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Amygdala

    Amygdala oder Mandelkern ist eine mandelförmige Region in der Mitte des Gehirns, sie ist Teil des limbischen Systems und zuständig für die rasche und automatische Verarbeitung von Emotionen, vor allem von Furcht und Notsituationen. Fast jede Studie über Angst ergab, dass dabei die Amygdala aktiv ist, was aber nicht bedeutet, dass jede Aktivität in der Amygdala besagt, dass die Person Angst hat. Stattdessen scheint die Amygdala etwas viel Subtileres zu machen, nämlich Ereignisse zu verarbeiten, die in Verbindung zu den Kognitionen stehen, die eine Person im Augenblick hat. Also wenn ein Mensch in einer bedrohlichen Situation ist oder eine ängstliche Persönlichkeit hat, dann kann die Amygdala durch ein furchterregendes Bild aktiviert werden. Hungrige Menschen haben hingegen eine erhöhte Aktivität in der Amygdala als Reaktion auf Bilder von Nahrungsmitteln, während empathische Menschen eine Reaktion der Amygdala auf das Betrachten von Menschen zeigen.

    Die Amygdala ist verantwortlich für körperliche Angstreaktionen – Kampf-, Flucht- und Erstarrungsreaktionen sowie für den Anstieg von Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz -, aber nicht für das Gefühl der Angst. Die Amygdala ist ein Gefahrendetektor, der nur unbewusste körperliche und physiologische Reaktionen steuert, wobei diese Reaktionen dem Überleben dienen, was etwa auch für Bakterien gilt, denn auch diese bewegen sich bei Gefahr weg, wofür sie keine Angst zu spüren brauchen. Aber da dieses Gefühl in der Regel gleichzeitig mit den körperlichen und physiologischen Reaktionen auftritt, denken Menschen fälschlicherweise, dass die Angst die Ursache für diese Reaktionen ist. Angstgefühle sind wie alle Emotionen kognitive Interpretationen der Situation, in der sich ein Mensch befindet. Angst ist daher letztlich nur eine Interpretation bzw. die Erkenntnis, dass man sich in Gefahr befindet, wobei dieses Gefühl in der Regel aus einer Vielzahl von Informationen entsteht. Wenn man sich etwa vor einer Schlange befindet, dann braucht man zunächst die Wahrnehmung, um die Schlange zu sehen, man braucht das Gedächtnis, um zu wissen, dass manche Schlangen gefährlich sind, und um man sich etwa auch daran erinnern, dass Menschen vor Schlangen gewarnt haben. Die Amygdala versetzt Menschen daher in einen Zustand der Reaktionsbereitschaft, fixiert die Aufmerksamkeit auf die Schlange und aktiviert körperliche und physiologische Reaktionen, wobei all diese Informationen im Arbeitsgedächtnis zusammenlaufen und sich dort zu diesem Gefühl der Angst verdichten. So sind daher Medikamente, die auf die Amygdala einwirken, eher geeignet, körperliche und physiologische Reaktionen zu verändern, als die Angstzustände selbst zu lindern, was aber in der Regel eben nicht ausreicht.

    Die Amygdala ist nach Forschungen an Mäusen daher vermutlich vor allem eine Vorhersagemaschine für Verhaltensweisen, d. h., die Amygdala macht Vorhersagen in der Weise, dass wenn man X macht, wird man Y bekommen, und passt diese Vorhersagen entsprechend von auftretenden Veränderungen der Situation an. Es gibt keine andere Gehirnstruktur, die so präzise vorhersagen kann, was passieren wird. Jeden Tag führen Menschen Hunderte von Handlungen mit bestimmten Erwartungen aus, und wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, passen sie ihr Verhalten an, tun etwas anders, oder verfolgen eine Handlung seltener oder öfter. Diese Fähigkeit, das Verhalten auf der Grundlage von Vorhersagen anzupassen, ist für Menschen von grundlegender Bedeutung, allerdings sind manchmal diese Prozesse beeinträchtigt, etwa bei Sucht, bei Depressionen, bei Zwangsstörungen oder Parkinson (Courtin et al., 2022).

