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Gaslighting

    Gaslighting ist die Form einer Manipulationstechnik, eines emotionalen Psychoterrors bzw. systematischen Missbrauchs, bei dem der Missbraucher dem Opfer falsche Informationen gibt, die darauf abzielen, dass das Opfer seiner eigene Wahrnehmung misstraut, schließlich seinen eigenen Verstand und seine psychische Gesundheit in Frage stellt. Die Absicht dieser Aktionen ist es, die Betroffenen zu verwirren, sie einzuschüchtern und zutiefst zu verunsichern. Der Täter oder die Täterin arrangiert dabei etwa die Umwelt des Opfers so, dass dieses an seiner Wahrnehmung der Realität zu zweifeln beginnt, allmählich unsicher wird, immer mehr in eine Verteidigungshaltung gerät. Auf persönlicher Ebene werden betroffene Menschen isoliert, denn sie glauben allmählich, was der Täter oder die Täterin behauptet. Irgendwann versucht diese oder dieser Betroffene, das eigenes Leben zu ändern, und sich den vermeintlichen Realitäten anzupassen. Nur selten ist die Manipulation den Tätern nicht bewusst, denn die meisten handeln berechnend und ohne Rücksicht auf ihre Opfer.
    Übrigens: Wesentlich ist, dass der Gaslighter eine Machtposition innehat. Wenn das nich der Fall ist, ist es schwierig, sich eine Situation vorzustellen, in der Gaslighting wirklich stattfindet, denn wenn dieses Verhalten nicht den Interessen der Mächtigen dient, klingt der Vorwurf des Gaslighting einfach nicht wahr.

    Diese Form des subtilen Psychoterrors steht oft in Verbindung mit Mobbing oder Bossing, kann aber auch in Paarbeziehungen, Familien- oder Nachbarschaftsstreitigkeiten vorkommen und wird oft von Menschen mit einer narzisstischer Persönlichkeitsstörung eingesetzt. Unter den TäterInnen findet man daher häufig NarzisstInnen, die nach außen hin selbstbewusst und souverän wirken, aber unter einem geringen Selbstwertgefühl leiden und ständige Aufmerksamkeit, Lob und Anerkennung benötigen, um ihre Unzulänglichkeitsgefühle zu kompensieren. Aus der psychoanalytischen Perspektive handelt es sich um ein Wechselspiel von Projektion bzw. Introjektion eines psychischen Konflikts des Täters auf sein Opfer.

    Gaslighting kann im Grunde in jeder Beziehung entstehen, die auf Liebe, Hierarchie, Angst oder Abhängigkeit basiert, wobei vor allem unsichere Menschen zum Opfer werden. Menschen, die dazu neigen, andere zu idealisieren und sich von ihnen abhängig zu machen, sind dabei besonders gefährdet.

    Gaslighting am Arbeitsplatz ist für Betroffene oft nur schwer zu erkennen, wobei insbesondere Führungskräfte dazu neigen, diese subtile und deshalb besonders schwer nachzuweisende Form der Manipulation einzusetzen. So stellen Vorgesetzte Behauptungen auf, dass andere MitarbeiterInnen schlecht über einen reden oder man bei anderen unbeliebt ist. Auch stellen sie im persönlichen Gespräch Aufgaben, an die sie sich dann später nicht mehr erinnern. Typisch sind Sätze wie: „Das habe ich in dieser Form nie behauptet.“ – „Selbstverständlich habe ich das gesagt. Sie haben es wahrscheinlich nur wieder vergessen.“ – „Diese Aufgabe habe ich nie gegeben. Da haben Sie schon wiesser etwas falsch verstanden.“ Bei einer Manipulation durch Führungskräfte wird mit der Zeit ein noch größeres Abhängigkeitsverhältnis aufgebaut, wobei Vorgesetzte dann im Konfliktfall auch noch eine höhere Glaubwürdigkeit genießen. So wird allmählich ein toxisches Abhängigkeitsverhältnis aufgebaut, wobei der Gaslighter gezielt ein schlechtes Gewissen einreden möchte, sodass man an sich selber zu zweifeln beginnt und eine immer größere Angst entwickelt, seinen Ruf am Arbeitsplatz oder gar den Arbeitsplatz zu verlieren. Vor allem durch fortlaufende Entschuldigungen begibt man sich selbst in eine Opferrolle, aus der dem man nur sehr schwer wieder herauskommt.

    Für die Betroffenen ist es das Wichtigste, das Prinzip von Gaslighting zu erkennen und sich darüber bewusst zu sein, denn jeder Mensch kann Opfer eines solchen Psychoterrors werden, wobei Gaslighting in der Regel eine schleichende Entwicklung nimmt. Betroffene sollten daher stets auf Lügen achten, auf erfundene Feinde, denn je mehr man darauf achtet, desto besser kann man sich dagegen wehren. Ziel des Täters ist es, das Opfer gezielt zu desorientieren, indem er Halbwahrheiten verbreitet, Feindbilder schafft und sich häufig selbst zum Helfer oder gar rettenden Helden stilisiert. Das kann auch und besonders in Paarbeziehungen passieren, wenn einer dem anderen abspricht, die Realität richtig einschätzen zu können, sodass das Opfer dabei denkt, wahnsinnig geworden zu sein. Ziel ist immer die Verunsicherung des Partners, um diesen in eine totale Abhängigkeit zu treiben.

