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phänomenale Selbst

    Der ursprünglich philosophische Begriff des phänomenalen Selbst beschreibt das psychologische Phänomen, dass wenn Menschen etwas empfinden, über etwas nachdenken oder etwas tun, sich ihrer selbst bewusst sind, dass sie es als Person sind, die diese Gefühle haben, diesen Gedanken nachhängen oder dieser Tätigkeit nachgehen. Menschen verfügen also wissentlich subjektiv über mentale Zustände wie Wahrnehmungen, Emotionen, Erinnerungen und Gedanken und können diese als solche erkennen. Solche bewussten Zustände treten vor allem dann auf, wenn Menschen komplexe Informationen über die Umwelt und ihren eigenen Körper mit Erinnerungen früherer Erfahrungen vergleichen und etwa für die Planung von Handlungen nutzen. Diese bewussten Zustände schaffen im Menschen also das Phänomen des Erlebens, d.h., eine an die subjektive Innenperspektive gebundene, als bewusst wahrgenommene, eine meist mit einem Ich-Empfinden verbundene Darstellung der Außenwelt, eine mentale Welt im Gehirn, in der man wahrnimmt, fühlt, denkt und plant.

    Nach Ansicht von  Neurowissenschaftlern ist dieses im Handeln entstehende Ich nichts anderes als eine mentale Konstruktion, die vom Gehirn erzeugt wird, um selektiv und effektiv Informationen darzustellen und zu verarbeiten, also zu repräsentieren. Daher gibt es nach Ansicht der Wissenschaft kein an sich existierendes, irreduzibles Selbst, sondern es gibt nur das erlebte Gefühl des Ich-Seins und ständig wechselnde Inhalte des Bewusstseins von sich selbst. Das Ich ist somit eine der zentralen Leistungen des Gehirns, das dafür sorgt, dass man trotz der unaufhörlichen Veränderungen den Eindruck hat, immer stets dasselbe Ich zu sein, das in einem Hier und Jetzt als lokale und zeitliche Einheit lebt und erlebt. Es entsteht dabei auch ein Modell der Welt, das mit dem Modell des Selbst untrennbar verbunden ist.

    Aus evolutionärer Sicht sind es vermutlich diese Selbstmodelle, die erst die Bildung von sozialen und gesellschaftlichen Strukturen ermöglicht haben, gleichzeitig wird aber auch Individualität und Personalität erst in Gesellschaften durch wechselseitige Anerkennungsbeziehungen zwischen rationalen Individuen konstituiert. Nach Metzinger haben Menschen als einzige Spezies dieses eingebaute Problem: „Erstens hat unser bewusstes Selbstmodell einen räumlich kodierten Teil, das Körperbild, und einen außersinnlichen, das Denken. Darum sind Menschen intuitive Dualisten. Zweitens beherrscht uns ein tief in unser Selbstmodell eingebrannter biologischer Imperativ: Du darfst nicht sterben, du musst überleben. Und drittens haben wir bewusste Gedanken, und der präfrontale Kortex, unser kognitives Selbstmodell, sagt uns: Der größte anzunehmende Unfall, der wird kommen, auch für dich. Das ist der existenzielle Riss im Selbstmodell. Niemand von uns ist gefragt worden, ob er existieren will, mit diesem Gehirn, mit dieser Form von Bewusstsein. Und am Ende werden wir auch nicht gefragt werden, ob wir bereit sind zu gehen. Wir sind die ersten Tiere, die das bewusst erleben.“

    Literatur & Quellen

    Metzinger, T. (2014). Der Ego-Tunnel. Eine neue Philosophie des Selbst – Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik. Berlin: Piper.
    http://www.zeit.de/2007/34/M-Seele-Interview/ (07-11-16)


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