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Endocannabinoide

    Endocannabinoide sind körpereigene, also vom Körper selbst produzierte, Substanzen, die ähnliche Eigenschaften wie Cannabis haben. Die Endocannabinoide sind Teil des Endocannabinoidsystems, das Teil des Nervensystems ist und die beiden bekannten Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 umfasst, die durch Cannabinoide aktiviert werden. Der Körper produziert Cannabinoide als Erste Hilfe gegen akute Schmerzen, z.B. bei Hitze oder mechanischen Reizen. Aber auch bei chronischen Entzündungen entfalten körpereigene Cannabinoide ihre schmerzlindernden Eigenschaften innerhalb des Nervensystems. Man nimmt auch an, dass Endocannabinoide im Körper sehr wahrscheinlich das Gehirn vor Reizüberflutung schützen, was Zellkultur-Versuche wie auch Tierexperimente nahelegen. Unter bestimmten Bedingungen wie Stress oder Reizüberflutung steigt die Konzentration an körpereigenen Cannabinoiden, die die Reizübertragung durch Glutamat hemmen. Doch die Botenstoffe beeinflussen nicht nur das erregende Glutamat-, sondern auch das hemmende Gamma-Aminobuttersäure-Transmittersystem. Welcher Effekt dabei die Oberhand gewinnt, hängt unter anderem davon ab, ob Endocannabinoide nur lokal oder auf größere Bereiche des Nervensystems einwirken. Zunächst bindet Anandamid oder 2-AG an präsynaptische CB1-Rezeptoren, was die Signalübertragung via Glutamat mindert und die Nervenzelle vor einer Übererregung schützt. Hält die Aktivierung der Cannabinoid-Rezeptoren jedoch länger an und erfasst diese auch andere Neuronen, kommt auch die Signalübertragung durch Gamma-Aminobuttersäure zum Stillstand, wobei dieser Transmitter jedoch dämpfend wirkt, sodass das Aktivierungsniveau wieder ansteigt und die erregenden Prozesse wieder zunehmen.

    Wie wirken Endocannabinoide?

    Bisher dachte man, dass Cannabinoide vor allem im Zentralen Nervensystem ihre schmerzlindernde Wirkung entfalten, doch Untersuchungen haben gezeigt, dass die schmerzlindernde und die unerwünschte Wirkung der im Haschisch enthaltenen Wirkstoffe Cannabinoide an verschiedenen Stellen im Nervensystems ausgelöst werden: Die Schmerzen werden vor allem an den Nervenfasern unterdrückt, während Rausch und Muskellähmungen überwiegend in Gehirn und Rückenmark entstehen. Übrigens hängt die Zahl der Rezeptoren für Endocannabinoide auch vom Lebensalter ab, denn sie nimmt in der Jugend kontinuierlich zu, erreicht während der Pubertät den höchsten Stand, um dann wieder abzunehmen.

    Über die genaue funktionelle Bedeutung des Endocannabinoid-Systems ist bisher aber nur wenig bekannt, doch sie könnten bei Regulation und Modulation des Immunsystems, aber auch bei Lern- und Bewegungsprozessen eine Rolle spielen. Endocannabinoide wurden vermutlich auch deshalb erst spät entdeckt, da sie ganz anders arbeiten als andere Neurotransmitter, denn normalerweise werden Signale immer von einem Neuron an das nachgeschaltete weitergeleitet, also von präsynaptisch nach postsynaptisch. Endocannabinoide verlassen jedoch umgekehrt das postsynaptische Neuron und docken an den Rezeptoren der vorgeschalteten Synapse an, was zu einer Kaskade von Veränderungen in der präsynaptischen Nervenzelle führt, die darauf die Glutamat-Freisetzung drosselt oder gar beendet. Endocannabinoide modulieren offenbar den Signaltransfer und schützen die Neuronen vor zu starker Erregung. Sicher ist: Das Cannabinoidsystem lässt sich pharmakologisch beeinflussen.

    In einer Studie des Zentrums für Molekulare Neurobiologie in Hamburg an Mäusen und Ratten entdeckte man, dass ein Enzym für den Stoffwechsel von Endocannabinoiden nicht mehr an Synapsen lokalisiert ist, was mit veränderten Endocannabinoid-Signalwegen einhergeht. Das Enzym hat aber auch eine zweite Funktion an der Synapse, denn es reguliert die Expression von wichtigen Rezeptoren an der Oberfläche der synaptischen Zellmembran, und nimmt damit direkten Einfluss auf die synaptische Plastizität.

    Körpereigene Cannabinoide helfen etwa beim Vergessen negativer Erlebnisse, wobei unangenehme Erfahrungen zu sammeln, zu speichern und mit bestimmten Verhaltensweisen zu verknüpfen, eine der wichtigsten Aufgaben des zentralen Nervensystems darstellt. Wird die schlechte Erfahrung aber nicht regelmäßig wiederholt, gerät sie allmählich in Vergessenheit. Bisher rätselten Forscher über die genauen Mechanismen, die das langsame Vergessen steuern. Wenn die Erinnerung an ein unangenehmes Erlebnis verblasst, wirken im Gehirn körpereigene Substanzen, wie sie auch in Cannabis vorkommen. In Konditionierungsversuchen lernten Mäuse, ein Tonsignal mit einem leichten Elektroschock in Verbindung zu bringen. Hörten die Mäuse in den folgenden Tagen das Signal, erstarrten sie, auch wenn sie keinen elektrischen Schlag bekamen. Nach etwa elf Tagen begannen sie aber, das Erlebnis zu vergessen und kümmerten sich nicht mehr um den Ton. Anders verhielten sich Mäuse, denen die für Cannabinoide empfindlichen Rezeptoren fehlten: Sie konnten die mit dem Ton verknüpften negativen Erinnerungen nicht verdrängen.

    Literatur

    Stangl, W. (2020). Cannabis (Cannabis sativa, Cannabis indica). [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SUCHT/Cannabis.shtml (2020-11-09).
    https://www.leafly.de/cannabisglossar/endocannabinoide/ (18-11-12)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Endocannabinoid-System (18-11-12)
    https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-182007/endocannabinoide-als-schutz-vor-reizueberflutung/ (08-11-11)


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