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Einsamkeit

    Allein zu essen ist für einen philosophierenden Gelehrten ungesund.
    Immanuel Kant

    Das Erlernen der Einsamkeit ist eine Kraft und nicht ein Ziel.
    Élisabeth Badinter

    Einsamkeit ist der Weg, auf dem das Schicksal den Menschen zu sich selber führen will.
    Hermann Hesse

    Am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
    Erich Kästner

    Einsamkeit bezeichnet die negative Empfindung, von anderen Menschen getrennt zu sein, wobei dieses subjektive Gefühl nicht zwangsläufig mit physischem Alleinsein und tatsächlicher sozialer Isolation zusammenhängen muss. Einsamkeit kann depressiv und auch körperlich krank machen, wobei es Lebensphasen gibt, in denen sich Menschen besonders einsam fühlen. Auf dem Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie stellten Experten 2013 aktuelle Zahlen zur Einsamkeit bei Männern und Frauen im Alter vor und diskutierten Folgen und Risikofaktoren von Einsamkeit. Von den über 65-Jährigen leben nach Untersuchungen die Hälfte aller Frauen und jeder fünfte Mann allein, wobei Männer und Frauen gleichermaßen von Einsamkeit betroffen sind.

    Einsamkeit eine Trenddiagnose?

    Nach Ansicht mancher Forscher ist Einsamkeit eine Trenddiagnose, denn viele Menschen sind gern einmal allein, und es ist schwer feststellbar, ab wann die Isolation etwas ist, das Menschen krank macht. Einsamkeit ist definitionsgemäß sicher keine Krankheit, denn wäre sie ein körperliches Leiden, müssten nachweislich ein oder mehrere Organsysteme in Mitleidenschaft gezogen sein, was aber nicht der Fall ist. Auch gäbe es dann klare diagnostische Kriterien, anhand derer man das Verhalten und das Empfinden von Gesunden und Kranken trennen könnte. Niedergeschlagenheit etwa ist ja auch keine Krankheit, sondern nur eines der zahlreichen Symptome einer Depression. Einsamkeit ist letztlich nur subjektives ein Gefühl und kann dabei mögliches Symptom einer psychischen Krankheit angesehen werden. Manche Menschen suchen bekanntlich bewusst die Einsamkeit und entziehen sich der Welt, um innerlich zur Ruhe zu kommen. Einsamkeit kann dabei deren Sinne schärfen und die Möglichkeit geben, sich wieder auf etwas Neues zu fokussieren. Einsamkeit ist aber natürlich auch etwas, worunter manche Menschen leiden, vor allem wenn sie chronisch einsam sind, d. h., wenn ihr soziales Netz zusammenbricht oder eine Krankheit ihnen die Möglichkeit nimmt, Beziehungen zu anderen fortzusetzen oder überhaupt aufzubauen.


    In Großbritannien hat 2018 die britische Regierung ein Ministerium für den Kampf gegen die Einsamkeit eingerichtet, wobei man eine Einsamkeitsstrategie formuliert und ein Budget von über 14 Millionen Euro zur Verfügung gestellt ha. Die aktuelle (2019) Amtsinhaberin, Baronesse Diana Barran, Parliamentary Under-Secretary of State for Civil Society and Loneliness, stellte einen neuen 2,5-Millionen-Euro-Fonds vor, der Organisationen finanziell helfen soll, Menschen zusammenzubringen und soziale Verbindungen zu schaffen. Das Einsamkeitsministerium unterstützt Projekte, die dem Alleinsein auf ganz unterschiedliche Weise begegnen, indem etwa Wandergruppen und Gemeindechöre subventioniert werden oder Stadtteilzentren und Beratungsstellen Zuschüsse erhalten. Eine Initiative nennt sich „Rural Coffee Caravan“, bei dem ein Wohnwagen-Café in Dörfern der Grafschaft Sussex ambulante Kaffeetreffs anbietet. Ärzte dürfen im Rahmen des „Social Prescribing“ Gesellschaft auf Rezept zu verschreiben, wobei diese soziale Medikation Betroffene mit Helfern zusammenbringt, die bei sozialen Problemen assistieren oder Aktivitäten organisieren.


    Einsamkeit ist auch ein Gefühl, das die Evolution den Menschen als Steuerungsinstrument an die Hand gegeben, denn Einsamkeit erinnert sie daran, dass sie soziale Wesen sind und sein müssen. Ohne den steten Kontakt zur Horde sanken einst die Überlebenschancen gewaltig, doch kann Einsamkeit einen Menschen immer weiter von anderen Menschen entfernen, anstatt ihn zurück in die Gemeinschaft zu führen. Kurzfristig ist Einsamkeit also evolutionär durchaus sinnvoll, denn sie bringt den Menschen dazu, die eigenen Bedürfnisse stärker wahrzunehmen und motiviert, Sozialkontakte zu pflegen. Jemand, der alleine lebt, muss daher nicht zwingend einsam sein, denn viele Singles lieben ihre Ungebundenheit, wobei man sich im übrigen auch mit vielen Menschen um sich herum chronisch einsam fühlen kann, wenn die echte gegenseitige Ansprache fehlt. In einer Studie von Cacioppo et al. (2017) zeigte sich, dass Menschen nach einem Jahr der Einsamkeit mehr Selbstbezogenheit zeigen, wobei sich diese Selbstbezogenheit durchaus auch als Indikator für Einsamkeit erwies. Cacioppo et al. (2017) begleiteten über zehn Jahre Bewohnern von Cook County, Illinois, wobei die Probanden jährlich umfangreiche Fragebögen auszufüllen hatten. Dabei stellten sie fest, dass Einsamkeit in einem Jahr mit besonderer Ichbezogenheit im Jahr darauf korrelierte, wobei im umgekehrten Fall Ichbezogenheit wiederum Einsamkeit im Folgejahr begünstigte. Menschen, die zu lange alleine oder gar einsam sind, fokussieren sich daher sehr stark auf sich selbst, was dazu führen kann, sich erst recht einsam zu fühlen, wobei die Wandlung zum Egozentriker zusätzlich dazu führen kann, dass ihre Mitmenschen auf Abstand gehen. Die Gesellschaft anderer Menschen mag für viele zwar anstrengend sein, doch ohne soziales Umfeld mutieren manche Menschen zum Einzelgänger, indem sich bei ihnen Einsamkeit und Ichbezogenheit gegenseitig hochschaukeln.

