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intuitive Elternschaft

    Intuitive Elternschaft ist ein biologisch angelegtes Erlebens- und Verhaltensmuster, das es Eltern ermöglicht, entwicklungsgerecht und angemessen auf die biologischen, sozialen und emotionalen Bedürfnisse von Kindern einzugehen. Die intuitive Elternschaft umfasst dabei ein offensichtlich tief verankertes Wissen, adäquat auf die zwischenmenschlichen und sachlichen Anforderungen einzugehen, die schon die kleinsten Kinder benötigen, um erste Schritte in die Welt zu machen. Jeder, der sich intensiv mit Säuglingen und Kleinkindern beschäftigt, erkennt bald, dass sie nicht nach den Vorstellungen und Plänen von Erwachsenen wachsen und gedeihen, sondern einer intensiven, von Vertrauen und Zutrauen getragenen Wechselseitigkeit bedürfen, um jene Schritte zu machen, die sie machen können und wollen. Jedes Sprechen- und Laufenlernen ist ein ständiges Wechselspiel von Bemühungen des Kindes, dem Glücksgefühl der Bezugspersonen und der daraus folgenden Bereitschaft, das Kind bei diesen Schritten zu unterstützen. Dieses Grundmuster pädagogischer Interaktionen in der frühen Kindheit legt auch eine Basis für die Weiterentwicklung der Lernkultur für die frühe Kindheit, das Lernen zunächst grundlegend anders begreift als das traditionelle Bildungsmodell der Institutionen.

    Frühkindliche Bildung ist vor allem eine Einführung in implizite und explizite Weisen, wie man im Einklang mit bestimmten, gesellschaftlich leitenden Meinungen und mit verschiedenen Wirklichkeiten in einer Kultur umgeht. Die frühe Kindheit ist in erster Linie eine Hinführung in die Weisen wie man etwas macht und erst in zweiter Linie eine Einführung in bestimmtes Können und Wissen. Mit den ersten Kompetenzen, die Kinder im Umgang mit Wirklichkeiten gewinnen, entwickeln sie auch die grundlegenden Fähigkeiten, wie man sie gewinnt, letztlich wie man Lernen lernen kann. Während sich Erkenntnisse im Verlauf eines Lebens verändern und verändern müssen, bleiben die in diesem Lebensabschnitt gewonnenen Haltungen in der Regel stabil, zumindest so lange sie nicht bewusst in Frage gestellt werden. Das bedeutet letztlich auch, dass man sich an keine klaren Vorgaben einer Entwicklungspsychologie halten kann, die bestimmt, wie Kinder lernen und die man frühkindlichen Bildungsprozessen als Orientierung zugrunde legen könnte. Die Entwicklungspsychologie kann allerdings sagen, wie Kinder in einem bestimmten soziokulturellen Rahmen lernen, weil sie die Wahl einer anderen Kultur nicht haben, d. h., eine Entwicklungspsychologie muss ihre Eingebundenheit in soziale und kulturelle Traditionen permanent reflektieren.

    Beeinflusst die Geburt eines Kindes die Persönlichkeit der Eltern?

    In Übereinstimmung mit dem Prinzip der sozialen Investition sollte die Elternschaft zu einem reiferen Verhalten und einer Zunahme von Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und emotionaler Stabilität bei den Eltern führen, doch haben frühere Untersuchungen auch Ergebnisse geliefert, die diese Annahme nicht unterstützen. Asselmann & Specht (2020) haben anhand der Daten einer national repräsentativen Haushaltspanelstudie aus Deutschland untersucht, ob Elternschaft in irgendeiner Form mit der Persönlichkeitsreifung zusammenhängt. In diesen Daten wurde jährlich erfasst, ob ein Kind geboren wurde, die Persönlichkeitsmerkmale der Big Five wurden in vier Wellen von 2005 bis 2017 erhoben. Mit Hilfe einer Mehrebenenanalyse wurde untersucht, ob sich dabei die Persönlichkeit von Menschen, die Eltern werden oder nicht werden, unterscheidet, bzw. ob sich die Persönlichkeit vor und nach der Elternschaft unterscheidet und ob diese Effekte nach Geschlecht, Alter und Lebensstand variieren.

    Insgesamt zeigte sich, dass weniger offene und extravertierte Menschen eher eine Familie gründen, wobei Offenheit und Extravertiertheit nach dem Übergang zur Elternschaft abnahmen. Das liegt wohl daran, dass Eltern nicht mehr so viel Zeit dafür aufwenden können, sich mit neuen Dingen zu beschäftigen oder soziale Kontakte zu pflegen. Wer allerdings vorher wenig gewissenhaft war blieb es also auch nach der Elternschaft, was auch für die Merkmale Verträglichkeit und Neurotizismus gilt. Bei der Differenzierung nach Altersgruppen zeigte sich, dass junge Eltern bis 23 Jahr im ersten Jahr der Elternschaft tatsächlich deutlich gewissenhafter wurden als zuvor, während für Eltern zwischen 24 und 35 Jahren die Veränderung weniger einschneidend war, und Eltern ab 36 Jahre waren im ersten Jahr nach der Geburt weniger gewissenhaft, dafür aber emotional stabiler als zuvor waren. Männer wurden im Vergleich zu Frauen durch die Elternschaft weniger offen, extravertiert und umgänglich, dafür jedoch emotional stabiler. Mütter verbringen wohl im Durchschnitt viel Zeit mit ihrem Kind und begegnen ihm auf einfühlsame Weise, und verhalten sich daher wohl generell einfühlender. Im Gegensatz dazu können Väter sich verantwortlicher fühlen, für den Lebensunterhalt ihrer Familie aufzukommen, arbeiten also härter und handeln zuverlässiger, um Familie und Karriere gleichzeitig zu bewältigen. Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass sich die Persönlichkeitsmerkmale der Big Five vor und während des Übergangs zur Elternschaft unterscheiden. Allerdings konnte nicht bestätigt werden, dass die Geburt des ersten Kindes grundsätzlich mit einer Persönlichkeitsreifung einhergeht.

    Literatur

    Asselmann, Eva & Specht, Jule (2020). Testing the Social Investment Principle Around Childbirth: Little Evidence for Personality Maturation Before and After Becoming a Parent. European Journal of Personality, doi: 10.1002/per.2269.
    http://liga-kind.de/fk-111-schaefer/ (16-10-10)


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