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Charisma

    Ronald Riggio hat den ein Social Skill Inventory entwickelt, um mit neunzig Fragen das Charisma von Menschen zu erfassen. Drei Hauptkomponenten werden von dem Instrument erfasst: Expressivität, Kontrolle und Sensitivität, jede mit einer emotionalen und einer sozialen Facette. Soziale Expressivität beschreibt die Fähigkeit, sicher und eloquent öffentlich aufzutreten, zu sprechen und andere mühelos in Gespräche zu verwickeln, emotionale Expressivität ist das Talent, Gefühle unvermittelt und authentisch auszudrücken und an andere weiterzugeben, wobei charismatische Menschen das besonders gut mit positiven Gefühlen können. Ein wichtige Rolle spielt dabei auch die Synchronizität, also die Anpassung in Geste und Gesichtsausdruck an das Gegenüber, was sympathisch macht.  Soziale Kontrolle bedeutet, sich schnell auf sehr unterschiedliche Menschen und Situationen einstellen zu können und sein Verhalten anzupassen, während emotionale Kontrolle die Fähigkeit erfasst, die eigenen Gefühle und Gefühlsausdrücke gut zu kontrollieren. Sensitivität schließlich ermöglicht es charismatischen Menschen, schnell sehr tiefe emotionale Verbindungen zu anderen aufzunehmen, wobei die soziale Komponente dafür sorgt, dass sie die Stimmung und Atmosphäre in Gruppen schnell erfassen und sich taktvoll auf sie einstellen, während die emotionale sie wohlwollend und einfühlsam auf Einzelne zugehen und vermittelt ihnen das Gefühl lässt, in diesem Moment der einzig Wichtige zu sein. Diese sechs Fähigkeiten sind Riggio zufolge die Grundpfeiler des Charismas, wobei sie nicht nur vorhanden sein müssen, sondern auch in ihrer Ausprägung genau ausbalanciert sein.

    Tskhay et al. (2017) haben jüngst in einer Untersuchung gezeigt, dass auch die Antworten auf sechs einfache Aussagen, die auf einer einer Skala von 1 bis 5 bewertet werden, ebenfalls zeigen können, wie charismatisch Menschen auf andere wirken. Die Fragen lauten „Ich bin jemand, …

    … der in einem Raum präsent wirkt
    … der die Fähigkeit hat, andere zu beeinflussen
    … der weiß, wie man eine Gruppe führt
    … dem es gelingt, dass Menschen sich wohlfühlen
    … der Menschen häufig anlächelt
    … der sich mit anderen gut versteht.

    Der Durchschnitt bildet den Charisma-Wert. Wenn diese höher liegt als 3,7, ist man charismatischer als der Durchschnitt. Zur Überprüfung sollte man sich jemand anderem bewerten lassen, wobei die persönliche Bewertung im allgemeinen mit der Wahrnehmung anderer Menschen gut übereinstimmt. Es gibt demnach zwei entscheidente Faktoren für Charisma: den Einfluss, also die Führungsfähigkeit und Präsenzstärke, und die Freundlichkeit, also Sympathie und Offenheit.

    Charisma bei Führungskräften

    Vergauwe et al. (2017) haben herausgefunden, dass die Wirkung von Führungskräften mit zu viel Charisma eher gering ausfällt, wobei das Gleiche gilt, wenn Vorgesetzte zu wenig davon zeigen. Charisma wird dabei als eine Verbidnung von vier Persönlichkeitsmerkmalen definiert: Kühnheit, Verschmitztheit, Vielseitigkeit und Einfallsreichtum. Mittels Fragebögen ermittelte man die Charisma-Werte von Führungskräften und ließ deren Effektivität bzw. Arbeitsleistung von Kollegen und Mitarbeitern bewerten. Unter den hohen Charismatikern litten die Leistungen ihrer Teams, weil diese Führungskräfte bei der Verteilung konkreter Aufgaben eher schlampig waren, während sich bei den nicht charismatischen Führungskräften sich die Leistung der Mitarbeiter minderte, weil diese keine Visionen vermitteln und Angestellte mitreißen können. Führungskräfte mit mittlerer Ausstrahlung motivieren hingegen ihre MitarbeiterInnen eher, konkrete Aufgaben zu erledigen und zugleich langfristige Visionen anzunehmen. Die perfekte Führungskraft verfügt demnach über ausreichend Charisma, ohne gleich die Aura eines Heilsbringer auszustrahlen.


