Zum Inhalt springen

Rassismus

    Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund einiger meist äußerlicher Merkmale, die eine bestimmte Abstammung vermuten lassen, als Rasse kategorisiert und beurteilt werden. Die dabei zur Abgrenzung herangezogenen Merkmale wie Hautfarbe, Körpergröße oder Sprache, zu denen teilweise auch kulturelle Merkmale wie Kleidung oder Bräuche zählen, werden im Rassismus dann als grundsätzlicher und bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften gedeutet und auch nach Wertigkeit eingeteilt. Dabei betrachten Rassisten alle Menschen, die ihren eigenen Merkmalen möglichst ähnlich sind, grundsätzlich als höherwertig, während alle anderen als geringerwertig eingeschätzt werden.

    Zwar ist der offen ausgelebte Rassismus in einer Gesellschaft größtenteils sozial geächtet, dennoch schleichen sich rassistische Bilder und Denkmuster in das Unterbewusstsein und beeinflussen so das Handeln vieler Menschen. Dennoch weisen die meisten Menschen den Vorwurf des Rassismus schnell von sich, doch wird etwa die Wahrnehmung von Menschen mit Migrationshintergrund durch die Bilder beeinflusst, die die Gesellschaft produziert und die sind im Zweifelsdall meist nicht positiv, denn so werden Nicht-Weiße Menschen sehr oft in einem problembehafteten Kontext dargestellt, etwa als Geflüchtete, Kriminelle, Hilfsbedürftige oder auch als Gefahr. Wenn dann noch hinzukommt, dass man wenig Kontakt zu dieser Bevölkerungsgruppe hat, dann entstehen durch diese Bilder Vorurteile, wobei es nicht überraschend ist, dass gerade in den Gegenden, wo besonders wenige Migranten leben, die Vorurteile besonders ausgeprägt sind. Dieser unbewusste Rassismus – auch als implicit bias benannt -, gehört zu Prozessen, die Menschen im Gehirn grundsätzlich die Arbeit erleichtern, denn dadurch werden Assoziationen zwischen verschiedenen Objekten hergestellt, um schnell Entscheidungen treffen zu können. Dieses „schnelle Denken“ trifft Urteile auf Grundlage unbewusster positiver oder negativer Bewertungen, die irgendwann im Leben abgespeichert worden sind.

    In der sozialpsychologischen Forschung wird zwischen herkömmlichen, traditionellen und unverhohlenen Formen des Rassismus und neueren Formen unterschieden. Dabei werden nicht die zunehmend sozial inakzeptablen und teilweise strafrechtlich verfolgten Rassismusformen untersucht, sondern die von einer breiteren Öffentlichkeit akzeptierten Formen des Rassismus gewählt, in denen vor allem eine subtile Rechtfertigungsstrategie enthalten ist, die den benachteiligten Minoritäten einen erheblichen Eigenanteil an ihrer desolaten individuellen, sozialen und ökonomischen Situation zuweist bzw. Rassismus gänzlich leugnet oder als Ausnahme darstellt. In der psychologischen Rassismusforschung hat man sich mit der Frage befasst, ob es psychologische Grundmuster gibt, die ein Anteil daran haben könnten, dass manche Menschen fremdenfeindlichen und rassistischen Argumenten relativ ungeprüft zugänglich sind. Es zeigte sich auch, dass Menschen über eine wohl evolutionär bedingte Neigung verfügen, Unterschiede zwischen der eigenen Gruppe und den Anderen zu machen, wobei diese natürliche Neigung überlebenswichtig sein konnte, denn man wollte einfach wissen, wem man trauen und mit wem man die verfügbaren Ressourcen teilen kann und wer der Feind ist. Voreingenommenheit und Vorurteile machen für viele Menschen die Welt einfacher und überschaubarer, d. h., man muss nicht jedes Mal darüber nachdenken, wem man nun trauen kann und wem nicht. Allerdings ist diese Unterscheidung zwischen Innengruppe und Außengruppe formbar bzw. verlernbar, denn das spezifische Vorurteil, das man gegenüber einer Rasse, einer Klasse, einer Religion, einem Geschlecht oder einer sexuellen Orientierung z. B. in der Sozialisation entwickelt hat, kann sich im Zusammenhang mit Erfahrungen ändern.

    In einem umstrittenen Experiment erklärte man alle Kinder mit blauen Augen für minderwertig und konnte damit aufzeigen, dass das Merkmal für eine Diskriminierung durchaus willkürlich gewählt werden kann. Durch eine wissenschaftlich klingende Erklärung, dass durch die blauen Augen mehr Licht in den Kopf der Kinder käme, was zu einer erhöhten Melatoninproduktion und dies wieder zu einer Minderung der Denkleistung führte, funktionierte dieses auf der Attributionstheorie basierende Ausgrenzungskonzept. Ähnlich wie der Film Die Welle zeigt dieses Experiment die Manipulierbarkeit von Menschen und die Empfänglichkeit für rassistische Einstellungen.

