe und Entfernung des Bildschirms), wobei typische Folgen dieser Computerarbeit schmerzende oder müde Augen, Kopfschmerzen, verschwommene Wahrnehmung, Schmerzen in den Muskeln der Schultern und des Nackens sind. Diese Effekte wirken sich noch stärker aus, wenn der Bildschirm etwa wie beim Smartphone oder Tablet zu klein ist und die Kopfposition oder der Abstand zum Bildschirm nicht angemessen gewählt werden kann.

    Man weiß auch, dass kleine Verzögerungen bei der Sprachübertragung (Asynchronität), die man bewusst kaum bemerkt, schwerwiegende Auswirkungen haben können, denn diese machen nach einschlägigen Untersuchungen die das gegenüber weniger sympathisch, lässt sie als weniger aktiv, als weniger glücklich, als weniger autonom, als weniger ehrgeizig und weniger diszipliniert erscheinen.

    Da das menschliche Gedächtnis assoziativ arbeitet, d. h., es verbindet Dinge, Inhalte, Erfahrungen mit der Umgebung, also etwa dem Raum, dem Geruch, der Stimmung, der Kleidung usw., kann es sich später auch viel weniger detailreich an solche Besprechungen erinnern. Hinzu kommt, dass wenn man den ganzen Tag in der eigenen Wohnung verbringt und nur von der Küche zum Laptop geht oder auf das Sofa umzieht, die externen Reize dafür durch die Wiederholung ausgehen, um Erinnerungen nachhaltig zu speichern. Je besser man nämlich die Umgebung kennt, in der man tätig ist, desto mehr Prozesse werden automatisch und unbewusst ausgeführt, sind also durch die täglichen Routinen wenig geeignet, einen Anker für Erinnerungen zu bilden.

    Da Zoom und auch vergleichbare Tools zusätzliche Kommunikationsmöglichkeiten und Funktionen anbieten, etwa dass Teilnehmende die Hand heben, Chatten, separate Räume betreten oder Abstimmungen durchführen können, fühlen sich viele überfordert, vor allem dann, wenn die Konzentration dafür über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden muss.

    Bei schulischen oder Universitäten Lehrveranstaltungen, die über solche Tools abgehalten werden, fehlt der soziale Ausgleich, denn Bildungsinstitutionen leben davon, dass man sich mit anderen austauschen oder über Konzepte von Angesicht zu Angesicht diskutieren kann, und man sich nicht in der Hauptsache von Lehrenden berieseln lassen muss, die am Computer ihre Vorlesungen abspulen.

    Dieses spezielles Ermüdungssyndrom Zoom Fatigue kann im Grunde auch bei Formen der privaten digitalen Interaktion entstehen, auch wenn in diesem Fall durch die meist geringere Anzahl an Beteiligten und die bestehende Beziehung die Beteiligten weniger belastet erscheinen.

    Tipp aus der Praxis: Zwar gibt es online in der Regel keinen Dresscode, doch weiß man, dass die Kleidung jedoch sowohl die Art und Weise, wie Menschen sich fühlen als auch wie sie wahrgenommen werden, verändern kann. Daher könnte es hilfreich sein, nach der Zoom-Session Freizeitkleidung anzulegen, um das eigene Stresserleben zu reduzieren, sodass nach dem Prinzip der Konditionierung das Unterbewusstsein im Lauf der Zeit Arbeits- und Freizeitkleidung unterschiedlich zuordnet und gewissermaßen das Gehirn aus- bzw. einschaltet, wenn man das Outfit wechselt.

    Zum Begriff: Zoom bezeichnet ein digitales Tool, das viele Unternehmen und Mitarbeiter für die Kommunikation bzw. die Arbeit im Homeoffice nutzen, und von einer kalifornischen Firma in einer kostenfreien und einer kostenpflichtigen Version angeboten wird, während der Ausdruck Fatigue Müdigkeit, Ermüdung oder Erschöpfung bedeutet.

    Zoom Meeting


    Literatur

    https://t2informatik.de/wissen-kompakt/zoom-fatigue/ (20-04-04)

    Bildquelle

    https://autorinnenkreisfederspiel.files.wordpress.com/2020/11/zoom.jpg?w=2048 (20-11-12)


    Studienautor Jeremy Bailenson hat in einer Analyse verschiedene Gründe für die Zoom-Müdigkeit sowie mögliche Heilmittel untersucht. Ihm zufolge ist der konstante Augenkontakt mit einer Vielzahl von Menschen häufig ein Stressfaktor. Auf dem Bildschirm scheinen die anderen auch deutlich näher zu sein, was diesen Effekt noch verstärkt. Als Lösung dafür sollten User Zoom nicht im Vollbildmodus lassen, außerdem sollten sie durch ein Keyboard weiter weg vom Bildschirm sitzen.
    Quelle: pressetext


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    Ein Gedanke zu „Zoom Fatigue“

    1. pressetext

      Studienautor Jeremy Bailenson hat in einer Analyse verschiedene Gründe für die Zoom-Müdigkeit sowie mögliche Heilmittel untersucht. Ihm zufolge ist der konstante Augenkontakt mit einer Vielzahl von Menschen häufig ein Stressfaktor. Auf dem Bildschirm scheinen die anderen auch deutlich näher zu sein, was diesen Effekt noch verstärkt. Als Lösung dafür sollten User Zoom nicht im Vollbildmodus lassen, außerdem sollten sie durch ein Keyboard weiter weg vom Bildschirm sitzen.

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