Zum Inhalt springen

Pädagogische Psychologie

    Die Pädagogische Psychologie ist jenes Teilgebiet der Psychologie, das sich mit der Beschreibung und Erklärung der psychologischen Komponenten von Erziehungs-, Unterrichts- und Sozialisationsprozessen, einschließlich ihrer Formen und Situationen, befasst. Die Erkenntnisse der Pädagogischen Psychologie werden zur Optimierung pädagogischen Handelns bzw. zu seiner zielbezogenen Veränderung anzuwenden versucht. Der Aufgaben- und Anwendungsbereich der Pädagogischen Psychologie umfasst alle Sozialfelder und Institutionen der Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationssysteme unterschiedlicher Gesellschaften und Kulturen. Die Pädagogische Psychologie beschäftigt sich dabei überwiegend mit Common-Sense-Verallgemeinerungen über die menschliche Natur, wobei solche zum Teil sehr begrenzten und unsystematischen Verallgemeinerungen aber das alltägliche Handwerkzeug von Laien sind. Solche Verallgemeinerungen auf der Basis des gesunden Menschenverstandes müssen daher sorgfältig empirisch belegt werden, denn sie können im völligen Gegensatz zu dem stehen, was wissenschaftlich tatsächlich belegt wurde. Betrachtet man etwa geschlechtsspezifische Unterschiede beim Lernen, so zeigt sich, dass bei der Sprachentwicklung im frühesten Kindesalter Mädchen zwar ein höheres Tempo vorlegen als Knaben, d. h., sie beginnen in der Regel früher zu sprechen und verfügen bald über einen größeren Wortschatz als die männlichen Altersgenossen. Dieser Vorsprung setzt sich in der Schule fort, d. h., in Fächern Deutsch und Fremdsprachen erzielen Mädchen im Durchschnitt die besseren Noten. Betrachtet man die einzelnen Leistungen jedoch im Detail, dann zeigt sich, dass Mädchen vor allem in der Rechtschreibung sicherer sind, aber im Hinblick auf Lesefähigkeit und Textverstehen unterscheiden sich die Geschlechter in der Schulzeit aber kaum voneinander. Allerdings gibt es im unteren Leistungsbereich zweieinhalb Mal mehr Knaben, bei denen eine Lese-Rechtschreibschwäche diagnostiziert wird.

    Darüber hinaus ist neben den Grundlagen des Lehren und Lernens auch die Gestaltung von Lernumwelten ein wichtiges Thema der pädagogischen Psychologie, wobei sie  Erkenntnisse aus Grundlagenfächern wie der Entwicklungspsychologie, der Sozialpsychologie oder der Psychologie des Lernens einsetzt, um anwendungsbezogene pädagogische Fragestellungen beantworten zu können.

    Dabei sind deskriptive und präskriptive Studien zwei unterschiedliche Ansätze in der pädagogisch-psychologischen Forschung, um Bildungssysteme, Lehrmethoden und pädagogische Praktiken zu untersuchen und zu verbessern. Dabei werden Lehr- und Lernprozesse sowie die kognitiven, emotionalen, motivationalen und sozialen Bedingungen, unter denen sie stattfinden. Deskriptive Studien zielen darauf ab, bestehende pädagogische Phänomene, Strukturen oder Praktiken zu beschreiben und zu analysieren, d. h. sie untersuchen, wie die Dinge in der Bildungswelt tatsächlich sind, ohne zu versuchen, sie zu verändern oder zu verbessern. Solche Studien verwenden häufig quantitative Forschungsmethoden, um Daten zu sammeln und zu analysieren, z. B. um festzustellen, wie sich die Schülerleistungen in einer bestimmten Schule oder in einem bestimmten Bildungssystem entwickeln. Deskriptive Studien wie PISA oder TIMSS beschreiben den aktuellen Zustand von Bildungssystemen. Deskriptive Studien zielen also darauf ab, ein besseres Verständnis für bestehende Trends, Probleme oder Herausforderungen im Bildungswesen zu gewinnen, um darauf aufbauend weitere Forschung oder Bildungspolitik zu entwickeln. Im Gegensatz dazu zielen präskriptive Studien darauf ab, konkrete Empfehlungen oder Maßnahmen zur Verbesserung von Bildungssystemen oder pädagogischer Praxis zu entwickeln, d.h. sie sind häufig normativ und versuchen, Lösungen für bestehende Bildungsprobleme zu finden. Zu diesem Zweck werden sowohl qualitative als auch quantitative Forschungsmethoden eingesetzt, um zu verstehen, welche Veränderungen im Bildungswesen vorgenommen werden sollten, um die Qualität oder Effektivität zu verbessern. Auf der Grundlage solcher Studien werden beispielsweise Schulreformen vorgeschlagen, Lehrplanänderungen empfohlen oder innovative Lehrmethoden entwickelt. Zu den präskriptiven Studien gehören auch experimentelle Trainingsstudien, die darauf abzielen, optimale Lernbedingungen für Lernende auf allen Ebenen zu ermitteln (Stangl, 2018).

