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diskursive Psychologie

    Die Diskursanalyse ist ein Oberbegriff für die sozial- und geisteswissenschaftliche Analyse von Diskursphänomenen, wobei es unterschiedliche Herangehensweisen gibt. Meist untersucht eine Diskursanalyse den Zusammenhang von sprachlichem Handeln und sprachlicher Form sowie den Zusammenhang zwischen sprachlichem Handeln und gesellschaftlichen, insbesondere institutionellen Strukturen. In den Sozialwissenschaften sind aber vor allem situationsübergreifende Muster und Ordnungen der Sinnproduktion interessant, wobei die diskursive Psychologie diskursanalytischer Perspektiven auf zentrale Themen und Gegenstände der Psychologie sucht, sich dabei aber nicht auf die Sprache allein fokussiert, sondern vor allem auch Prozesse der Realitätskonstruktion untersucht. Das Narrativ der diskursiven Psychologie zielt dabei auf die Aktivitäten, die durch Diskurse vollzogen werden. Während etwa kognitionsbezogenen Theorien von der Voraussetzung einer objektiven Realität ausgehen, die einen Input für kognitive Operationen liefert, konzentriert sich die diskursive Psychologie darauf, wie die Akteure sowohl Realität als auch Bewusstsein sprachlich-begrifflich konstruieren. Dabei werden keine experimentellen Designs eingesetzt, sondern stützt sich auf eine empirische Analyse von Aufzeichnungen natürlicher Interaktionen.

    Anmerkung: Diskurse schaffen soziale Wirklichkeiten, was bedeutet, dass sie die Grenzen dessen abstecken, was innerhalb eines sozialen Systems verarbeitbar und damit akzeptabel ist. Zu solchen Diskursen gehören auch Festlegungen, was etwa Wissenschaftlichkeit oder Redlichkeit bedeuten, auch Vorstellungen von Rasse, Klasse, Ethnie und nicht zuletzt Geschlecht. Diskurse stellen gesellschaftlich erfassbare und anerkannte Verweishorizonte auf und bilden somit symbolische Ordnungssysteme, die die Wirklichkeit und Körperlichkeit, in der das Individuum lebt, vorgeben, dem Subjekt also vorausgehen und von diesem schließlich verkörpert werden.


    Historisches: Jean François Lyotard vertrat in seinem Werk “Das Postmoderne Wissen” die These, dass die großen Erzählungen ans Ende gekommen sind, womit er einerseits das Narrativ von der spekulativen Einheit der Wissenschaften und andererseits das von der kollektiven Emanzipation des Menschen zur Freiheit meinte. Damit bezieht er sich auf jene Meta- oder Megatheorien in den Wissenschaften, die versuchen, die Vielfalt der Welt auf einen einheitlichen Punkt, eine einheitliche Struktur oder einen einheitlichen Plan zu beziehen. Das Wissen in der Postmoderne ist seiner Meinung nach so radikal zersplittert, sodass es von den großen Erzählungen nicht mehr getroffen erfasst wird. Es ist also nicht mehr möglich, von einem gewissermaßen exterritorialen Punkt aus die Wissensformen zu hierarchisieren, d.h., eine objektive Perspektive von außen einzunehmen, von der aus man etwas als richtig oder falsch, als angemessen oder unangemessen, als schön oder hässlich beurteilen kann. Damit wird Wissenschaften mehr oder minder die Legitimation entzogen, große auf die Zukunft angelegte Entwürfe, Zielkataloge, Entwicklungsperspektiven oder einen verbindlichen Bildungskanon zu begründen. Lyotard stellt damit den Widerstreit verschiedener Diskursarten in den Mittelpunkt, wobei die Erzählung bzw. die Narration nach Lyotard eine bestimmter Typus von Diskurs ist, der versucht, das Handeln zu legitimieren. Narrationen operieren dabei immer auf dem Hintergrund einer gemeinsamen Geschichte von Akteuren, die im Widerstreit gegen die Position anderer Akteure auftreten, sodass diese Erzählungen immer auch eine identitätsstiftende Strategie verfolgen. Den Begriff des Diskurses hat in der Folge wesentlich Michel Foucault geprägt, wobei eine diskursive Formation dabei eine bestimmte Menge von Aussagen meint, die gegenüber einem Thema formuliert werden. Die Menge an Aussagen, die dann den Diskurs bilden, wird immerhin durch eine bestimmte Logik, durch ein Satz von Regeln bestimmt, der festlegen soll, ob eine Aussage zu einem Diskurs überhaupt dazugehört oder nicht, und der letztlich auch festlegt, ob in einer konkreten Situation die Äußerung einer Aussage erlaubt und die Äußerung einer anderen eher nicht erlaubt ist. In der Diskursanalyse geht es daher darum, diese meist impliziten Regeln des Sprechens in gesellschaftlichen Bereichen erst sichtbar zu machen, d. h., es wird darauf verwiesen, dass alle Aussagen selbst zum Gegenstand der Reflexion, Analyse und Kritik werden können. Man fragt aus dieser Perspektive daher nicht mehr, ob ein Diskurs wahr oder falsch ist, sondern fragt nach seinen Wurzeln, welche Menschen ihn führen, wem er eventuall nützt, welche Strategien er verlangt, was er für die Menschen bedeutet und schließlich welche Objekte er hervorbringt.

    Literatur

    Foucault, Michel (1986). Archäologie des Wissens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
    Lyotard, Jean-François (1994) Das Postmoderne Wissen. Wien: Passagen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Diskursanalyse (16-06-06)
    http://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-322-99906-1_12 (16-06-06)


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