    Der Begriff Rassismus entstand am Beginn des 20. Jahrhunderts in der kritischen Auseinandersetzung mit auf Rassentheorien basierenden politischen Konzepten, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit anthropologischen Theorien über den Zusammenhang von Kultur und rassischer Beschaffenheit. Rassismus zielte dabei nicht auf subjektiv wahrgenommene Eigenschaften einer Gruppe ab, sondern stellt deren Gleichrangigkeit und im Extremfall sogar deren Existenzberechtigung in Frage. Das Konzept des Rassismus erfüllte politisch eine bestimmte Funktion, indem es eine verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede zum Nutzen einer Gruppen Menschen gegen andere Gruppen richtete, um damit seine Privilegien oder auch seine Aggressionen zu rechtfertigen. Dieses klassische Konzept des Rassismus war in der Epoche des europäischen Kolonialismus und Imperialismus bis nach dem Zweiten Weltkrieg vorherrschend, da man die Menschheit in eine Anzahl von biologischen Rassen mit genetisch vererbbaren Eigenschaften einteilte und die so verstandenen Rassen hierarchisch anordnete. Rassismus umfasste des Weiteren Ideologien und Praxisformen also letztlich auf der Basis einer reinen Konstruktion von Menschengruppen als Abstammungs- und Herkunftsgemeinschaften, denen kollektive Merkmale zugeschrieben wurden, die dabei implizit oder explizit bewertet und als nicht oder nur schwer veränderbar interpretiert werden.

    Es soll betont werden, dass Rassismus als Strukturierungsgröße gesellschaftlicher Realität gewissermaßen alle Mitglieder einer Gemeinschaft betrifft, denn beinahe in jeder Gesellschaft wird zwischen legitim natio-ethno-kulturell Zugehörigen und legitim nicht Zugehörigen unterschieden, wobei alle Menschen in einer Gesellschaft, also auch die, die Rassismus kategorisch ablehnen, letztlich in diesem System positioniert und von dieser Position betroffen sind. Alle Menschen machen diesbezüglich schon in ihrer Kindheit Erfahrungen in diesem Denkmuster, entwickeln psychosoziale Dispositionen, abhängig von ihrer Position im System solcher konstruierten Unterscheidungen. Solche Zugehörigkeitserfahrungen in einer strukturierten Gesellschaft haben nicht allein etwas mit Teilhabemöglichkeit zu tun, sondern sind durchaus körperliche Erfahrungen, die in der Folge zu einem Habitus werden. Die Normalität des Rassismus besteht somit darin, dass die Gegebenheit rassistischer Vorkommnisse und Strukturen, insofern etwas Gewöhnliches darstellt, wenn im Allgemeinen kein weiteres Aufhebens darum gemacht wird, d. h., man hat sich an eine solche rassistische Diskriminierung gewöhnt, durchaus auch im Sinne einer Toleranz oder im Sinne einer Ignoranz.

    Es gibt in Bezug auf Rassismus auch eine strukturelle Abwehr des Sprechens über Rassismuserfahrungen, die dabei eine doppelte Abwehr ist, denn diejenigen, die von Rassismus symbolisch und faktisch profitieren, haben eine selbstverständliche Scheu, Rassismus zu thematisieren, weil sie damit ihre symbolische und faktische Bevorteilung thematisieren müssten, während diejenigen, die Rassismuserfahrungen machen, eine Scheu haben, in öffentlichen Kontexten überhaupt Rassismus zu thematisieren, weil sie sich dann mit der Wirklichkeit ihrer Deprivilegierung auseinandersetzen müssten, und dies oft in einem Kontext, der ihnen gegenüber nicht immer sehr freundlich gestimmt ist.

    1965 wandten sich die Vereinten Nationen im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung gegen jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz definierte schließlich Rassismus als die Überzeugung, dass ein Beweggrund wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft die Missachtung einer Person oder Personengruppe oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber einer Person oder Personengruppe rechtfertigt.

    Eine Studie von Gollwitzer et al. (2017) hat einen Zusammenhang zwischen zwanghaftem Ordnungssinn und Rassismus sowie auch Homophobie nachgewiesen, wonach eine Neigung zu ästhetischer Uniformität, die als Besessenheit für Sauberkeit und Symmetrie auftreten kann, eine Grundlage für dementsprechende Vorurteile bilden kann. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen führten Experimente durch, in denen man den Zusammenhang zwischen der Abneigung gegen unvollständige Muster und der Tendenz zur Stigmatisierung von Individuen untersuchte. Den Probanden, Kinder und Erwachsene aus China und den USA, wurden dabei zahlreiche Gegenstände, unregelmäßige Formen oder unterbrochene Mustern vorgelegt, aber auch Szenen, in denen Ordnungssinn gefragt war. Zusätzlich wurden die Reaktionen der Probanden und Probandinnen auf Schwarze, Übergewichtige sowie Menschen mit Hautkrankheiten und niedrigem bzw. hohem Intelligenzquotienten ausgewertet. Dabei war die Korrelation zwischen Musterabweichung und der Abneigung gegen soziale Abweichung deutlich und unabhängig von der Kultur. Traditionelle Erklärungsmuster von Vorurteilen und Diskriminierung wie ein Gefühl der Bedrohung oder Gefährdung werden dadurch aber nicht widerlegt.

    Literatur

    Gollwitzer, A., Marshall, J., Wang, Y. & Bargh, J. A. (2017). Relating pattern deviancy aversion to stigma and prejudice. Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-017-0243-x.
    Mecheril, Paul (2007). Die Normalität des Rassismus. Transkript eines Vortrags auf der Sitzung des IDA-NRW Beirats im MGFFI am 15. Mai. Universität Bielefeld.
    Zerger, J. (1997). Was ist Rassismus? Göttingen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus (14-02-07)
    https://www.dgpp-online.de/home/themen-der-positiven-psychologie/positive-psychologie-gegen-fremdenfeindlichkeit-und-rassismus/ (14-02-07)
    http://www.diversity-works.de/workshops/blue_eyed_workshop/blue_eyed_das_konzept/ (17-12-14)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::