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Dampfkesselmodell

    Das Dampfkesselmodell (steam boiler model) geht auf Konrad Lorenz zurück und nimmt einen angeborenen Aggressionsinstinkt oder -trieb an, der beim Menschen die gleichen Funktionen wie bei den Tieren innerhalb einer Art erfüllt, und der Verteilung des Lebensraumes bzw. der Arterhaltung dient, etwa durch Rivalität um Paarungspartner, Verteidigung der Nachkommen oder Bildung einer sozialen Rangordnung. Nach diesem Modell entstehen kontinuierlich aggressive Impulse aus einer inneren Triebquelle und bedürfen periodisch der Ausführung durch einen äußeren Reiz oder der spontanen Entladung zur Spannungsreduktion. Wenn eine bestimmte Schwelle überschritten wird, kommt es zur Entladung, wobei nach der Abreaktion solange Ruhe herrscht, bis wieder ein gewisser Dampfdruck erreicht wird. Im Extremfall kann es sogar ohne äußere Auslöser zur aggressiven Abreaktion kommen (Leerlaufreaktion), d. h., ein Individuum wird nicht aggressiv, weil ihm etwas Ärgerliches widerfahren ist, sondern weil der spontane Trieb sich entladen muss.

    Aus diesem Modell folgert Lorenz, dass es auch keinen Sinn macht, etwa durch Erziehung auf das Aggressionsverhalten einzuwirken, vielmehr sollte der Mensch seinen Aggressionstrieb ersatzweise befriedigen, wie es etwa beim Militär oder im Kampfsport praktiziert wird. Eine Gesellschaft muss nach dieser Auffassung entsprechende Anreize bieten, die es den Menschen ermöglichen, ihre Aggressionen zu entladen. Seiner Meinung nach leidet der Mensch der Gegenwart unter ungenügendem Abreagieren aggressiver Triebhandlungen, sodass es immer wieder zu unkontrollierten Ausbrüchen kommen muss.

    Damit vertritt Lorenz eine ähnliche triebtheoretische Auffassung wie Freud bzw. die psychoanalytischen Schulen. Wie Lorenz nahm Freud eine endogene Quelle des Aggressionstriebes an, und dieser Trieb muss sich in direkter Aggressivität entladen, etwa durch Betrachten von Gewalttätigkeiten etwa in Filmen, durch Zerstörung unbelebter Gegenstände, Teilnahme an Wettkämpfen oder dem Streben nach Machtpositionen. Falls die Aggressivität in dieser Weise nicht ausgelebt wird, kann es zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen und im Extremfall sogar zu Selbstmord kommen.

    Im Zusammenhang mit dem Dampfkesselmodell fällt häufig der Begriff der Homöostase, womit eine selbst gesteuerte Gleichgewichtsregulierung gemeint ist, denn sobald der Mensch sich im Hinblick auf seine Aggressionsenergie in einem Ungleichgewicht befindet, ist er bestrebt das vorherige Gleichgewicht wiederherzustellen. Da aggressive Impulse intern permanent erzeugt werden, stauen sich diese auf und drängen nach Entladung, wofür Auslöser notwendig sind. Beim Dampfkesselmodell muss daher ein Energieüberschuss abgebaut werden um ein verlorenes Gleichgewicht wiederherzustellen.

    Dem Dampfkesselmodell kommt in der modernen Psychologie wegen seines geringen Erklärungswertes keine wissenschaftliche Bedeutung mehr zu.

    Literatur

    Lorenz, K. (1973). Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. München: Piper.
    https://m.portal.hogrefe.com/dorsch/dampfkesselmodell/ (19-01-12)


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