    WHO will gegen Einsamkeit als Gesundheitsrisiko vorgehen

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) untersucht laut einer Pressemeldung vom 15. November 2023, wie Sozialkontakte als Beitrag zu guter Gesundheit gefördert werden können, und setzte dazu eine Kommission ein. Es heißt dort: „Menschen ohne starke soziale Kontakte seien einem höheren Risiko von Schlaganfällen, Angststörungen, Demenz, Depressionen und Suizid ausgesetzt, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Das Risiko eines vorzeitigen Todes sei für einsame Menschen so hoch wie oder höher als das Todesrisiko durch Tabakkonsum, Fettleibigkeit und Luftverschmutzung.  Soziale Isolation sei nicht nur ein Phänomen unter Älteren in reichen Ländern, berichtete die WHO. Menschen aller Altersstufen in vielen Ländern litten darunter, wenig Kontakt mit Freundinnen und Freunden sowie Verwandten zu haben. Unter Heranwachsenden seien nach Studien weltweit fünf bis 15 Prozent betroffen, unter den älteren Menschen ein Viertel. Diese Schätzungen seien vermutlich noch zu niedrig. Die neue Kommission soll in den kommenden drei Jahren Pläne dazu entwickeln, wie in Ländern aller Einkommensstufen Sozialkontakte gefördert werden können. Sie soll auch den Einfluss guter Sozialbindungen auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Gesellschaften untersuchen.“

    Untersuchungen in den USA haben bereits gezeigt, dass körperliche und psychische Gesundheitsprobleme in dieser Altersgruppe im Vergleich zu früheren Jahrzehnten deutlich zugenommen haben, aber ob dies auch für die Einsamkeit gilt, wurde bisher kaum untersucht. Die Zusammenhänge zwischen sozialer Isolation, Einsamkeit und dem Mortalitätsrisiko durch alle Ursachen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs sind daher umstritten. Wang et al. (2023) haben in einer Metaanalyse prospektive Studien zum Zusammenhang zwischen sozialer Isolation, Einsamkeit und Mortalität bei Erwachsenen ab 18 Jahren sowie Studien zu diesen Zusammenhängen bei Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass in der Allgemeinbevölkerung sowohl soziale Isolation als auch Einsamkeit signifikant mit einem erhöhten Risiko für die Gesamtmortalität verbunden sind, wobei soziale Isolation die Sterblichkeit erhöht. Bei sozial isolierten Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Brustkrebs wurde ein erhöhtes Risiko für die Gesamtmortalität festgestellt, und bei Menschen mit Brustkrebs war die krebsspezifische Mortalität durch soziale Isolation erhöht.

    In einer neuen Studie verwendeten Infurna et al. (2024) Langzeitdaten aus den USA und europäischen Ländern, wobei die Teilnehmenden zwischen 45 und 65 Jahre alt waren. Das Gefühl der Einsamkeit nahm überall zu, aber Amerikaner und Amerikanerinnen fühlten sich in der Mitte des Lebens noch einsamer als Europäer und Europäerinnen, wobei die jüngeren Generationen der Babyboomer und der Generation X besonders betroffen waren. Auch in Großbritannien und im Mittelmeerraum hat die Einsamkeit unter den jüngeren Befragten zugenommen, wenn auch nicht so deutlich wie in den USA. In Nord- und Mitteleuropa ist das durchschnittliche Einsamkeitsempfinden relativ stabil geblieben. Hinter den Unterschieden werden kulturelle Normen und sozioökonomische Faktoren vermutet, da in den USA Individualismus und soziale Medien eine größere Rolle spielen. Hinzu kommt eine höhere Mobilität, die den familiären Zusammenhalt erschwert, während große Einkommensunterschiede und mangelnde soziale Absicherung das Gefühl der Einsamkeit verstärken dürften.


