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Media Equation

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Media Equation ist ein Begriff aus der Kommunikationstheorie und bezeichnet die Tendenz von Menschen, technisches Gerät zu vermenschlichen und so zu tun, als seien diese leblosen Gegenstände beseelt. Solchen Geräten werden Emotionen zugesprochen, ein Mitdenken oder sogar boshaftes Verhalten unterstellt. Verstärkt wird das durch den realen Eindruck, das Gerät interagiere mit uns, denn schaltet man eine Fotokamera ein, leuchtet das Display auf, zeigt an, ob der Speicher noch Platz hat und wie voll der Akku ist, was auf das Gehirn wie Kommunikation wirkt. Da solche Geräte, wenn man sie bedient, äußerst real wirken, können sie auch Emotionen auslösen, da menschliches Verhalten in der Regel aus sozialen Grundbedürfnissen heraus erfolgt. In einem immer technisierteren Haushalt werden technische Geräte wie selbstgesteuerte Staubsauger oder Rasenmäher, aber auch Computer, Mobiltelephone und Fernsehgeräte, die via Sprache gesteuert werden, zu Begleitern von Menschen, denen allmählich immer mehr menschliche Züge verliehen werden.

    Mori-Uncanny-ValleyUm zukünftig humanoide Roboter tatsächlich in den Alltag des Nutzer einzubinden, bedarf es bei der Entwicklung dieser Roboter auch ein Wissen darum, welchen Effekt der Anthropomorphismus von Robotern auf den Nutzer hat. Mashiro Mori (1970/2012 betonte, dass Anthropomorphismus bei Maschinen auch negative Auswirkungen haben kann, wobei er den Effekt des Uncanny Valley beschrieb, der besagt, dass mit wachsender Menschenähnlichkeit die Akzeptanz und das Vertrauen des Nutzers in einen Roboter ansteigen, dass aber eine zu hohe Menschenähnlichkeit bei Nutzern Angst oder Befremden hervorrufen.

    Humanoide Roboter übernehmen bereits heute Aufgaben in Hotels, im Handel und in Restaurants, d. h., sie kochen, bedienen oder beraten Kunden bzw. kommunizieren ähnlich wie Menschen über Sprache, Gestik und teilweise sogar über Mimik. Der Einsatz von Robotern ist meist mit der Hoffnung verbunden, Personalkosten drastisch zu reduzieren, doch viele Unternehmen setzen unreflektiert Roboter ein, ohne vorher zu wissen, was diese Veränderungen für Beschäftigte, Unternehmenskultur und Kundenbeziehungen bewirken können. In der Darmstädter Studienreihe „Robots@work4.0“ der TU Darmstadt in Kooperation mit Leap in Time wurden mehr als 700 Führungskräfte und Mitarbeiter aus Deutschland und den USA nach ihren Einschätzungen gefragt, was diese einem Roboter zutrauen. wie aufgeschlossen sind gegenüber Robotern sind und ob sich arbeitende Menschen einen Roboter als Kollegen, Mitarbeiter oder gar als Chef vorstellen können? Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn und Unsinn des Robotereinsatzes in Büro- und Dienstleistungsberufen hing dabei sehr stark vom Aufgabenbereich ab, denn 82 Prozent der Befragten sahen in Robotern eine wertvolle Unterstützung bei der Erledigung von Arbeitsaufgaben, jedoch nur zwei von drei Befragten hätten Spaß daran, mit Robotern zu arbeiten. Rund die Hälfte der Befragten traut sich einen unkomplizierten Umgang mit einem Roboter zu. In Sachen Kreativität oder Emotionen im Arbeitskontext wird Robotern mäßig viel zugetraut, doch immerhin sprechen mehr als 80 Prozent der Befragten Robotern zu, Gefühle zeigen zu können; mehr als 30 Prozent trauen einem Roboter sogar zu, Gefühle zu erkennen oder gar kreativ zu sein. Ein überraschend hoher Prozentsatz vor dem Hintergrund, dass nach heutigem Stand der Technik sowohl kreative als auch emotionale Verhaltensweisen von Robotern weitestgehend programmiert sind und nicht autonom funktionieren. Hier klaffen also Stand der Technik und subjektive Wahrnehmungen von Robotern deutlich auseinander. Viele setzen auf künstliche Intelligenz, mit der Roboter bald selbstlernend und autonom agieren können. Mehr als 60 Prozent der Befragten können sich übrigens vorstellen, durch einen Roboterassistenten unterstützt zu werden, doch sollte dieser eher repetitive, unliebsame Aufgaben wie Ablage und Dokumentation, Terminbuchungen sowie Boten- oder Recherchedienste erledigen. Interessanterweise würden 21 Prozent der Befragten einem Roboter mehr vertrauen als einem menschlichen Kollegen, etwa auf Grund geringerer Fehlerhäufigkeit, höherer Berechenbarkeit und Kontinuität im Verhalten. Allerdings verzichtet die Mehrzahl der Befragten gerne auf Emotionen, denn in diesem Fall schaltet man das Ding lieber aus. Auf Augenhöhe als Kollegen würde nur jeder Dritte einen Roboter akzeptieren, denn Roboter setzen lediglich vorprogrammierte Entscheidungen um und die Eigenständigkeit lässt stark zu wünschen übrig. Man kann sich etwa vorstellen, dass Roboter in Meetings Informationen beitragen, Protokoll führen, als unternehmensweite Datenbank agieren und umgehend Faktenwissen bereit stellen oder aber Optimierungstätigkeiten hinsichtlich Zeit- und Aufgabenverteilung in Projekten übernehmen. Zur Verknüpfung komplexer Sachverhalte und detaillierten Abstimmung mit Mitarbeitern sieht der Großteil der Befragten Roboter noch nicht in der Lage. Als Führungskraft hingegen sind Roboter fast ein Tabu, doch immerhin würden 15 Prozent der befragten Amerikaner und 8 Prozent der deutschen Befragten einen humanoiden Roboter-Chef akzeptieren.

