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present bias

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    Das Merkwürdigste an der Zukunft ist wohl die Vorstellung, dass man unsere Zeit einmal die „gute alte Zeit“ nennen wird.
    Ernest Hemingway

    Der present bias – ein Begriff aus der Verhaltensökonomiebeschreibt die Tendenz von Menschen, gegenwärtige Ereignisse stärker zu gewichten als zukünftige, d. h., dieser Urteilsfehler tritt auf, wenn ein Mensch größeren Wert auf die im gegenwärtigen Augenblick erzielten Waren bzw. Einkommen legt und nicht auf die gleichen Waren bzw. Einkommen in der Zukunft. Der present bias deutet darauf hin, dass Menschen zeitinkonsistent sein können, also Entscheidungen treffen, die sie in Zukunft vielleicht bereuen  könnten. Aus der psychologischen Forschung weiß man zwar, dass die Annahme der Zeitkonsistenz wichtig ist, diese ignoriert aber die menschliche Tendenz, sich eher unmittelbare Belohnungen zu wünschen und unmittelbare Kosten zu vermeiden.

    Bei vielen Entscheidungen, die ein Mensch treffen muss, geht es um einen Kompromiss zwischen Gegenwart und Zukunft zu finden, d. h., es geht um das Abwägen zwischen Genuss und Verzicht, Schmerz und Wohlbefinden, Sparen oder Konsumieren, Stress und Ruhe usw., wobei das immer im Hier und Jetzt stattfindet. Langfristigen Folgen, seien sie nun positiv oder negativ, sind in diesem Augenblick nicht wirklich greifbar und oft mehr oder weniger abstrakt. Aber mit nicht greifbaren, abstrakten Dingen in ferner Zukunft können Menschen offenbar nur schwer umgehen. Im Moment des Abwägens zwischen Gegenwart und Zukunft kommen in der Regel Gefühle und Emotionen zu Gunsten der Gegenwart auf wie Verlust, Angst, Verzicht, Neid, die Angst etwas zu verpassen. Die angenehmen Gefühle aus der Gegenwart werden dabei überbewertet und man entscheidet sich eventuell für eine Handlung, die die Zukunft negativ beeinflussen kann und möglicherweise langfristige Zielsetzungen unerreichbar macht, aber in der Gegenwart etwas Positives darstellen.

    Sparsamkeit

    Steinhart & Jiang (2019) haben untersucht, wann und warum eine Bedrohung des Selbstbildes Sparabsichten beeinflusst, wobei Daten aus sieben Studien, einer Umfrage und sechs Experimenten zeigen, dass Menschen, die eine Bedrohung ihres Selbstbildes erfahren, negative Erwartungen an ihre Zukunft erzeugen. Menschen, die sich Sorgen um ihre Lebensumstände machen, fangen daher an zu sparen, weil sie mit einer möglichen Notsituation rechnen und ihre Zukunft absichern wollen. Hinzu kommt, dass Menschen mit mehr sozialen Kontakten und einer größeren Zufriedenheit mit ihrem Sozialleben dazu tendierten, weniger Geld zu sparen, d. h., Freunde können Geld als psychologische Ressource ersetzen und ihnen die Angst vor ihrer Zukunft nehmen. Eine gefühlte Unsicherheit erhöht offenbar die Bereitschaft zum Geldsparen, doch wer von vertrauten Menschen umgeben ist, denkt seltener an Geld als Reserve.

    Der Neid

    Teodoro D. Cocca, Professor für Asset Management an der Johannes Kepler Universität in Linz, schreibt in seiner Glosse in den OÖN vom 6. März 2019: „Jüngst veröffentlichte Daten deuten auf eine international besonders neidische Haltung der Deutschen gegenüber Reichen hin. (…) Dass Neid gegenüber Reichen beziehungsweise Reichtum gerade in Österreich besonders ausgeprägt sein soll, erstaunt. Einerseits gehört Österreich zu den reichsten Ländern der Welt, hat weltweit betrachtet ein äußerst geringes Maß an Ungleichverteilung der Einkommen und international einen sehr hohen Anteil an Steuereinnahmen, welche über das Sozial- und Wohlfahrtssystem wieder verteilt werden. (…) Grundsätzlich zeigen Studien zu Neid Folgendes. Erstens: Menschen sehen Belohnungen immer im Vergleich zu anderen. Man fühlt sich glücklicher, wenn man 100 Euro am Tag, der Arbeitskollege aber nur 80 Euro bekommt, als 120 zu bekommen, wenn der Kollege 140 bekommt. Zweitens: Beim Erlangen der vorher beneideten Belohnung der Bessergestellten endet der neidbedingte Antrieb – die erlangte Belohnung wird nun gegenüber anderen verteidigt und als richtig empfunden. Das Gefühl des Neides scheint somit primär der Befriedigung der eigenen egoistischen Bedürfnisse und weniger einem allumfassenden Wunsch nach Gerechtigkeit zu dienen. Drittens: Neid wirkt vor allem gegenüber Menschen in „Reichweite“. Auf den größeren VW des Nachbarn ist man neidischer als auf den Rolls-Royce von Bill Gates. Besonders schmerzhaft wird es anscheinend dann, wenn wir unser Gegenüber als besonders ähnlich wahrnehmen und die angepeilten Ziele eine hohe persönliche Relevanz für uns besitzen. Entscheidend ist offenbar der Impuls: „Das würde eigentlich mir zustehen!“

    Literatur

    Steinhart, Y. & Jiang, Y. (2019). Securing the Future: Threat to Self-Image Spurs FinancialSaving Intentions. Journal of Personality and Social Psychology, doi:10.1037/pspa0000159.


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