    Digitale Tools zur Erfassung der Einsamkeit

    Die Gesundheitsmanagerin Leonie Cammerlander hat sich an der Fachhochschule Burgenland mit neuen digitalen Werkzeugen auseinandergesetzt, die es etwa Fachkräften in der Pflege oder in Sozialberufen erleichtern sollen, Einsamkeit zu erkennen und Maßnahmen dagegen zu entwickeln, die auf die Betroffenen abgestimmt sind. Bei den digitalen Werkzeugen handelt es sich um Screening Tools – also um Instrumente zur ersten groben Untersuchung von Personen auf das Vorliegen einer Gefährdung oder Erkrankung, die im EU-Projekts „Digi-Ageing“  von einem Konsortium aus sieben internationalen Institutionen entwickelt wurden. Dazu gehört als erste Stufe ein digitaler Schnelltest („Loneliness Quick Check“) – ein standardisierter Fragebogen, durch den in fünf bis zehn Minuten festzustellen ist, ob ein mittleres oder höheres Risiko für Einsamkeit vorliegt, wobei eine kürzliche Pensionierung, ein fehlendes soziales Netzwerk, Mobilitätseinschränkungen, ein kürzlicher Umzug oder keine Internetnutzung dieses erhöhen. Liegt ein erhöhtes Einsamkeitsrisiko vor, schließt sich als zweite Stufe ein detaillierteres Screening an, das etwa 20 Minuten in Anspruch nimmt (University of California Loneliness Assessment). In einer Karte wird anschließend das soziale Netzwerk des älteren Menschen – Familie, Verwandte, Freunde, Nachbarn – detailliert erfasst und gemeinsam analysiert. Darauf aufbauend wird ein Aktionsplan für die nahe Zukunft erstellt, also erste kleine Schritte, die zur Aktivierung der älteren Menschen beitragen. Link (Registrierung notwendig!): http://digi-ageing.eu/de/registration-de/


    Wie sich Einsamkeit im Gehirn manifestiert

    Spreng et al. (2020) haben unter Verwendung der UK Biobank Population Imaging-Genetics Kohorte (etwa vierzigtausend Menschen im Alter von 40-69 Jahren mit einem Durchschnittsalter etwa fünfundfünfzig Jahren), in der Morphologie der grauen Substanz, der intrinsischen funktionellen Kopplung und der Mikrostruktur der Faserbahnen auf Signaturen von Einsamkeit geprüft. Die mit Einsamkeit verbundenen neurobiologischen Profile konvergieren in einer Ansammlung von Hirnregionen, die als Standardnetzwerk (default network) bekannt sind, wobei dieses höhere assoziative Netzwerk konsistentere Einsamkeitsassoziationen im Volumen der grauen Substanz zeigt als andere cortikale Gehirnnetzwerke. Bei Einsamen wardemnach das Netzwerk besonders stark ausgeprägt war, das für Erinnerungen und hypothetische Szenarien gebraucht wird, und zwar im Hippocampus, wo Erinnerungen abgerufen werden und in den Nervenfasern der Fornix (der Fornix cerebri ist eine C-förmige Projektionsbahn des Gehirns, die den Hippocampus mit den Corpora mammilaria verbindet), die diese Informationen weitertragen. Das bedeutet, dass Menschen, die sich einsam fühlen, ihre Gedanken eher nach innen richten, wobei diese dabei ihre Vorstellungskraft nutzen, um in Erinnerungen an die Vergangenheit zu schwelgen oder Gedanken an die Zukunft zu entwickeln. In Abwesenheit von erwünschten sozialen Erfahrungen sind einsame Personen möglicherweise auf nach innen gerichtete Gedankengänge wie das Erinnern oder Vorstellen von sozialen Erfahrungen zurückgeworfen.

    Baek et al. (2023) haben Daten funktioneller Kernspintomographie von Studienanfängern genutzt, um die relative Ausrichtung der mentalen Verarbeitung von naturalistischen Reizen zu messen und zu prüfen, ob einsame Menschen die Welt tatsächlich auf eigenwillige Weise verarbeiten. Man fand dabei ebenfalls Belege für eine solche Idiosynkrasie, denn die neuronalen Reaktionen einsamer Probanden unterschieden sich von denen ihrer Altersgenossen, insbesondere in Regionen des Default-Mode-Netzwerks, in denen ähnliche Reaktionen mit geteilten Perspektiven und subjektivem Verständnis in Verbindung gebracht werden. Diese Zusammenhänge blieben auch bestehen, als man demografische Ähnlichkeiten, objektive soziale Isolation und die Freundschaften der Personen untereinander kontrollierte. Diese Ergebnisse deuten demnach ebenfalls darauf hin, dass die Tatsache, dass man von Menschen umgeben ist, die die Welt anders sehen als man selbst, selbst wenn man mit ihnen befreundet ist, ein Risikofaktor für Einsamkeit sein kann.

    Courtney & Meyer (2020) haben die Gehirnaktivität beim Nachdenken über andere Menschen untersucht und konnten zeigen, dass das menschliche Gehirn die Intensität der Bindung zu anderen Menschen widerspiegelt. Sie analysierten die neuronale Aktivität von 43 Männern und Frauen mithilfe der funktionalen Magnetresonanztomografie, während diese über die Merkmale von ihnen selbst, der von engen Freunden oder von prominenten Menschen nachdachten. Dabei unterschied sich das Muster der Gehirnaktivität je nach Bezugsperson, denn das Nachdenken über sich selbst aktivierte andere Schaltkreise, als wenn die Probanden und Probandinnen über enge Freunde oder über nur aus dem Medien bekannte Menschen nachsannen. Dabei waren sich diese Muster umso ähnlicher, je enger sie sich mit der jeweiligen Person verbunden fühlten, sodass für die neuronale Repräsentation die subjektive Beziehung zu diesen Personen entscheidend war, wobei in allen Fällen der mediale präfrontale Cortex aktiv war, also jenes Areal im Stirnhirn, das unter anderem für das Selbstbild zuständig ist. Als man die Hirnaktivität von einsamen Probanden und Probandinnen mit denen von sozial gut integrierten verglich, zeigten sich auffallende Unterschiede, denn zum einen besaßen die einsameren eine schwächere Selbstrepräsentation im präfrontalen Cortex, d. h., ihr Aktivierungsmuster war stärker von anderen Arealen entkoppelt als bei nichteinsamen Teilnehmern. Auch unterschieden sich die neuronalen Muster für das Selbst und für enge Freunde stärker, wobei bei den meisten beim Nachdenken an sich selbst oder an Freunde eine sehr ähnliche cortikale Konstellation aktiviert wurde. Bei Menschen, die unter Einsamkeit litten, war die Repräsentation des Selbst im Gehirn stärker von der Repräsentation anderer Menschen entkoppelt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Gefühl der chronischen sozialen Isolation durch eine isolierte Selbstrepräsentation im Gehirn widergespiegelt wird, doch es bleibt unklar, ob diese neuronalen Unterschiede Ursache oder Wirkung sind. Das soziale Gehirn scheint demnach zwischenmenschlichen Bindungen zu kartografieren, wobei Veränderungen in dieser Karte erklären, ob sich Menschen in einem sozialen Netzwerk befinden oder nicht.