    In einer Experimentenreihe mit rund 300 Teilnehmern erzielte ein humanoider Rezeptionsroboter nahezu identische Kundenzufriedenheitswerte und nur leicht geringere Bewertungen in puncto Dienstleitungsqualität im Vergleich zu seinen menschlichen Kollegen. Die meisten Befragten können sich daher Dienstleistungsroboter als Rezeptionisten an Empfangs- und Informationsschaltern, als Kassierer in Supermärkten oder Autovermietungen, am Schalter von Bahnhöfen, Flughäfen oder sogar Banken sowie in der Gastronomie vorstellen. Mehr als 80 Prozent der Befragten aber bevorzugen für sensible, persönliche Dienstleistungen, wie z. B. komplexe Finanzberatungen, psychologische oder ärztliche Betreuung den Kontakt mit Menschen. In Japan, China und zunehmend in den USA ist übrigens seit geraumer Zeit ein regelrechter Roboter-Hype zu beobachten, wobei nach Ansicht von Experten in den USA und in Japan fast die Hälfte, in Großbritannien rund ein Drittel heutiger Berufe Gefahr laufen, durch Robotisierung ersetzt zu werden.

    Nijssen et al. (2019) haben untersucht, inwieweit Menschen bereit sind, Roboter zu opfern, um Menschen zu retten. Die Probanden wurden vor das moralisches Dilemma gestellt, ob sie einen Einzelnen in Lebensgefahr bringen, um eine Gruppe verletzter Menschen zu retten. In unterschiedlichen Szenarien handelte es sich dabei einmal um einen Menschen, einmal um einen humanoiden Roboter mit menschlichen Zügen und einmal um einen Roboter, der klar als Maschine zu erkennen war. Das Dilemma wurde dabei umso drängender, je mehr der Roboter einem Menschen ähnelte, etwa Webb dieser in kurzen Geschichten als mitfühlendes Wesen oder als Wesen mit eigenen Erfahrungen und Vorstellungen dargestellt wurde. Die Empathie mit der Maschine ging bei manchen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer so weit, dass sie bereit waren, eine Gruppe verletzter Menschen zu opfern, nur um den Roboter zu schützen. Je menschenähnlicher die Roboter waren, insbesondere je mehr man ihm Gefühle zusprach, desto weniger waren die ProbandeInnen in diesem experimentellen Szenario geneigt, den Roboter zu opfern. Vermutlich wurde dem Roboter eine Art moralischer Status zugesprochen.

    Literatur

    Mori, M. (1970/2012). Bukimi No Tani/The uncanny valley. Energy,  7,  33–35/IEEE Robotics & Automation Magazine, 19, 98–100.
    WWW: http://spectrum.ieee.org/automaton/robotics/humanoids/the-uncanny-valley (15-11-21)
    Nijssen, Sari R. R., Müller, Barbara C. N., van Baaren, Rick B. & Paulus, Markus (2019). Saving the Robot or the Human? Robots Who Feel Deserve Moral Care. Social Cognition, 37, 41-S2.
    Reeves, B. & Nass, C. (1996). The Media Equation: How People Treat Computers, Television, and New Media like Real People and Places. New York: Cambridge University Press.
    https://www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen/aktuell/einzelansicht_162880.de.jsp (16-11-02)


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