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Prägung

    Prägung bzw. frühkindliche Prägung bezeichnet in der Psychologie jenen Vorgang, der bei manchen Lebewesens zur Ausbildung eines Bindungsverhaltens führt, wobei diese meist nur in einer dafür kritischen bzw. lernsensiblen Phase erfolgen kann. Die Prägung ist ein obligatorischer Lernvorgang, der sich auf eine bestimmte Verhaltensweise bezieht und in der Ontogenese nur einmal, in einer lernsensiblen Phase, stattfinden kann, wobei späteres Umlernen nicht mehr möglich ist.

    Verhaltensprägung: Es sind vor allem die ersten Lebensjahre, in denen die Grundsteine für die spätere Entwicklung eines Kindes gelegt werden, wobei in vielen Familien in dieser Phase vor allem die Mütter sehr präsent sind. Dadurch übernehmen etwa Mädchen meist wesentlich mehr von der Mutter als vom Vater. Etwa mit zwei Jahren entdecken Mädchen und Buben, dass sie ein eigenes Ich besitzen und individuelle Wünsche haben können, wobei diese Entwicklung mit einer Abgrenzung verbunden ist, die in der Pubertät schließlich zur Rebellion werden kann.

    „Am Phänomen der Prägung lässt sich auch am deutlichsten zeigen, dass die Vorgänge, die in der kritischen Periode ablaufen, fundamental von denen verschieden sind, die nach der kritischen Periode auftreten. Der Einfluss spezifischer Erfahrungen unterliegt ganz anderen Gesetzen, und die Langzeitwirkungen dieser Erfahrungen sind grundverschieden“ (Hess, 1964, S. 86).
    „Besonders kurze sensible Phasen und damit besonders drastische Veränderungen in der Modifizierbarkeit des Verhaltens kennzeichnen einen Vorgang, der in der Geschichte der Verhaltensforschung eine große Rolle gespielt hat und als Prägung bekannt ist“ (Herrmann, Hofstätter, Huber & Weinert, 1977, S. 510f).
    „Unter dem Begriff Prägung werden Lernprozesse zusammengefasst, die an sensible Phasen der Verhaltensontogenese gebunden sind und zu lange anhaltenden, oft irreversiblen Veränderungen des Verhaltens führen“ (Franck, 1985, S. 100).
    Auch andere Autoren sehen sie als einen besonderen Lernvorgang an, der sich von anderen Lernprozessen mehr oder minder grundsätzlich unterscheidet, während andere ihr keinen Sonderstatus zuerkennen und sie der Konditionierung im weiteren Sinne zuordnen (vgl. Immelmann, Pröve & Sossinka, 1996, S. 142).
    Die angeborenen, auslösenden Mechanismen sind für manche angeborenen Verhaltensweisen nicht sehr genau und sie erfahren ihre Präzisierung auf das richtige Objekt durch eine höchst merkwürdige Art von Lernvorgang, die sich vom normalen Lernen dadurch unterscheidet (vgl. Lorenz, 1968, S. 66).
    Prägungen sind für die Humanentwicklung alle Formen unwillkürlichen und natürlichen Lernens, die als Milieueinwirkungen auf Grund frühkindlicher, familialer, gesellschaftlicher und zeitgeschichtlicher Faktoren an der Festlegung des Verhaltens auf bestimmte Verhaltensmuster mitgewirkt haben. Als ein die Weltoffenheit und Unspezialisiertheit des Menschen negierender Spezialfall von Prägung wird das von Konrad Lorenz experimentell erzeugte Prägen kontrastiert. Es handelt sich dabei um die filiale Nachfolgeprägung bei Nestflüchtern  in einer zeitlich begrenzten sensiblen Periode, die nach Lorenz irreversibel ist und sich auf überindividuelle Merkmale des Objektes, dem nachgefolgt wird, fixiert hat. Schließlich handelt es sich  bei Prägung um Verhaltensweisen, die sich zum Zeitpunkt des Einprägens in der sensiblen Phase noch gar nicht herausgebildet haben.

    Literatur
    Bischof, N. (1989). Das Rätsel Ödipus. München: Piper.
    Franck, D. (1985). Verhaltensbiologie, Einführung in die Ethologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.
    Immelmann, K., Pröve, E. & Sossinka, R. (1996). Einführung in die Verhaltensforschung. Berlin/ Wien: Blackwell Wissenschafts-Verlag.
    Hermann, T., Hofstätter, P. R., Huber, H. P. & Weinert, F. E. (1977). Handbuch psychologischer Grundbegriffe. München: Kösel-Verlag.
    Hess, E. H. (1964). Prägung. München: Kindler Verlag GmbH.
    Lorenz, K. (1968). Antriebe tierischen und menschlichen Verhaltens. München: R. Piper & Co. Verlag.
    Thomae, H. (1972). Entwicklung und Prägung (S. 240-311). In H. Thomae,(Hrsg.), Entwicklungspsychologie. Handbuch der Psychologie. Göttingen: Hogrefe.


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