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Typenlehre

    Seit Beginn der psychologischen Forschung ist die Typenlehre bzw. der Typenansatz ein beliebtes Modell, doch wurden im Laufe der Jahre  Typentests insbesondere in nichtwissenschaftlichen Bereichen verstärkt dazu verwendet, Menschen bestimmten Gruppen zuzuordnen. Typisierungen mit vier Buchstaben, Farben oder Symbolen sollten dabei vermeintlich helfen, schnell verschiedene Menschen voneinander zu unterscheiden. Solche Zuordnungen auf Grund von Tests vor allem im Bereich der Persönlichkeit sind aber nicht zuverlässig und wurden in der Psychologie seit jeher kritisch betrachtet, vor allem deshalb, da es in der wissenschaftlichen Psychologie einen breiten Konsens darüber gibt, dass man Persönlichkeitsmerkmale eher als Dimensionen verstehen sollte, d. h., Persönlichkeit ist ein Kontinuum.

    Historisch gesehen hat die Persönlichkeitspsychologie ihre Wurzeln aber in typologischen Theorien, die die Menschen nach einfachen Kriterien in verschiedene Klassen einteilten, zumeist aufgrund äußerlicher, körperlicher Merkmale. Der bekannteste derartige Ansatz einer sogenannten „Konstitutionstypologie“ ist die Typenlehre von Kretschmer, er unterschied drei Körperbauten:

    • Pykniker (kurzer und gewölbter Rumpf, eher kurze Extremitäten, großer und runder Kopf, breites, weiches Gesicht)
    • Leptosome (Rumpf und Extremitäten schlank und schmal, schmales und spitzes Gesicht, hageres, sehniges Oberflächenrelief)
    • Athletiker (trapezförmiger Rumpf, kräftiges Knochen- und Muskelrelief, große Hände und Füße, derbes, konturenreiches Gesicht)

    1. Definition

    „Ty|pen|leh|re, die <o. Pl.> (bes. Psych.): Typologie (1): Er befaßte sich mit der T. Kretschmers (Meckel, Suchbild 60)“ (Brockhaus Enzyklopädie, 1995, S. 3477).

    2. Definition

    Typologie oder Typenlehre. Allgemeine Bezeichnung für Ansätze, die versuchen, durch (meist polar angeordnete) ,Typen‘ somatische und/oder psychische Eigenschaftskomplexe aufeinander zu beziehen. Als Ausgangspunkt dienen dabei jeweils verschiedene ® Eigenschaften, z. B. ,Wertgerichtetheiten‘, Körperbau- und Temperamentseigenschaften, kognitive Stile u. ä. In der modernen Forschung sind die klassischen Typologien weitgehend durch den Bezug auf Faktoren oder Dimensionen ersetzt (vgl. Fröhlich, 1993, S. 409).

    3. Definition

    Typologische Theorien beruhen auf der häufig zu machenden Erfahrung, daß trotz der unübersehbaren Fülle menschlicher Charaktereigenschaften bei einem Menschen ein Charakterzug dominiert, daß er seine gesamte Persönlichkeit prägt. Zeigen andere Menschen in auffälliger Weise gleiche oder ähnliche Eigenschaften, ordnet man sie sogleich diesem „Typus“ zu. So versucht man dann, alle Menschen dem einen oder anderen von relativ wenigen Grundtypen zuzuordnen (vgl. Heil, 1973, S. 88f).

    4. Definition

    „Typus ist die Bezeichnung für eine Verbindung von Merkmalen, die einer Gruppe von Individuen gemeinsam sind, bzw. für ein Individuum, welches alle Merkmale der Gruppe in optimaler oder maximaler Ausprägung aufweist […] Die psychologischen Typenlehren umfassen: a) partialtypologische Ansätze, z. B. Temperamentstypen, Auffassungstypen, Aufmerksamkeitstypen b) totaltypologische Ansätze, die wiederum unterteilt werden in 1) biologisch fundierte Typologien […] 2) funktionspsychologische Typologien […] 3) gestaltspsychologische Typologien“ (Dietrich & Walter, 1970, S. 282f).

    5. Definition

    „Typen- und Eigenschaftstheorien machen Annahmen über grundlegende und allgemeine Eigenschaften, welche das Verhalten determinieren. Sie versuchen, mit quantitativen Methoden diese grundlegenden Dimensionen zu ermitteln (Asanger & Wenninger, 1980, S. 326).

    6. Definition

    „Von einer Typenlehre spricht man, wenn bestimmte Typenkategorien systematisch auf bestimmte Verhaltensmuster bezogen werden mit dem Ziel, auf Grund beobachtbarer Kategorien nicht beobachtbare Verhaltensdeterminanten zu erschließen bzw. das Verhalten vorhersagen zu können (® Persönlichkeitsdiagnostik)“ (Häcker & Stampf, 1998, S. 895).


    Freudenstein et al. (2019) haben jüngst eine Studie zu Typentests, die auf der Auswertung der Daten von mehreren Hunderttausend Personen basiert, überprüft, wobei die Autoren dieser Studie überzeugt waren, mittels Algorithmen vier stabile Persönlichkeitstypen nachgewiesen zu haben. Man wertete den Datensatz nun ein zweites Mal aus und kam zu einem anderen Ergebnis, wobei man speziell darauf geachtet hat, ob jede Person einem der vier Persönlichkeitstypen zugeordnet werden kann, und falls ja, wie sicher diese Zuordnung ist. Es zeigte sich, dass lediglich 42 Prozent der Menschen einem der vier Typen zugeordnet werden konnten, wobei die Sicherheit dieser Zuordnung ungefähr so wahrscheinlich war wie der Ausgang eines Münzwurfs. Damit zeigt sich, dass sich Persönlichkeitstypen selbst mit modernsten Methoden und riesigen Datensätzen nicht sicher bei einzelnen Menschen nachweisen lassen, sodass es etwa im Bereich Human Ressources wie bei der Auswahl von geeigneten BewerberInnen nicht empfehlenswert ist, auf Typentests zu bauen, denn die Typisierung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht korrekt.

    Literatur

    Brockhaus-Enzyklopädie – 19. völlig neu bearb. Aufl. (1995). Typenlehre S. 3477. Mannheim: Brockhaus.
    Freudenstein, Jan-Philipp, Strauch, Christoph, Mussel, Patrick & Ziegler, Matthias (2019). Four personality types may be neither robust nor exhaustive. Nature Human Behaviour, doi:10.1038/s41562-019-0721-4.
    Fröhlich, W. D. (1993). Wörterbuch zur Psychologie. München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG.
    Heil, K. D. (1973). Programmierte Einführung in die Psychologie. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt.
    Dietrich, G. & Walter, H. (1970). Grundbegriffe der psychologischen Fachsprache. München: Ehrenwirth Verlag.
    Asanger, R. & Wenninger, G. (1980). Handwörterbuch der Psychologie. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
    Häcker, H. & Stapf, K. (1998). Dorsch Psychologisches Wörterbuch. Bern: Verlag Hans Huber.


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