Zum Inhalt springen

soziales Diskontierungsverhalten

    Als soziales Diskontierungsverhalten bezeichnet man die Zunahme oder Abnahme der Großzügigkeit bzw. der Hilfsbereitschaft, je näher oder ferner ein anderer Mensch einem steht. Großzügigkeit beim Schenken oder bei Hilfeleistungen ist dabei eine Frage der sozialen Distanz, was sich etwa daran zeigt, dass Menschen anderen gerne Geschenke machen, beim Umzug helfen oder die Blumen gießen, wenn dieser im Urlaub ist. Je näher einem ein Mensch steht, desto großzügiger verhält man sich ihm oder ihr gegenüber. Offensichtlich nimmt die Bereitschaft, andere zu unterstützen, mit der gefühlten zwischenmenschlichen Distanz ab, denn Familienangehörigen ist man eher bereit zu helfen als Menschen, die einem nicht so nahe stehen wie entfernte Bekannte oder Menschen, die man überhaupt nicht kennt, wie Fremde auf der Straße. Dabei spielen nach neueren Untersuchungen auch Oxytocin und Empathie eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, wem gegenüber man sich großzügig verhält.

    Hilfsbereitschaft gegenüber Einzelnen und Gruppen

    Studien haben übrigens auch gezeigt, dass das Schicksal eines Einzelnen zu größerer Hilfsbereitschaft motiviert als das Unglück vieler, sodass Hilfsorganisationen immer das Schicksal einzelner Kinder in ihren Spendenaufrufen thematisieren und nicht das einer ganzen Gruppe. Es zeigte sich in Experimenten, dass ein Kind mehr Spenden erhielt als im Vergleich zwanzig Buben und Mädchen mit einem ähnlichen Schicksal zusammen. Offenbar rühren Zahlen oder das Schicksal großer Gruppen wenig an die Gefühle und wecken kaum Empathie, da man angesichts so vieler Hilfsbedürftigen eher ein Gefühl der Ohnmacht entwickelt. Vermutlich müssen Spender das Gefühl entwickeln können, durch ihre Spende etwas konkret zu bewirken, d. h., je machtloser ein Spender sich angesichts massenhaften Elends fühlt, desto eher verzichtet er darauf, überhaupt zu spenden. Umfragen haben übrigens gezeigt, dass jene Menschen eher glücklich mit sich und ihrem Leben sind, die regelmäßig für gute Zwecke spenden.

    Großzügigkeit kann glücklich machen

    Großzügiges Verhalten steigert bekanntermaßen das Glücksgefühl, was wiederum zu Großzügigkeit motivieren kann. In einer Studie untersuchten Park et al. (2017) mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie und eines öffentlichen Versprechens für künftige Großzügigkeit die Gehirnmechanismen, die großzügiges Verhalten mit einer Steigerung des Glücks verbinden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer versprachen, in den nächsten vier Wochen Geld entweder für andere (Experimentalgruppe) oder für sich selbst (Kontrollgruppe) auszugeben. Es zeigte sich dabei, dass die Teilnehmer der Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe in einer unabhängigen Entscheidungsaufgabe großzügigere Entscheidungen trafen und eine stärkere Zunahme des selbstberichteten Glücks zeigten. Großzügige Entscheidungen aktivieren die temporo-parietale Verbindung in der Experimentalgruppe stärker als in der Kontrollgruppe und modulieren die Konnektivität zwischen temporo-parietaler Verbindung und ventralem Striatum auf unterschiedliche Weise. Wichtig ist, dass die Striatumaktivität während großzügiger Entscheidungen in direktem Zusammenhang mit Veränderungen des Glücksgefühls steht. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Top-Down-Kontrolle der Striatumaktivität eine grundlegende Rolle bei der Verknüpfung von Großzügigkeit mit Glück spielt. Dass beim Schenken das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert und Botenstoffe freigesetzt werden, die ein Glücksgefühl verschaffen, ist offenbar Ausdruck der sozialen Natur des Menschen und hat sich im Zuge der menschlichen Evolution entwickelt.

    Literatur

    Park, Soyoung Q., Kahnt, Thorsten, Dogan, Azade, Strang, Sabrina, Fehr, Ernst & Tobler, Philippe N. (2017). A neural link between generosity and happiness. Nature Communications, 8, doi:10.1038/ncomms15964.
    Strang, S., Gerhardt, H., Marsh, N., Oroz Artigas, S., Hu,Y., Hurlemann, R. & Park, S.Q. (2017). A matter of distance – The effect of oxytocin on social discounting is empathy-dependent. Psychoneuroendocrinology, doi.org/10.1016/j.psyneuen.2017.01.031.
    http://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-die-welt-liegt-in-asche-aber-lachen-muss-sein-1.3796744 (17-12-21)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Inhaltsverzechnis