    Einsamkeit bei Tieren

    Susanne Foitzik von der Johannes-Gutenberg Universität in Mainz hat in einer Studie herausgefunden, dass auch Ameisen auf soziale Isolation ähnlich wie Menschen und andere soziale Säugetiere reagieren. Ameisen legen als Folge von sozialer Isolation ein verändertes Sozial- und Hygieneverhalten an den Tag, wobei zusätzlich im Gehirn der isolierten Ameisen die Immun- und Stressgene herunterreguliert werden, also dass das Immunsystem weniger Leistung bringt, ähnlich wie beim Menschen.

    Übrigens haben Studien gezeigt, dass Mäuse langes Alleinsein kompensieren, denn zurück in ihrer Gruppe sind sie enorm sozial, beschnüffeln und berühren sich gegenseitig viel, wobei je länger ein Tier isoliert war, desto stärker ist dieser Effekt. Man muss bei der Übertragung von psychologischen Untersuchungsergebnissen von Mäusen auf Menschen zwar vorsichtig sein, doch ist festzuhalten, dass etwa bei der Untersuchung von Bedürfnissen diese im Gehirn vom Hypothalamus gesteuert werden, und bis jetzt sind alle entdeckten Funktionen dieser Hirnstruktur stark konserviert, d. h., evolutionär kaum verändert. Das gilt etwa für die Kontrolle von Schlaf, Fortpflanzung und Nahrungsaufnahme, sowohl bei Fischen und Reptilien als auch bei Säugetieren. Die meisten Experimente zur Isolation kann man natürlich nicht an Menschen durchführen, denn soziale Interaktion ist stark ritualisiert und von Phänomenen der evolutionär jüngeren Großhirnrinde beeinflusst, aber Menschen leiden etwa in ähnlicher Weise unter Isolation wie eine Maus.


    Der Neurologe Magnus Heier über das Gehirn: Sie müssen sich Ihr Gehirn wie ein unfassbar einsames Organ vorstellen. In Ihrem Gehirn entsteht zwar eine Welt, in der sich mich hören und sehen. Und wenn Sie Pech haben, riechen Sie mich auch. Sie haben also eine präzise Vorstellung von Ihrer Umgebung. Das ist natürlich alles Quatsch. Ihr Gehirn liegt in einer dunklen Höhle ohne jeden Kontakt nach außen. Das Gehirn hört nicht, sieht nicht, riecht nicht, fühlt nicht. Sie können es streicheln oder sogar operieren, es merkt es gar nicht. Es bekommt lediglich elektrische Signale von außen. Aus dem Auge, aus dem Ohr, von der Zunge. Und aus diesen elektrischen Signalen konstruiert es eine Welt, in der oder mit der es leben kann. Ob das irgendetwas mit der objektiven Welt da draußen zu tun hat, ist stark zu bezweifeln. Es gibt da draußen keine Farben. Was sie als „blau“ und schön empfinden ist keine Farbe, das ist eine Wellenlänge des Lichts. Im Grunde haben Sie ein wahnhafte Vorstellung Ihres Äußeren. (…) Ich nehme Ihnen damit auch die Illusion, dass Sie irgendwelche Dinge sachlich, nüchtern, objektiv, nachvollziehbar verarbeiten. Das tun Sie alles nicht. Sie sind geprägt von Eindrücken, Emotionen und Irrationalitäten. Ihre Partner-, Handy- oder Autowahl steht zum Beispiel auf ganz anderen Füßen, als Sie glauben. Wir können sogar beweisen, dass Ihre Entscheidungen umso klüger werden, je mehr Ihr Bewusstsein abgelenkt wird. Je besser und aktiver Ihr Unterbewusstsein vor Entscheidungen arbeiten kann, umso besser werden diese ausfallen.


    Was ist eigentlich Einsamkeit?

    Es gibt keine klare Definition bzw. Diagnose für Einsamkeit und daher auch keinen statistischen Wert, ab dem jemand einsam ist, sondern man misst das Phänomen der Einsamkeit, indem man Menschen entweder direkt befragt oder indirekt zur sozialen Verbundenheit. Aus den Antworten kann man dann einschätzen, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die sich manchmal, oft oder immer einsam fühlen. Sicher ist, dass Einsamkeit zu gravierenden psychischen und körperlichen gesundheitlichen Problemen führen kann, denn chronisch einsame Menschen werden eher depressiv, entwickeln eher Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und sterben sogar früher im Vergleich zu nicht einsamen Menschen.