    Definition des Berufsverbandes österreichischer Psychologinnen: Die pädagogische Psychologie befasst sich mit der Beschreibung und Erklärung der psychologischen Komponenten von Erziehungs-, Unterrichts- und Sozialisationsprozessen. Ihre Erkenntnisse werden zur Optimierung pädagogischen Handelns bzw. zu seiner zielbezogenen Veränderung angewendet. Pädagogische PsychologInnen bieten somit Begleitung und/oder Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bei der Persönlichkeitsentwicklung im Bereich der Lehr- und Lernprozesse – lebensbegleitend – vom Kindergarten bis ins hohe Erwachsenenalter.


    Historisches: Die Pädagogische Psychologie wird von Zeit zu Zeit immer wieder einmal von neuen Lernkonzepten aufgerüttelt, so etwa in den Sechziger und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts von Banduras Ansatz des sozialkognitiven Lernens oder einige Jahre später vom Konzept der Situated Cognition, und jetzt seit Kurzem von Metakognition oder virtuellen Lernformen. Bei allem Wechsel der Konzepte fällt auf, dass es so etwas wie überdauernde Prinzipien des Lernens und damit viele den Wandel überdauernde, festsitzende Ankerpunkte der Pädagogischen Psychologie gibt. So behauptet sich etwa das Prinzip des selbstständigen Lernens nicht allein die letzten Jahrzehnte über, sondern zieht sich durch die Jahrhunderte, etwa von Montaigne über Rousseau und weiter zur Arbeitsschulbewegung mit Kerschensteiner oder Makarenko bis hin zum Hype des Selbstorganisierten Lernens um die Jahrtausendwende. Ähnliche historische Linien lassen sich für andere Themen aufzeigen, so zum Beispiel die Forderung, die Trias von Kopf, Herz und Hand, also geistige, emotionale und praktische Fertigkeiten, in den Lernprozess einzubeziehen. Nicht zuletzt braucht Lernen Emotionen, denn obwohl viel darüber nachgedacht wird, wie Lernen effizienter gestaltet werden kann, darf dabei nicht übersehen werden, dass Lernen auch viel mit Haltungen und Emotionen zu tun hat. Diese erlangt man oftmals viel leichter außerhalb von Klassenzimmern oder lieblos gestalteten Seminarräumen, etwa bei einer Wanderung durch Feld, Wald und Wiese, zu besonderen Plätzen und Orten, in Bewegung oder gar beim Nichtstun (Fengler & Kaiser, 2019).

    Anmerkung: Georg Kerschensteiner war Münchner Schulrat und Professor in München im vorletzten und letzten Jahrhundert, und hat das damalige Volks- und Berufsschulwesen in Deutschland und Ausland strukturell verändert. Sein pädagogisches Grundprinzip war, dass das pädagogisch sinnvolle Arbeiten der Schüler und Schülerinnen manuell, praktisch und geistig zugleich orientiert sein muss.

    Literatur

    Fengler, J. & Kaiser, A. (2019). Ankerpunkte der Pädagogischen Psychologie.
    WWW: http://wiki.bildungsserver.de/bilder/upload/ZW_6_2019.pdf (19-12-10)
    Stangl, W. (2018, 31. April). Deskriptive und präskriptive Forschung in der Pädagogischen Psychologie. Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/4769/deskriptive-und-praeskriptive-forschung-in-der-paedagogischen-psychologie.


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert