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Winterschlaf – Winterruhe

    Alle Lebewesen haben Zustände der Inaktivität, von Mikroorganismen angefangen, die noch nach Millionen Jahren im Eis wieder erwachen können, bis hin zu Bäumen, die im Herbst ihr Laub abwerfen. Ruhephasen werden immer dann eingelegt, wenn die Umwelt für den Normalbetrieb zu unwirtlich wird. Viele Tiere in den nördlichen Breiten halten deshalb Winterruhe, Winterschlaf oder auch nur Kältestarre, weil es nichts oder zu wenig zu fressen gibt. Winterruhe ist somit eine Reaktion von Tieren aber auch Pflanzen und anderen Organismen auf die während der kalten Jahreszeit herrschenden Umweltbedingungen. Tiere, die Winterruhe halten, senken ihre eigene Körpertemperatur dabei nicht ganz so stark wie Winterschläfer, sie wachen häufiger auf und suchen gelegentlich nach Nahrung. Braunbären in Sibirien verbringen bis zu sieben Monate in ihrer Höhle, in Europa verlassen sie diese im Winter mehrfach, während sie im Zoo überhaupt keine Winterruhe halten. Beim Winterschlaf wird der Stoffwechsel und Blutdruck abgesenkt, Atmung, Herzschlag und Blutumlauf werden verlangsamt, die Harnbildung wird je nach Tierart fast oder ganz eingestellt. Die Kältestarre gibt es nur bei wechselwarmen Tieren wie Fischen, Amphibien, Reptilien und Insekten, denn solche wechselwarmen Tiere halten ihre Körpertemperatur generell nicht konstant, sondern passen diese stets an die jeweilige Umgebungstemperatur an. Im Gegensatz zu Winterschläfern kann man kältestarre Tiere nicht durch äußere Reize wecken.

    Bei Säugetieren wird die Gehirnaktivität während der Winterruhe reduziert bzw. die Zahl der Synapsen um knapp mehr als fünfzig Prozent verringert, doch haben Untersuchungen gezeigt, dass bei Amphibien eine vergleichbare Winterstarre deren Gedächtnis nicht löscht. Feuersalamander erinnern sich im Gegensatz zu Säugetieren, die in die Winterruhe eingetreten sind, auch nach dem Erwachen aus der Kältestarre an kurz vor der Winterpause Gelerntes. Die Tiere waren nach einer Untersuchung von Wilkinson et al. (2017) auch nach der Aktivitätspause in der Lage, ohne Probleme Futter in einem Versuchsaufbau zu finden, wobei man vermutet, dass für die Feuersalamander abgespeicherte Erinnerungen überlebenswichtig sind, sodass sie sofort nach der Winterstarre an ihre Futterplätze erinnern. Bedingt wird das vermutlich auch durch verschiedene Lern- und Merkmuster oder auch Unterschieden in der Winterruhe, denn während Säugetiere während des Winterschlafs immer wieder aufwachen, verbleiben die Amphibien dauerhaft in ihrer Winterstarre. Die dauerhafte Phase könnte sich auf den Erhalt des Kurzzeitgedächtnisses auswirken, sodass damit gleichsam alle Körperfunktionen dauerhaft konserviert bleiben.

    Übrigens werden im Winterschlaf von Eichhörnchen zahlreiche Axonverbindungen abgebaut – synaptisches Pruning -, und erst kurz vor Ende der Schlafphase wird das Netzwerk wieder über neue Verbindungen verdichtet. Dennoch scheinen Eichhörnchen wenig bis keine Erinnerungen zu verlieren.


    Interssantes Forschungsprojekt: Vergessen Siebenschläfer während des Winterschlafs?

    Siebenschläfer (lat. Glis glis), übrigens das Tier des Jahres 2021, ziehen sich im Winter in frostfreie Erdhöhlen für die Winterruhe zurück, wobei der Winterschlaf eine extreme Anpassungsstrategie verschiedener Säugetiere darstellt, um die kargen und kalten Monate oder andere ungünstige Umweltbedingungen unbeschadet zu überstehen. Während des Winterschlafs begeben sich die Tiere in Torporphasen, in denen der Stoffwechsel gezielt gedrosselt wird und die Körpertemperatur der Siebenschläfer auf Umgebungstemperatur abfällt, wobei sie sogar den Nullpunkt erreichen kann. Herzfrequenz und Atmung sind im Torpor extrem reduziert und auch das Gehirn zeigt in diesen Phasen praktisch keine Aktivität und ist nur gering durchblutet. Damit sie überleben können, müssen die Siebenschläfer regelmäßig die mehrwöchigen Torporphasen für etwa acht Stunden unterbrechen und den Stoffwechsel ankurbeln, wobei in diesen Arousal-Phasen der Stoffwechsel auf Hochtouren arbeitet, die Körpertemperatur annähernd normale Werte erreicht und die Atmungs- und Herzfrequenz ansteigt. Nach ca. acht Stunden kehren die Tiere wieder in eine Torporphase zurück. Allerdings ist noch nicht geklärt, warum Winterschläfer die Phasen des Torpors immer wieder durch Arousals unterbrechen und ob diese kurzen Aufwachphasen dazu beitragen möglicherweise, um etwa die räumliche Orientierung und die Wahrnehmung aufrecht zu erhalten, oder welche Auswirkungen der Zustand des Winterschlafs auf das Erinnerungsvermögen der Siebenschläfer hat. Siebenschläfer halten acht Monate und im Extremfall auch elf Monate Winterschlaf, sodass sich also der Winterschlaf negativ auf die Erinnerung und Orientierung auswirken sollte, wobei Siebenschläfer während ihrer Aktivitätszeit in den Baumkronen leben, wobei dieser arborealer Lebensstil einer gute Koordination bedarf.

    Ein Projekt des Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie an der Veterinärmedizinische Universität Wien versucht nun zu untersuchen, welchen Einfluss verschiedene Faktoren des Winterschlafs, wie die Häufigkeit der sogenannten Arousals, eine minimale Körpertemperatur sowie die Dauer des gesamten Winterschlafs, auf das Erinnerungsvermögen und die Wahrnehmung von Winterschläfern haben. Den Tieren werden kleine Datenlogger implantiert, die über einen Zeitraum von zwei Jahren die saisonale Aktivität und Köpertemperatur aufzeichnen können, sodass man in der Lage ist, genau zu verfolgen, wann die Siebenschläfer welche Körpertemperatur aufweisen und wie aktiv sie sind. Bevor die Tiere in den Winterschlaf gehen, trainieren sie, in einem Irrgarten zurecht zu kommen und den Weg ins Freie zu finden, aber auch verschiedene Symbole zu erkennen und durch den Sprung auf das richtige Symbol einen Ausgang zu finden. Ob sich die Nager an den richtigen Weg aus dem Labyrinth und an die erlernten Symbole auch nach dem Winterschlaf erinnern können, will man dann im Frühjahr darauf überprüfen, sobald die Siebenschläfer wieder erwachen.

    Literatur

    Stangl, W. (2011). Wieviel Schlaf braucht der Mensch? [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/Wieviel-Schlaf.shtml (11-03-03)
    Wilkinson, A., Hloch, A., Mueller-Paul, J. & Huber, L. (2017). The effect of brumation on memory retention. Scientific Reports, 7, doi:10.1038/srep40079.
    https://nachrichten.idw-online.de/2021/02/04/forschungsprojekt-gedaechtnis-und-wahrnehmung-bei-siebenschlaefern/ (21-02-04)


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