    Nach Luhmann gibt es allerdings auch in ganz bestimmten mittleren Lebensphasen (um die 30 herum) das Gefühl der Einsamkeit, wobei die etwa 30-jährigen sehr viel einsamer sind im Durchschnitt als diejenigen, die etwas jünger oder etwas älter waren. Allerdings gibt es keine eindeutigen Faktoren wie gesundheitliche Einschränkungen soziale Kontakte, Anzahl der Freunde, Einkommen oder Bildung, die dieses Phänomen erklären können. Um das 30. Lebensjahr herum ereignen sich bei vielen Menschen bedeutende Umbrüche in ihren sozialen Beziehungen, wenn etwa Kinder geboren werden, so führt dies nicht selten dazu, dass man sich von den Freunden ein Stück weit entfremdet, die ein anderes Leben führen, die weiterhin abends lange ausgehen, während man selber sich zu Hause um den Nachwuchs kümmert. Bestätigt wird das durch eine Umfrage in Großbritannien, bei der sich Eltern häufig einsam fühlen, denn mehr als die Hälfte der befragten Mütter und Väter sagten, dass sie seit der Geburt ihres Kindes eher isoliert sind. Sie fühlen sich von Freunden, Familie und dem Rest der Welt abgeschnitten, was nicht allein durch den Pflegeaufwand erklärt werden kann, sondern auch dadurch, dass das Geld mit Kindern häufig knapp wird und sie nicht mehr so oft aus dem Haus kommen.

    Luhmann & Hawkley (2016) schätzen, dass zehn bis zwanzig Prozent der Menschen zumindest manchmal von Einsamkeitsgefühlen betroffen sind. Daher wäre es notwendig, die Rahmenbedingungen zu verbessern, um Betroffenen die Teilnahme am täglichen sozialen Leben zu erleichtern, d. h., gezielte Förderung von Initiativen, die sich gezielt an einsame Menschen wenden, kann hilfreich sein. Zusätzlich ist auch ein Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung notwendig, denn Menschen, die schon lange chronisch einsam sind, kommen häufig nicht mehr ohne professionelle Unterstützung heraus.

    Zu Untersuchung der Einsamkeit

    Einsamkeit ist in der späteren Lebensphase von Erwachsenen relativ gut untersucht, auch weil Altwerden häufig zusammenfällt mit Änderungen im sozialen Umfeld, zum Beispiel das Alleinleben, wenn ein Partner nicht oder nicht mehr vorhanden ist, wenn auch einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgegangen wird und damit potentielle soziale Kontakte entfallen. Aber auch körperliche Beeinträchtigungen können dazu führen, dass Menschen weniger sozial aktiv sind, also auch nicht mehr so oft aus dem Haus gehen können, auch wenn sie das vielleicht möchten. Gesundheitliche Einschränkungen, abnehmende Mobilität, Partnerverlust sind demnach Risikofaktoren, die eine Vereinsamung begünstigen und die im hohen Alter verstärkt auftreten.

    Dass die Wurzeln der Einsamkeit oft in der Kindheit liegen können, wurde in einer Studie von Guthmuller (2022) nachgewiesen, die den Zusammenhang zwischen den Umständen in der Kindheit und der Einsamkeit bei älteren Erwachsenen untersuchte. Auf der Grundlage umfangreicher Daten, die im Rahmen des Survey on Health, Ageing, and Retirement in Europa zu Kindheitscharakteristika und individuellen Merkmalen im Alter von 50+ erhoben wurden, war die Autorin in der Lage, Persönlichkeitsmerkmale, sozioökonomische und demographische Faktoren, soziale Unterstützung und Gesundheit im späteren Leben sowie länderspezifische Merkmale zu erfassen. Es zeigten sich dabei deutliche Zusammenhänge zwischen den Lebensumständen in der Kindheit und dem Gefühl der Einsamkeit im Alter, wobei diese Zusammenhänge auch nach Berücksichtigung von Kovariaten bestehen blieben. Während schlechte Gesundheit erwartungsgemäß der wichtigste Faktor ist, der mit Einsamkeit im höheren Alter korreliert, machten Persönlichkeitsmerkmale mehr als zehn Prozent der erklärten Varianz aus, darunter die Lebensumstände in der Kindheit sieben Prozent. Die soziale Unterstützung im Alter war mit 27 Prozent die zweitwichtigste Kategorie von Faktoren, wobei interessanterweise die Unterstützung zu Hause und die Merkmale des sozialen Netzwerks jeweils etwa zehn Prozent beitrugen und das Engagement bei Aktivitäten und Computerkenntnisse sieben Prozent der erklärten Varianz ausmachten. Auf demografische und sozioökonomische Faktoren entfielen sechs Prozent und auf länderspezifische Merkmale fünf Prozent. Im Detail: Menschen, die in der Kindheit wenige oder keine Freunde hatten, bei denen sie sich wohl fühlten, hatten in der Studie eine 1,24 Mal höheres Risiko, später Einsamkeit zu erleben, bei Menschen, die in der Kindheit eine schlechte Beziehung zur Mutter hatten, war das Risiko 1,34 mal, bei jenen, die in ärmeren Verhältnissen aufwuchsen, 1,21 mal höher. Die Studie zeigt insgesamt die Bedeutung von Maßnahmen im frühen Lebensalter für die Bekämpfung der Einsamkeit im Alter und zeigt, dass frühzeitige Maßnahmen und Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Unterstützung im späteren Leben an alle Persönlichkeitstypen angepasst werden müssen.