    Die Amygdala drückt durch die Verbindung mit Emotionen einer Erinnerungen den Stempel WICHTIG auf, sodass sich Menschen emotional aufgeladene Erinnerungen besser merken merken. Die Amygdala scannt die Umwelt permanent auf Bedrohungen, denn wenn sie einen Reiz als Gefahr einstuft, etwa ein lautes Geräusch oder einen drohenden Schmerz erkennt, versetzt sie den Körper in Alarmbereitschaft. Menschen bekommen dann eine Art Tunnelblick, d. h., die ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf diese Gefahr. Aus der Perspektive der Evolution betrachtet, ist es überlebenswichtig, ängstigende Erlebnisse zu erinnern, denn schließlich kann es das Leben retten, Höhen, Schlangen oder aggressive Mitmenschen zu meiden. Daher aktiviert der zentrale Kern der Amygdala in einer furchteinflößenden Situation nicht nur das Kampf-oder-Fluchtsystem, sondern auch das emotionale Gedächtnis, indem in vielen Arealen des Cortex Acetylcholin ausgeschüttet wird, der das Gehirn dabei unterstützt, möglichst viele Sinneseindrücke der Umgebung aufzusaugen. Von Geburt an markiert die Amygdala visuelle Reize mit einem emotionalen Wert: Ist das zum Beispiel gefährlich? Sollte ich Angst haben? Soll ich mich nähern oder etwas vermeiden? Bei Erwachsenen gibt es eine stärkere Verbindung zu hochrangigen sensorischen Regionen des visuellen Cortex, zu jenem Areal, das Gesichter, Körper und Objekte verarbeitet, also Arten von Reizen, die eine emotionale Reaktion rechtfertigen könnten. Darüber hinaus zeigen Erwachsene auch ein ähnliches Muster für die Hörregionen, und zwar auf höherer Ebene, also zu Regionen, die Sprache verarbeiten, aber eine schwächere Verbindung zu primären Hörregionen, wie jene Areale, die Frequenzinformationen erfassen (Hansen et al., 2020).

    Die Amygdala spielt also vor allem eine zentrale Rolle bei der Integration sensorischer inklusive nozizeptiver Reize und affektiver Inhalte. Unter der Vielzahl der Kerne der Amygdala spielen bei dieser Integration besonders drei Kerne eine wichtige Rolle: lateraler, basolateraler und zentraler Kern. Sensorische Reize aller Modalitäten erreichen die Amygdala aus dem Thalamus und dem Cortex über die hauptsächliche Eingangsstation der lateralen Amygdala, in der verschiedene sensorische Informationen konvergieren. Diese Information wird direkt oder indirekt über die basolaterale Amygdala an den Zentralkern weitergeleitet, den wichtigsten Ausgangskern der Amygdala. Dieser Zentralkern hat weitgefächerte Verbindungen mit den Kerngebieten des Gehirnstamms.

    Die Aktivität der Amygdala soll übrigens durch das Trinken sauerer bzw. süßer Getränke beeinflussbar sein, denn in einer englischen Studie servierte man Probanden jeweils Trinklösungen mit unterschiedlichem Geschmack und ließ sie anschließend am Computer einen Luftballon aufpumpen. Das Volumen des Ballons nahm mit jeden Mausklick zu, bis er platzte, es sei denn, der Proband beendete vorher das Aufpumpen. Es zeigte sich, dass Probanden, die vorher ein saures Getränk zu sich genommen hatten, bei dem Computerspiel am meisten riskierten, doch jene, die ein Getränk mit Süßem oder Umami verkostet hatten, beendeten schon sehr früh das Pumpen und riskierten daher am wenigsten. Man schließt daraus, dass ein systematisches Sauerreiz-Training bei der Therapie von Ängsten und Depressionen helfen könnte (Vi & Obrist, 2018).

    Versuche an Mäusen (Han et al., 2017) zeigen, dass über die Aktivierung von Neuronen in der Amygdala mit Lichtsignalen, wo das Jagdverhaltens von Tieren und damit die Verfolgung und Tötung von Beutetieren initiiert wird, dieses Verhalten ausgelöst werden konnte. Als man den Laser anschaltete, sprangen die Mäuse auf ein Objekt, hielten es mit ihren Pfoten fest und bissen intensiv hinein, als ob sie es fangen und töten wollten, wobei die Tiere nicht nur Insekten, sondern auch Holzstöckchen, Kaffeetassen oder Flaschendeckel jagten. Dabei identifizierte man zwei Gruppen von Neuronen: Eine aktiviert den Jagdtrieb, die andere steuert die Muskulatur von Kiefer und Nacken. Auf das Lichtsignal hin nahmen auch unbeteiligte Mäuse eine Jagdhaltung ein, packten, bissen und töteten ihre Beute, Artgenossen griffen sie hingegen nie an.


