Zum Inhalt springen

religiöse Konversion

    Konversion bezeichnet ganz allgemein einen Religionswechsel, Glaubenswechsel  oder Bekenntniswechsel bzw. die Übernahme von neuen Glaubensgrundsätzen, religiösen Traditionen und Bräuchen sowie möglicherweise auch anderen Teilen der mit der fremden Religion verbundenen Kultur durch eine konvertierende Person, die Konvertitin bzw. den Konvertiten.

    Aus Sicht der Psychologie wurzeln religiöse Konversionen meist in der Persönlichkeit (Identitätskonflikt), denn eine Konversion kann Ausdruck des Wunsches sein, solche Konflikte dadurch zu lösen. Häufig sind persönliche Krisen der Auslöser für einen Religionswechsel. Allerdings zeigen sich bei vielen Konvertiten im Vorfeld konkrete psychosoziale Belastungen, Lebenskrisen und emotionale Probleme, die bis in die Kindheit oder Jugend zurückreichen können, wobei die Motive für eine Konversion manchmal auch vielfältiger sind als nur der Versuch einer Lebensbewältigung. Hinzu kommen oft der Wunsch nach Zugehörigkeit und sozialer Integration bzw. die Suche nach religiöser Orientierung. Die frühere Annahme, dass es sich bei Bekehrungen typischerweise um ein Adoleszenzphänomen handelt könnte, konnte bisher nicht bestätigt werden. Auch konnten keine charakeristischen Persönlichkeitsmerkmale gefunden werden, die eine Konversion generell begünstigen, doch deuten empirische Ergebnisse darauf hin, dass die spezifische Passung von individueller Persönlichkeit und Biographie mit dem religiösem Angebot einer Gemeinschaft für eine Konversion und deren Verlauf bedeutsam sein können. Das traditionelle Paradigma der Konversionsforschung hatte bisher dem Bekehrten eine eher passive Rolle zugewiesen, doch neuere Theorien betonen eher die aktive Beteiligung der Konvertiten.

    Konvertiten suchen entweder aktiv nach Sinn und Zielen im Leben oder sind einfach nur überwältigt von einer Begegnung mit dem Heiligen, wobei nicht selten intensive Gefühle von Sündhaftigkeit und Wertlosigkeit mit einem solchen Konversionsprozess überwunden werden sollen. Was Konvertiten gerne als Wirkung der Gnade beschreiben, manifestiert sich aus psychologischer Sicht vor allem als vermeintlicher Energiegewinn infolge einer erhöhten Integration der vorhandenen psychischen Energien, die zuvor eventuell eher verteilt waren. Ein solcher konvertierter Mensch erlebt sich dann zugleich als berufen als auch innerlich bewegt – ein Movebo-Effekt in Analogie zum Placebo-Effekt (Sloterdijk, 2009).

    Eine Konversion kann übrigens plötzlich oder graduell erfolgen, das gesamte Überzeugungssystem betreffen oder auch nur Teile davon, den Beitritt zu oder Wechsel einer Gemeinschaft beinhalten und in unterschiedlichem Maß mit Veränderungen der persönlichen Beziehungen, des Lebensstils und des Selbstkonzeptes einhergehen. Die Religionspsychologie erforscht vowiegend die verschiedenen Stadien einer Konversion, also die Motive, den Prozess der Konversion und die daraus resultierenden Konsequenzen. Auch der Prozess des Ausstiegs aus einer Religionsgemeinschaft (Dekonversion) und auch ein genereller Abfall von einem Glauben sind zentrale Themen. Konversion kann man übrigens als eine Form religiösen Copings betrachten, aus psychoanalytischer Sicht werden Bekehrungen in der Regel als Versuche interpretiert, überdauernde, unbewusste innerpsychische Konflikte zu lösen. Aus der Konversionsforschung weiß man auch, dass es Menschen sind, die Orientierung suchen, denn viele wuchsen in Familien auf, in denen Religion keine große Rolle spielte.

    Konversionen in eine neue Gemeinschaft werden von diesen Gruppen oft als Bestätigung der eigenen Wahrheit angesehen, wobei vor allem extreme religiöse Gruppen solche Über- bzw. Eintritte besonders feiern. Oft gibt es eine Art Kult um Konversionen, so nach dem Motto: Wir sind auf der Gewinnerseite und die anderen verlieren. Wenn Konvertiten dann in den neuen Gemeinden sind, wollen sie oft mehr als hundertprozentigin deren Sinn leben, um nur ja alle Gebote zu erfüllen bzw. oft sogar überzuerfüllen (kompromisslose Prinzipienreiter). Besonders wichtig ist für sie aber auch die Spiritualität, d. h., sie wollen entsprechend den neuen Regeln leben, beten und sind begierig nach einschlägigen Schriften. Ihr Verhalten hat dann häufig den Anschein von Sektierertum bzw. Fundamentalismus.

    In der Psychoanalyse ist die Konversion grundsätzlich ein Abwehrmechanismus für psychische Konflikte, wobei Betroffene dabei körperliche Symptome entwickeln, die symbolisch für den psychologischen Konflikt stehen. Vor allem Belastungssituationen können Konversionen hervorrufen, wobei ängstliche Menschen generell konversionsanfälliger sind, d. h., die entstehenden Symptome sind nicht nur situations- sondern auch persönlichkeitsabhängig. Siehe auch Konversionsneurose.

    Literatur

    Sloterdijk, P. (2009). Du mußt dein Leben ändern: Über Anthropotechnik. Suhrkamp Verlag.
    Stangl, W. (2016). Stichwort: ‚Konversion‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    WWW: https://lexikon.stangl.eu/4412/konversion/ (16-02-16)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Konversion_(Religion) (16-12-03)
    https://religionspsychologie.de/inc/download/murken+namini2006.pdf (16-12-03)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::