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    Denk gut über dich: Wir strahlen aus, was wir von uns denken – sogar dann, wenn wir uns nach außen hin bemühen, selbstsicher zu erscheinen oder ein bestimmtes Image zu vermitteln. Microexpressions, winzige Regungen etwa in der Mimik, verraten unserem Gegenüber die Wahrheit, und das sogar in Sekundenschnelle. Deshalb beginnt Charisma im Kopf. Stoppe konsequent jeden negativen Gedanken über dich, etwa „Bestimmt finden die mich langweilig“ oder „Das kapiere ich nie“. Am Anfang erfordert es viel Disziplin, aber bald wird die Änderung der Gedanken zur Routine.

    Entwickle Begeisterung: Nur wer begeistert ist, kann andere begeistern: Begeisterung lässt uns strahlen und unsere Augen leuchten. Leider wird sie seit Kindertagen gedämpft. Sie lässt sich jedoch neu entfachen, indem wir unsere Arbeit und unsere Mitmenschen einmal unvoreingenommen wahrnehmen. Dabei hilft die „Als-ob-Methode“. Wenn du etwas Langweiliges erledigen musst, tu so, als ob es dir Spaß macht. Übertreib ruhig ein bisschen. Du wirst sehen, dass du auf diese Weise deine Wahrnehmung von Situationen und Menschen verwandelst.

    Achte auf deine Körpersprache: Unsere Haltung und Gestik können wir bewusst steuern. Dabei gilt die Faustregel: Offene Gesten wirken einladend und sympathisch, geschlossene dagegen abweisend. Eine typische geschlossene Geste sind vor der Brust verschränkte Arme, die sogenannte „Armbarriere“. Diese Position nehmen wir gerne ein, wenn wir unsicher sind oder uns schützen wollen. Ähnlich wirken auch hinter dem Rücken versteckte Hände und verschlungene Finger. Entsprechend negativ kommen solche Signale bei unserem Gesprächspartner an. Deshalb: Achte darauf, dass du dich nicht „verbarrikadierst“, bleibe bewusst offen und locker.

    Zeige Gefühle: Cool zu sein, heißt nicht, ein Pokerface aufzusetzen und nur ja keine Emotionen zu zeigen. Heute weiß man: Gefühle sind auch im Job kein lästiges Übel, sondern eine wichtige Ergänzung zu unserem rationalen Denken. Verlässliche Beziehungen und Vertrauen werden über Gefühle erreicht. Deshalb ist es wichtig, sie zu zeigen – allerdings nicht ungefiltert. Freude, Traurigkeit oder Ärger sollten mit einer sogenannten „selektiven (ausgewählten) Offenheit“ vermittelt werden: Dazu überprüfst du, inwieweit dein Gefühlsausdruck zu deinem Gegenüber und der Situation passt.

    Sei verbindlich: Oft betrachten wir die kleinen Freundlichkeiten des Alltags als Zeitverschwendung. Doch Höflichkeit und Diplomatie sind das Öl im zwischenmenschlichen Getriebe. Freundlich zu sein ist keineswegs ein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke und von Klugheit. Denn wer weiß, wie sie sich am Ende auswirkt? Schon so manche Karriere ist daran gescheitert, dass sich jemand arrogant gegenüber einer scheinbar unwichtigen Person verhalten hat – und die saß später an entscheidender Stelle. Also: Charismatische Menschen sind liebenswürdig, zu allen!

    Interessier dich für andere: Seien wir ehrlich: Jeder Mensch findet sich selbst am wichtigsten. Die logische Folge ist: Wenn du dich für andere interessierst, steigt automatisch dein Sympathiefaktor. Dazu öffnet dir die Kunst des Smalltalks Türen. Nur kein Stress, du musst keine brillante Bemerkung machen. Stell einfach eine offene Frage, die dein Gegenüber zum Reden bringt. Zum Beispiel: „Wie gefällt dir denn Hamburg?“ oder „Ihr Projekt soll ja gut laufen. Das ist gewiss viel Arbeit?“. Und dann hör interessiert zu. Charismatische Menschen sind vor allem gute Zuhörer.

