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Bullshit

    Bullshit bezeichnet als vulgäres Wort eine bestimmte Art von Gerede, das im Gestus prätentiös, inhaltlich aber leer ist. Die Etymologie des englischen Worts bullshit, das sowohl als Substantiv als auch als Verb verwendet wird, ist nicht eindeutig geklärt, denn es lässt sich zwar wortwörtlich als Bullen- oder Stierscheiße übersetzen, jedoch dürfte es eher mit dem altfranzösischen bole (Täuschung) und isländischen bull (Unsinn) in Verbindung stehen. Bullshit definiert also eine Äußerung oder Behauptung ohne Beachtung des Wahrheitsgehaltes, und unterscheidet sich von der Lüge dadurch, dass eine Lüge immerhin einen Bezug zur Wahrheit hat, die bewusst verdreht oder verdeckt wird. Beim bullshit kommt es hingegen auf die Beachtung an und das Material ist gleichgültig, d. h., es können Halbwahrheiten, Gerüchte oder abgestandene Vorurteile sein, denn was zählt, ist lediglich das Erregungspotenzial des bullshit, denn bullshit will die Empfänger in erster Linie beeindrucken. Bullshitter verwenden gerne eine prätentiöse, pseudo-tiefsinnige und pseudo-wissenschaftliche Sprache, in der es von vagen Begrifflichkeiten, Tautologien und Neologismen nur so wimmelt. Der Begriff Bullshit wurde von Harry Frankfurt 1986 in seinem Essay „On Bullshit“ im Raritan Quarterly Review in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht. Ein Bullshitter zeichnet sich seiner Ansicht nach dadurch aus, dass er sich gar nicht darum kümmert, ob sein Gerede einen Bezug zur Realität hat.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** „Im akademischen Milieu sind die wichtigsten Motive fürs Bullshitten oft besonders ausgeprägt: Imponiergehabe und Wichtigtuerei. Das hat der Physiker Alan Sokal 1996 in einem bullshit-Experiment belegt: Er schrieb einen völlig absurd-sinnfreien Text darüber, dass die Schwerkraft auch nur ein „soziales Konstrukt“ sei. Sein Artikel strotzte vor modischem postmodernen Jargon und quantenphysikalischen Begriffen – und gefiel den Herausgebern und Lesern der kulturwissenschaftlichen Fachzeitschrift Social Text. Niemand bemerkte den Quatsch, bis Sokal in seinem Buch Eleganter Unsinn alles offenlegte und eine intensive bullshit-Diskussion anstieß. Nicht besonders nachhaltig: Vor Kurzem hat der Soziologe Peter Dreier eine ähnliche Nummer abgezogen: Er reichte für einen Fachkongress der International Society for Social Studies (mit dem schon sehr bullshit-verdächtigen Titel On the Absence of Absences) die Kurzfassung eines Vortrages ein, der als reiner bullshit angelegt war: pseudo-soziologisches Geschwafel, garniert mit frei erfundenen Heideger(sic!)-Zitaten. Er wurde eingeladen, man freue sich sehr auf seinen spannenden Vortrag“ (Ernst, 2016).

    Siehe auch den Dr.-Fox-Effekt: „1970 hielt Myron L. Fox vor versammelten Experten einen Vortrag, der den eindrucksvollen Titel „Die Anwendung der mathematischen Spieltheorie in der Ausbildung von Ärzten“ trug. Und den Teilnehmern des Weiterbildungsprogramms der University of Southern California School of Medicine wurde Fox als „Autorität auf dem Gebiet der Anwendung von Mathematik auf menschliches Verhalten“ vorgestellt. Er beeindruckte die Zuhörer mit seinem gewandten Auftritt derart, dass keiner von ihnen merkte: Der Mann war Schauspieler und hatte keine Ahnung von Spieltheorie. Alles, was Fox getan hatte, war, aus einem Fachartikel über Spieltheorie einen Vortrag zu entwickeln, der ausschließlich aus unklarem Gerede, erfundenen Wörtern und widersprüchlichen Feststellungen bestand, die er mit viel Humor und sinnlosen Verweisen auf andere Arbeiten vortrug.“

    Siehe dazu auch Volker Ladenthin: Die Arbeit an der Attrappe.

    Petrocelli (2021) hat nun gezeigt, dass schwache Argumente, wenn dieses mithilfe von Bullshit-Phrasen maskiert und präsentiert werden, letztlich doch nicht sehr überzeugend wirken. In einer Untersuchung ließ man Probanden Argumentationen für verschiedene Positionen begutachten, die entweder starke oder schwache Argumente enthielten und entweder klar formuliert oder in fremdwortgespickten Sätzen formuliert waren. Es zeigte sich, dass Bullshit nur dann hilft, wenn man kaum Argumente auf seiner Seite weiß. Vermutlich liegt das nach Ansicht des Autors daran, dass Wortgetöse die Motivation reduziert, sich mit dem Gesagten überhaupt inhaltlich auseinanderzusetzen und die Argumente wirklich zu prüfen. Stattdessen wirkt dann eher die Peripherie des Arguments, d. h., klingt die Argeumentation wichtig, ist die Quelle vertrauenerweckend, hat man eine gewisse weltanschauliche Nähe zu den Inhalten. Wenn ein Diskutant sehr gute Argumente und überzeugende Evidenz auf seiner Seite hat, aber diese in kompliziertem Jargon und modischen Begriffen präsentiert, schmälert das eher seine Chancen,  andere zu erreichen.

    Literatur

    Ernst, H. (2016). Verdunkelungsgefahr. Oder: Was der Bulle hinter sich lässt.
    Psychologie heute vom 15. März.
    Petrocelli, John V. (2021). Bullshitting and persuasion: The persuasiveness of a disregard for the truth. British Journal of Social Psychology, doi:10.1111/bjso.12453.
    https://www.tagesanzeiger.ch/warum-sich-mit-bullshit-so-gut-punkten-laesst-289383695997 (21-04-06)
    https://de.wikipedia.org/wiki/On_Bullshit (19-12-12)


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