    Psychologen unterscheiden in der Regel zwei Formen der Einsamkeit: Die emotionale Einsamkeit, wenn ein Vertrauter fehlt, ein Partner, mit dem man sich verbunden fühlt, und die soziale Einsamkeit, wenn es den Betroffenen grundsätzlich an sozialen Beziehungen mangelt, an Unterstützung durch FreundInnen, Nachbarn oder KollegInnen. Übrigens erleben Verwitwete häufiger als Verheiratete eine die Psyche belastende emotionale Einsamkeit, jedoch seltener soziale Einsamkeit. Die Einsamkeit erfüllt auch eine wichtige Funktion, denn so wie Hunger ist sie ein Signal, dass man den Kontakt zu anderen verliert. In der Evolution war es für jedes Individuum wichtig zum Überleben, die Verbindung zur Gruppe zu erhalten, denn Isolation konnte letal sein. Erst in der Gruppe konnte man sich zu behaupten und die eigenen Gene weitergeben.

    Einsamkeit ist nach Untersuchungen zunächst vor allem ein Phänomen des hohen Alters, denn viele Menschen ab achtzig Jahren beschreiben sich als besonders einsam. Diese Einsamkeit des Alters ist wesentlich durch das Fehlen eines Partners, seltenere Sozialkontakte, geringeres Einkommen sowie gesundheitliche Einschränkungen bestimmt. Doch gibt es auch im jungen und mittleren Erwachsenenalter Lebensphasen, in denen Einsamkeit stark ausgeprägt war, etwa in den frühen Dreißigern sowie in den Fünfzigern. Es gibt nach deutschen Untersuchungen einen enormen Anstieg vor allem ab 75 oder 80 Jahren, was ganz dem Klischee entspricht, das viele von alten Menschen haben. Man denkt dann etwa an die alte Frau, die den ganzen Tag am Fenster sitzt und auf die Straße schaut und sonst keine Kontakte hat. Dieses Bild trifft also anscheinend ein Stück weit zu, es ist tatsächlich so, dass sehr alte Menschen, also etwa ab 75, 80 Jahren, zu denjenigen gehören, die am einsamsten sind.

    Die Einsamkeit im Lebenslauf

    Susanne Bücker, Professorin für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Witten/Herdecke, beschäftigt sich mit den Themen Einsamkeit und Entwicklung von Zufriedenheit über die Lebensspanne. In ihrer entwicklungspsychologischen Forschung konzentriert sie sich auf die Zeitspanne von der späten Kindheit bis ins hohe Alter und beschäftigt sich vor allem mit den sozio-emotionalen Phänomenen Einsamkeit und Selbstwert. Sie untersuchte auch, wie sich das Einsamkeitsempfinden im Laufe des Lebens verändert und fand heraus, dass vor allem das junge Erwachsenenalter (18 bis 29 Jahre) und das hohe Alter (80 Jahre und älter) Risikophasen darstellen, in denen sich Menschen häufiger einsam fühlen als in anderen Lebensabschnitten. Dieser Befund ist insofern überraschend, als junge Erwachsene stark vernetzt sind und scheinbar alle Möglichkeiten haben, dennoch scheinen viele junge Menschen mit ihren sozialen Beziehungen unzufrieden zu sein oder sich nicht verstanden zu fühlen. Es hat sich auch gezeigt, dass Menschen, die sich chronisch einsam fühlen, nicht nur ein erhöhtes Risiko für Depressionen oder Angststörungen haben, sondern auch für Schlaganfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Demenz. Bei der Frage, wie zufrieden die Menschen mit ihrem Leben sind, wie sich diese Zufriedenheit im Laufe des Lebens verändert und ob es tatsächlich eine Midlife Crisis gibt, zeigte sich, dass es in der Lebensmitte keine Abnahme der Lebenszufriedenheit gibt, was gegen die Theorie einer Midlife Crisis spricht. In der Pubertät hingegen sinkt das Wohlbefinden deutlich, da es sich um eine turbulente und herausfordernde Lebensphase handelt, in der natürlich auch körperlich viel passiert. Nach der Pubertät steigt die Lebenszufriedenheit dann kontinuierlich leicht an, ein Trend, der sich erst im hohen Alter ab etwa 70 Jahren wieder umkehrt.

    Holt-Lunstad et al. (2015) haben in einer Metastudie untersucht, wie sehr soziale Isolation ein Risiko für die Gesundheit von Menschen darstellt. Es wurden dafür die Ergebnisse von Studien zusammengefasst, in denen untersucht worden war, welchem Einfluss soziale Isolation, Einsamkeit und das Allein-Leben auf die Sterblichkeit haben. Dabei zeigte sich, dass wenn man sich dauerhaft einsam fühlt, sich das Sterberisiko um 26 Prozent erhöht, ist man sozial isoliert, steigt es auf 29 Prozent, und bei Menschen beträgt das Risiko 32 Prozent. Das Gehirn nimmt offenbar die psychischen Schmerzen der Einsamkeit genauso wahr wie körperliche, sodass Einsamkeit ein Warnsignal wie Hunger oder Durst darstellen kann. Menschen in Isolation sollten sich dahe genau überlegen, was ihnen fehlt und was nicht, denn fehlt der soziale Kontakt, ist es etwa eine gute Strategie, andere Menschen über soziale Medien, Telefon oder auch altmodische Briefe zu erreichen. Kann man z.B. nicht seine Wohnung verlassen, etwa auf Grund einer Quarantäne, ist es eine gute Option, sich einem Hobby zu widmen, für das bisher wenig Zeit vorhanden war. Wer viel Zeit allein verbringt, kommt schnell ins Grübeln, das kann unter anderem auch zu bedrohlichen Ängsten führen. Vor allem Menschen mit einem hohen Ausmaß an Neurotizismus machen sich häufig Sorgen, sind ängstlich und lassen sich schnell unter Druck bringen. Die Gefahr ist dabei, dass sich jemand seinen Ängsten und Sorgen hingibt, statt seine Probleme aktiv zu lösen.

    Tomova et al. (2020) haben die Folgen untersucht, wenn Menschen gezwungen sind, sich voneinander zu isolieren. In einem Experiment mit funktioneller Magnetresonanztomographie wurden die neuronalen Reaktionen nach zehn Stunden Fastens oder völliger sozialer Isolation auf Nahrung und soziale Signale gemessen. Nach der Zeit der Entbehrung zeigte man ihnen Fotos von ihrem Lieblingsessen, von gemeinschaftlichen Aktivitäten und neutrale Bilder als Kontrollbedingung. Nach der Isolation fühlten sich die Menschen einsam und sehnten sich nach sozialer Interaktion, wobei die Mittelhirnareale nach dem Fasten und nach der Isolation eine erhöhte Aktivierung auf Essenssignale und auf soziale Signale zeigten. Diese Reaktionen korrelierten dabei mit dem selbstberichteten Verlangen. Neuronale Muster als Reaktion auf Essenssignale, wenn die Teilnehmer hungrig waren, verallgemeinerten sich nach der Isolation offenbar auch auf soziale Signale. Offenbar verursacht soziale Isolation soziales Verlangen ähnlich wie Hunger, sodass Sozialkontakte vermutlich ein menschliches Grundbedürfnis wie Nahrungsaufnahme darstellt. Die Probanden und Probandinnen fühlten sich übrigens einsam, obwohl sie wussten, dass die Isolation zeitlich begrenzt bleiben wird. Man kann auch vermuten, dass soziale Isolation durch Belohnungen anderer Art kompensiert werden dürften, also vermehrte Nahrungsaufnahme.

    Einsamkeit ist ein wichtiges Thema und Problem für die öffentliche Gesundheit und hängt mit sozialen aber auch umweltbedingten Faktoren wie Wohnverhältnisse zusammen. In früheren Studien wurde Einsamkeit in der Regel als stabiler emotionaler Zustand untersucht, wobei meist retrospektive Querschnittsstudien eingesetzt wurden. Menschen empfinden jedoch im Laufe eines Tages je nach ihrer Umgebung unterschiedliche Grade von Einsamkeit. In der vorliegenden Studie untersuchten Hammoud et al. (2021) die Zusammenhänge zwischen Einsamkeit und sozialen und umweltbezogenen Faktoren, etwa Zusammenballung, Bevölkerungsdichte, sozialer Eingliederung bzw. Kontakt zur Natur in Echtzeit. Mit der Smartphone-App Urban Mind wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Daten zu ihrer aktuellen ökologischen Befindlichkeit erhoben und dafür genutzt, Zusammenhänge zwischen dem momentanen Gefühl der Einsamkeit, dem sozialen Umfeld, d. h. Überbelegung, soziale Inklusion, Bevölkerungsdichte, und der baulichen Umwelt, d. h. Kontakt mit der Natur, mithilfe eines mehrstufigen Modells zu untersuchen. Diese von Landschaftsarchitekten und Künstlern entwickelte App fragt dreimal täglich das persönliche Empfinden und den Zustand der Umgebung ab. Erhöhte Überbelegung und Bevölkerungsdichte standen dabei mit einem höheren Maß an Einsamkeit in Verbindung, während im Gegensatz dazu wurden soziale Integration und Kontakt mit der Natur mit einem niedrigeren Maß an Einsamkeit zusammenhingen. Diese Zusammenhänge blieben auch nach der Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Bildung und Beruf signifikant. Der positive Zusammenhang zwischen sozialer Integration und geringerer Einsamkeit war noch ausgeprägter, wenn die Teilnehmer in Kontakt mit der Natur waren, was auf eine Wechselwirkung zwischen der sozialen und der baulichen Umwelt auf die Einsamkeit hinweist. Das Gefühl der Einsamkeit verändert sich nach diesen Ergebnissen in Abhängigkeit von sozialen und umweltbezogenen Faktoren.

    Risikofaktoren für Einsamkeit sind generell nach neuesten Untersuchungen ein niedriges Einkommen, gesundheitliche Einschränkungen und eine geringe Häufigkeit sozialer Kontakte. Allerdings zeigen die meisten Untersuchung nicht, ob das Alleinleben wirklich die Ursache für Folgeerkrankungen ist, denn einen statistischen Zusammenhang gibt es nur bei denjenigen, die sich tatsächlich einsam fühlen, und das ist natürlich nicht bei jedem der Fall, der allein lebt. Daher ist Einsamkeit und Alleinsein aus psychologischer Sicht zu unterscheiden.

    Siehe auch das Empty-Nest-Syndrom.