    Kurioses aus den Medien: Solche Forschungsergebnis werden in den Medien unter folgenden interessanten Titeln verbreitet: „Mäuse werden Killermaschinen“, „Killerinstinkt auf Knopfdruck“, „Amygdala – die Alarmanlage des Gehirns“ 😉


    Kurioses aus der Forschung: Angeblich haben konservativ eingestellte Menschen eine im Vergleich zu liberal eingestellten eine deutlich vergrößerte rechte Amygdala, da diese für das Entstehen von Angst und die Verarbeitung von Gefahren zuständig ist. Bei liberalen Menschen hingegen ist der anteriore cinguläre Cortex größer und aktiver, der für das Lernen, das Sozialverhalten und die Entscheidungsfindung verantwortlich ist. Nach einer Untersuchung sollen politisch Konservative schon allein aufgrund ihrer Gehirnstruktur empfänglicher für Bedrohungen und Unsicherheiten sein, während sich liberale gesinnte Menschen schneller an Neues gewöhnen.


    Literatur

    Courtin, J., Bitterman, Y., Müller, S., Hinz, J., Hagihara, K. M., Müller, C. & Lüthi, A. (2022). A neuronal mechanism for motivational control of behavior. Science, 375, doi:10.1126/science.abg7277.
    Hansen, Heather A., Li, Jin & Saygin, Zeynep M. (2020). Adults vs. neonates: Differentiation of functional connectivity between the basolateral amygdala and occipitotemporal cortex. Public Library of Science, doi:10.1371/journal.pone.0237204.
    Leong, Yuan Chang, Chen, Janice, Willer, Robb & Zaki, Jamil (2020). Conservative and liberal attitudes drive polarized neural responses to political content. Proceedings of the National Academy of Sciences, 117, 27731-27739.
    Vi, Chi Thanh & Obrist, Marianna (2018). Sour promotes risk-taking: an investigation into the effect of taste on risk-taking behaviour in humans. Scientific Reports, 8, doi:10.1038/s41598-018-26164-3.
    Wenfei Han, Luis A. Tellez, Miguel J. Rangel, Jr., Simone C. Motta, Xiaobing Zhang, Isaac O. Perez, Newton S. Canteras, Sara J. Shammah-Lagnado, Anthony N. van den Pol & Ivan E. de Araujo (2017). Integrated Control of Predatory Hunting by the Central Nucleus of the Amygdala. Cell, 168, 311–324.DOI: 10.1016/j.cell.2016.12.027
    Zusammenfassung eines Interviews mit Joseph LeDoux in Spektrum.de.
    WWW: https://www.spektrum.de/news/bewusstsein-ein-grossteil-unseres-verhaltens-entsteht-unbewusst/2132640 (23-04-25)

     


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    2 Gedanken zu „Amygdala“

    1. Biohacker empfiehlt: Auf die Meridiane klopfen

      Die Amygdala ist der Hauptbahnhof aller zwölf Meridiane im Körper. Durch rhythmisches Klopfen auf spezielle Körperstellen erhält die Amygdala beruhigende Signale, wobei man mit Zeige- und Mittelfinger minutenlang auf ein und dieselbe Körperstelle klopft. Die Amygdala weist dann ihrerseits die Nebennieren an, die Produktion des Stresshormons Cortisol zu stoppen. Durch das rhythmische Klopfen (Tapping) auf die Energiebahnen wird das limbische System abgelenkt, in der Folge weiten sich die Gefäße, Herzfrequenz und Blutdruck sinken. Außerdem wird die Produktion des Stresshormons Cortisol reduziert und bereits nach wenigen Minuten ist der Effekt mess- und spürbar.
      Quelle: https://www.redbull.com/at-de/theredbulletin/nervositaet-wegklopfen-biohacking-trick (22-04-12)

    2. Auf meiner Recherche über die Amygdala, kam ich auf diesen sehr interessanten Beitrag und möchte mal ein Lob da lassen. 🙂
      Besonders das mit der Amygdala der konservativen habe ich schon immer vermutet 😀

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