    Entwickle deinen Stil: Die gute Nachricht: Stil ist mehr wert als angeborene Attraktivität, denn er wirkt ein Leben lang. Am direktesten zeigt sich Stil in der Kleidung. Sogar bei festgelegtem Dresscode sind persönliche Elemente möglich. Niemand sollte glauben, er könne dank seiner Kompetenz darauf verzichten. Denn der erste Eindruck entsteht in Sekunden und lässt sich später nur schwer revidieren. Um einen persönlichen Stil zu entwickeln, frage dich: Wer bin ich? Wie bin ich? Wie möchte ich von anderen gesehen werden?

    Ecken und Kanten zeigen: Persönlichkeiten mit Charisma sind nicht pflegeleicht. Sie wollen nicht jedem gefallen und passen sich nicht allzu sehr an. Vor allem aber handeln sie nach ihren eigenen ethischen Maßstäben. Wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind, sagen sie klar und deutlich ihre Meinung. Das heißt keineswegs, dass sie arrogant, ruppig oder verletzend sind. Wahrheiten lassen sich schließlich auch diplomatisch verpacken. Stehe zu deinen Werten und mache den Mund auf, wenn sie verletzt werden.

    Gehe Risiken ein: Es geht hier nicht um gefährliche Sportarten oder darum, dass du dein Konto überziehst. Gemeint ist eher, dass du immer mal wieder aus der Routine ausbrichst. Die macht nämlich langweilig und uncharismatisch. Dagegen hilft es, die eigenen Grenzen zu erweitern. Verlasse mindestens einmal täglich deine Komfortzone und überwinde bewusst Hemmungen und Bequemlichkeit. Wann das angesagt ist, zeigt dir dein Impuls, etwas zu vermeiden – zum Beispiel, wenn du dich vor einem schwierigen Telefonat drücken möchtest. Genau dann solltest du das kleine Risiko eingehen und zum Hörer greifen.

    Übernimm Verantwortung: Führungskräfte mit Charisma lamentieren nicht, sie handeln. Wenn etwas schief geht, schieben sie die Schuld nicht auf die Umstände oder die anderen. Das gilt sogar dann, wenn sie kaum etwas für die Missstände können. Es gibt nämlich immer einen speziellen Anteil an der jeweiligen Situation, und den gilt es herauszufinden. Frage dich zum Beispiel: Wo habe ich jemandem erlaubt, mich so zu behandeln? Wo habe ich mir etwas schöngeredet? Wo habe ich schon im Ansatz Probleme ignoriert? Genau da liegt der Ansatzpunkt, etwas zu verändern.


    Zum Begriff: Der Ausdruck Charisma findet sich ursprünglich vor allem in der jüdisch-christlichen Tradition und bezeichnet dort die von Gott dem Menschen geschenkten Güter, wobei durch das Wort das Wohlwollen als Motivation der Gabe betont wird. In der Soziologie benutzte Max Weber den Begriff „Charisma“, um eine der von ihm unterschiedenen drei Formen der Herrschaft zu bezeichnen – neben „traditionaler“ und „rationaler“ Herrschaft (charismatische Herrschaft). Im Anschluss an Weber bezeichnet Charisma eine soziale Beziehung von Herrschaft, welche die Sozialstruktur grundlegend verändert, eine außeralltägliche „revolutionäre Macht“, und zwar so, wie sie von den charismatisch Beherrschten, den Anhängern („Jüngern“), gewertet wird.

    Literatur

    Riggio, Ronald E. (1986).  Assessment of basic social skills. Journal of Personality and Social Psychology, 51, 649-660.
    Riggio, R.E. (2011). The Social Skills Inventory (SSI): Measuring nonverbal and social skills. In V. Manusov (Ed.). The sourcebook of nonverbal measures: Going beyond words. (pp. XX-XX). Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Charisma (11-02-21)
    Tskhay, K. O., Zhu, R., Zou, C. & Rule, N. O. (2017). Charisma in Everyday Life: Conceptualization and Validation of the General Charisma Inventory. J Pers Soc Psychol, doi: 10.1037/pspp0000159.
    Vergauwe, J., Wille, B., Hofmans, J., Kaiser, R. B. & De Fruyt, F. (2017). The double-edged sword of leader charisma: Understanding the curvilinear relationship between charismatic personality and leader effectiveness. Journal of Personality and Social Psychology.
    Wlodarek, E. (2019). Ein 10-Punkte-Programm für mehr Charisma.
    WWW: https://www.e-fellows.net/Karriere/Beruf-und-Karriere/Business-Knigge-und-Skills/Selbstmarketing/Zehn-Tipps-fuer-mehr-Charisma/(page)/all (19-11-11)


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