    Kurioses

    Das Thema Einsamkeit führt übrigens zu Schlagzeilen in Medien wie „Einsamkeit ist Killer Nummer eins“, wo dann der Einsamkeitsspezialist Manfred Spitzer sich zu folgenden Aussagen hinreißen lässt: „Einsamkeit aktiviert das Schmerzzentrum im Gehirn (…) Der Zustand könne dann unter anderem zu Diabetes und Krebs führen (…) Einsamkeit ist (…) gesundheitsschädlicher als Rauchen, Übergewicht oder Alkoholkonsum. (…) Der erhöhte Pegel an Stresshormonen im Blut von Einsamen führe häufiger zu Diabetes, Krebs und Infektionskrankheiten. (…) Der exzessive Gebrauch von Computer, TV und Smartphones von bis zu acht Stunden täglich bei Jugendlichen befördert (…) Einsamkeit. Soziales Lernen und Sprachentwicklung würden dadurch beeinträchtigt. Positiv wirkten sich dagegen ehrenamtliches Engagement und Waldbesuche auf das persönliche Lebensglück aus.“
    Hinzu kommt schließlich die Empfehlung, dass junge Menschen ein Instrument oder eine Sportart erlernen sollten, um später in einem Orchester oder in einer Fußballmannschaft mitzuspielen.


    Literatur

    Baek, Elisa C., Hyon, Ryan, López, Karina, Du, Meng, Porter, Mason A. & Parkinson, Carolyn (2023). Lonely Individuals Process the World in Idiosyncratic Ways. Psychological Science, doi:10.1177/0956797.
    Cacioppo, John T., Chen, Hsi Yuan & Cacioppo, Stephanie (2017). Reciprocal Influences Between Loneliness and Self-Centeredness: A Cross-Lagged Panel Analysis in a Population-Based Sample of African American, Hispanic, and Caucasian Adults. Personality and Social Psychology Bulletin, 43, 1125-1135.
    Courtney, Andrea L. & Meyer, Meghan L. (2020). Self-other representation in the social brain reflects social connection. The Journal of Neuroscience, doi:10.1523/JNEUROSCI.2826-19.2020.
    Guthmuller, Sophie (2022). Loneliness among older adults in Europe: The relative importance of early and later life conditions. PLoS ONE, 17, doi:10.1371/journal.pone.0267562.
    Hammoud, Ryan, Tognin, Stefania, Bakolis, Ioannis, Ivanova, Daniela, Fitzpatrick, Naomi, Burgess, Lucie, Smythe, Michael, Gibbons, Johanna, Davidson, Neil & Mechelli, Andrea (2021). Lonely in a crowd: investigating the association between overcrowding and loneliness using smartphone technologies. Scientific Reports, 11, doi:10.1038/s41598-021-03398-2.
    Hawkley, L. C., & Cacioppo, J. T. (2010). Loneliness Matters: A Theoretical and Empirical Review of Consequences and Mechanisms. Annals of Behavioral Medicine: A Publication of the Society of Behavioral Medicine, 40, doi:10.1007/s12160–010–9210–8.
    Holt-Lunstad, Julianne, Smith, Timothy B. & Layton, J. Bradley (2010). Social Relationships and Mortality Risk: A Meta-analytic Review. PLOS Medicine, 7, doi:10.1371/journal.pmed.1000316.
    Holt-Lunstad, J., Smith, T. B., Baker, M., Harris, T. & Stephenson, D. (2015). Loneliness and Social Isolation as Risk Factors for Mortality: A Meta-Analytic. Psychological Science, 10, 227–237.
    Infurna, F. J., Dey, N. E. Y., Gonzalez Avilés, T., Grimm, K. J., Lachman, M. E., & Gerstorf, D. (2024). Loneliness in midlife: Historical increases and elevated levels in the United States compared with Europe. American Psychologist, doi:10.1037/amp0001322.
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    https://www.psychologytoday.com/gb/blog/the-healing-factor/202312/the-health-benefits-of-connection (23-12-07)


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    Ein Gedanke zu „Einsamkeit“

    1. MDR FERNSEHEN

      Nach Ansicht von Experten ist durch Einsamkeit auch das Risiko erhöht, einen Schlaganfall zu erleiden. Ein finnisches Forscherteam hatte Daten aus einer britischen Untersuchung an fast einer halben Million Menschen ausgewertet, wobei sich zeigte, dass bei sozial isolierten Menschen das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, um 42 Prozent höher ist als bei sozial aktiven Menschen. Eine Ursache liegt in den ungesunden Lebensumständen vieler einsamer Menschen zu sehen, denn diese führen zu Übergewicht oder Bluthochdruck, außerdem rauchen die Betroffenen häufiger, trinken mehr Alkohol und bewegen sich weniger. Jedoch nach Ansicht von Christian Hakulinen (Universität Helsinki) stellt Einsamkeit auch unabhängig vom Lebensstil einen bedeutenden Risikofaktor dar, der die Sterblichkeit durch Infarkt oder Schlaganfall erhöht. In der Studie betraf das Menschen, die bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten, wobei die soziale Isolation bei ihnen dafür gesorgt haben könnte, dass diese Erkrankungen schwerer verliefen als bei sozial eingebundenen Menschen. Auch in einer Langzeitstudie, die seit 2000 am Uniklinikum Essen läuft konnte man feststellen, dass sozial isolierte Menschen ein um mehr als 40 Prozent erhöhtes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle haben.

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