Zum Inhalt springen

soziale Normen

    Spezielle in der Sozialpsychologie sind soziale Normen allgemein anerkannte Regeln für akzeptiertes bzw. von anderen erwartetes Verhalten, d.h., Normen definieren das in einer Gesellschaft angemessene Verhalten. Normen definieren sich demnach dadurch, dass etwas dann als Norm gilt, wenn es verbindlich festlegt, wie Menschen sein sollen und wie sie sich unter bestimmten Bedingungen zu verhalten haben. Normen zeigen sich daher auch als subjektive Erwartungshaltungen bezogen auf verpflichtendes Verhalten aller, sind jedoch in der Regel konditional, d. h., auf bestimmte Situationen eingeschränkt bzw. bezogen. Prinzipiell beziehen sich Normen auf Verhaltensweisen, können aber auch auf Einstellungen, Wert- und Glaubenshaltungen bezogen sein. Wenn ein Verhalten oder eine Einstellung zur Norm wird, müssen sie allgemein als gültig akzeptiert und von einer Gemeinschaft getragen werden, was sich dann darin äußert, dass normkonformes oder deviantes Verhalten Konsequenzen u. U. sogar in Form von Sanktionen nach sich zieht.

    Menschen orientieren sich in ihrem Verhalten einerseits an dem, was wichtige Bezugspersonen von ihnen erwarten, andererseits aber auch daran, was andere vergleichbare Menschen tun. In der Sozialpsychologie unterscheidet man Gruppen-, soziale, gesellschaftliche und kulturelle Normen, wobei sich keine Gruppe, Gesellschaft oder Kultur beschreiben ließe, ohne dabei die jeweiligen Normsysteme zu berücksichtigen. Besonders bedeutsam sind in Bezug auf ein Individuum deskriptiv Normen, die sich auf das beziehen, was die Mehrheit tut bzw. als angemessen betrachtet, wobei das Wissen über das Verhalten von Alters- und Geschlechtsgenossen eine wesentliche Voraussetzung ist.

    Das Erlernen von Normen im Kindesalter

    In einer neueren Untersuchung hat man herausgefunden, dass Kinder schon früh nach Normen und Verhaltensregeln suchen, wobei sie diese bereits im Alter von drei Jahren aus dem Verhalten ihrer Mitmenschen ableiten und auch Fehlverhalten mitunter als soziale Norm interpretiert werden. Selbst Dreijährige können bereits rasch soziale Normen erfassen, wobei allerdings manchmal Verhaltensweisen als regelgeleitet verstanden werden, die dies gar nicht sind, und die Kinder pochen anschließend darauf, dass diese selbst unterstellten „Normen“ eingehalten werden. Schon Vorschulkinder leiten Regeln aus individuellen Verhaltensweisen und spontanen Handlungen anderer ab. Viele Regeln werden den Kindern dabei durch verbale Gebote und Verbote vermittelt, wie etwa das Grüßen oder „Danke“ sagen. Auch müssen Kinder lernen zu teilen und niemandem ein Spielzeug aus der Hand zu reißen. Die wesentlichen Regeln werden ihnen schon früh durch Erwachsene vermittelt, wobei solche Normen eine Art sozialen Kitt bilden und eine wichtige Rolle in der Entstehung und Aufrechterhaltung menschlicher Kooperation und Kultur spielen. Vorschulkinder verstehen individuelle Verhaltensweisen und spontane Handlungen anderer sehr schnell als verallgemeinerbar, regelgeleitet und verbindlich. Im Rahmen einer Studie ließen man dreijährige Kinder spontane Handlungen von Erwachsenen beobachten, wobei etwa eine unbekannte Person Werkzeuge und andere Objekte aus einer Tasche holte und mit diesen kurze, scheinbar zielgerichtete Handlungen ausführte. In einer anderen Variante wurden gänzlich nutzlose Gegenstände aus einem Müllbeutel herausgeholt und ebenfalls spontane Handlungen durchgeführt. Vorschulkinder unterliegen dabei manchmal dem Trugschluss, dass das, was ist, auch so sein soll, auch wenn sie eine einfache Handlung zufällig und nur ein einziges Mal beobachtet haben und nichts dafür spricht, dass diese Handlung einer Norm oder Regel unterliegt.
    Solche Befunde legen daher nahe, dass Kinder früh und auch ohne direkte Anweisung weitreichende Schlussfolgerungen über die soziale Welt ziehen, in der sie leben. Diese frühe grundlegende Neigung von Kindern, die soziale Welt als inhärent normativ und regelgeleitet zu betrachten, könnte dabei Ausdruck ihrer Motivation sein, Dinge gemeinsam zu machen, sich mit ihrer kulturellen Gruppe zu identifizieren und kulturelles Wissen zu erwerben. Möglicherweise ist es auch diese gemeinsame innige Beziehung zu sozialen Normen, die menschliche Gesellschaften im Innersten zusammenhält (Schmidt et al., 2016).

    Frühe Suche nach Anerkennung durch andere

    Obwohl die menschliche Neigung, vor anderen Menschen gut dazustehen, allgegenwärtig ist, bleibt die Frage offen, ab welchem Alter diese Tendenz erkennbar ist. Frühere Studien hatten gezeigt, dass schon Drei- bis Fünfjährige um ihr Ansehen besorgt sind, denn wenn sie von anderen hörten, dass sie besonders schlau wären, waren sie anschließend bei einer Aufgabe eher zum Schwindeln bereit, denn sie wollten ihren Ruf als kluge Kinder bewahren. Offenbar prägen bewertende Verhaltensweisen der Eltern schon in diesem Alter das Wertesystem ihrer Kinder. In neueren Studien konnte man nun auch zeigen, dass sich die Sensibilität für die Bewertung durch andere schon im Alter von vierundzwanzig Monaten manifestiert. In Experimenten führte man diesen kleinen Probanden einen Spielzeugroboter vor, der mit zwei unterschiedlichen Fernbedienungen gesteuert werden konnte. Der Experimentator sagte bei der Nutzung der ersten Fernbedienung „Oh, wow!“, bei der zweiten: „Ups, oh nein!“. Dann überließ man den Kindern beide Fernbedienungen und beobachtete sie beim Spielen offen oder verdeckt. Dabei zeigte sich, dass die kleinen Probanden die positiv bebewertete Fernbedienung viel häufiger verwendeten, wenn sie sich beobachtet glaubten, als wenn sie sich nicht beobachtet fühlten. Kinder in diesem Alter sind offenbar in der Lage, ihr eigenes Verhalten strategisch der jeweiligen Situation anpassen (Stangl, 2018).

    Institutionelle Normen

    Normen beschreiben in der Organisationspsychologie auch Erwartungen und Richtlinien, wie sich Mitglieder eines Teams oder einer Organisation typischerweise verhalten sollten, wobei Normen etwa den Dress-Code oder Pausen- und Anwesenheitszeiten von MitarbeiterInnen betreffen können, aber auch bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Arbeitsleistung. Die Forschung zeigt, dass solche Normen als Anforderungen bewertet werden und deshalb bei den Betroffenen Stress auslösen können. Allerdings kann das Zugehörigkeitsgefühl zur Institution oder Organisation ähnlich wie ein respektvollen Umgang mit den MitarbeiterInnen als eine Art Stresspuffer zu wirken. Das liegt daran, dass Menschen, die sich stark mit ihrer Organisation identifizieren, deren Normen oftmals als ihre eigenen Standards annehmen, d. h., sie sind somit internal motivierter, diese Normen zu erfüllen, und bewerten diese Normen womöglich weniger als Druck von außen, was dann mit weniger Stress einhergeht.

    Literatur

    Botto, S. V. & Rochat, P. (2018). Sensitivity to the Evaluation of Others Emerges by 24 Months. Developmental Psychology, 54, 1723–1734.
    Schmidt, Marco F. H., Butler,  Lucas P., Heinz, Julia  & Tomasello, Michael (2016). Young Children See a Single Action and Infer a Social Norm: Promiscuous Normativity in 3-Year-Olds. Psychological Science, doi:10.1177/0956797616661182.
    Stangl, W. (2018). Bewertung durch andere. Werner Stangls Arbeitsblätter-News.
    WWW: http://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/ (2018-09-01).


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Inhaltsverzechnis