    Eine spezielle Form des Gaslighting ist dabei das Eindringen eines Unbekannten in die Wohnung eines Opfers in dessen Abwesenheit, um Gegenstände zu manipulieren, die Wohnungseinrichtung zu verändern, die Arbeit der Betroffenen zu sabotieren oder deren Computer zu manipulieren. Die Absicht solcher Aktionen ist die Betroffenen zu verwirren, sie einzuschüchtern und zu verunsichern, was vor allem zu Beginn solcher Aktionen gelingt. Dadurch werden die Betroffenen quasi entwurzelt, denn die Wohnung oder das Haus eines Menschen stellt in gewissem Maß seine Höhle dar, in der er Schutz und Zuflucht findet. Diese eigenen Räume bieten Intimsphäre, wonach Menschen ebenso wie Tiere ein tiefes Bedürfnis haben. Dringen nun Fremde regelmäßig in die eigenen Räume ein und hinterlassen Spuren, so stellt das einen groben Verlust jeglichen Gefühls von Geborgenheit dar, d. h., der Betroffene fühlt sich nicht mehr zuhause, fühlt sich fremd und bedrängt in seiner eigenen Wohnung, die fremd und unheimlich wird. Oft werden persönlich bedeutsame Dinge entwendet oder zerstört, meist solche, die einen persönlichen Wert für die Betroffenen haben. Manche Betroffene berichten von zerkratzten Möbeln oder zerschnittenen Kleidern. Die Betroffenen glauben sich dabei allmählich vom Wahnsinn bedroht und vermuten in diesen Schikanen ihre eigene Einbildung. Sie glauben vergessen zu haben dass Einrichtungsgegenstände beim letzten Mal noch anders standen, dass Dokumente oder andere Dinge durch ihre eigene Schuld verloren gingen oder dass sie von ihrer eigenen Erinnerung getäuscht werden. Diese Form des Gaslighting findet sich vor allem auch beim Stalking.

    In einer Trendzeitschrift fand sich die Beschreibung einer speziellen Form des Gaslighting, des Medical Gaslighting, und meint damit, wenn Ärzte und Ärztinnen manipulieren. Es heißt dort u. a. (gekürzt; W.S.) : „Sie merken, etwas stimmt mit ihrem Körper nicht. Sie haben zum Beispiel starke Bauchschmerzen, die nicht aufhören wollen. Sie haben die gängigen Medikamente versucht, ihre Ernährung umgestellt, weniger Alkohol getrunken, die Zigaretten weggesteckt, sie haben regelmäßig Sport gemacht und entspannt. Also suchen sie einen Arzt oder eine Ärztin auf. Sie schildern ihre Symptome, was sie dagegen unternommen haben und werden abgespeist mit: Ist nur der Stress. Weniger arbeiten, mehr entspannen. Ihre Probleme und Beschwerden scheinen offensichtlich nicht ernst genommen zu werden, man verschreibt ihnen irgendein Medikament, das die Symptome erstmal stilllegt, sie aber wahrscheinlich auch völlig aus dem Leben kickt – und an ihrem Zustand nachhaltig nichts ändert. Das ist eine Form von Medical Gaslighting. Anstatt Ursachen für die Symptome zu finden, eine fachgerechte Beratung anzubieten, sich intensiv mit Patient*innen zu beschäftigen, wird versucht, sie mit Medikamenten ruhig zu stellen und möglichst schnell aus der Praxis zu befördern. (…) Vor allem Frauen werden häufiger Opfer von Medical Gaslighting – weil unsere Gesellschaft das Patriarchat, indem Frauen nicht ernst genommen werden, auch im Medizin-Sektor weiter aufrechterhält.“


    Manchmal sind es keine drastischen Vorfälle wie oben beschrieben, sondern kleine Entwertungen im Alltag, etwa Sätze wie: „Was redest du da? Das ist doch paranoid!“, „Du warst ja schon immer so schwierig“ oder „Sei froh, dass du mich hast. Wer sollte es sonst mit dir aushalten.“ Dabei werden Erinnerungen in Frage gestellt, Ereignisse dargestellt, die nie passiert sind, d. h., die eigene Erfahrung wird durch den anderen so manipuliert, dass das Opfer sich später schuldig fühlt, auch wenn es nichts falsch gemacht hat. Die Folge eines solchen defensiven Verhaltens ist letztlich Isolation und totale Kontrolle. Im Frauenmagazin WIENERIN fanden sich einige Hinweise, um Gaslighting beim Partner zu erkennen und sich dagegen zu wehren:

    • Erkenne, was sein Verhalten auslöst, denn Gaslighter sind oft Menschen, die kein starkes Selbstwertgefühl haben, denn wenn sie falsch liegen, bringt sie das aus dem Gleichgewicht und sie fühlen sich bedroht. Dieses Muster bei seinem Partner erkenn man daran, dass er immer das letzte Wort haben muss und beginnt, Tatsachen zu verdrehen.
    • Gaslighter sind defensiv, d. h., mit einem Gaslighter zu argumentieren ist meist sinnlos, denn defensives Verhalten ist seine Manipulationsstrategie. Sie behaupten, dass man übertreibt oder gar verrückt ist, wodurch sie ihre Opfer frustrieren und aus der Balance bringen. In so einem Fall sollte man ruhig bleiben ist der bessere Weg und offensiv agieren, indem man sagt: „Wir sehen die Dinge offenbar anders, lass uns in Ruhe darüber reden.“
    • Zweifle nicht an dir selbst, denn der Moment, in dem man an sich selbst oder an seiner Realität zweifelt, ist ein klares Anzeichen, dass es in der Beziehung eine bestimmte Form des Gaslighting gibt. Häufig beginnt beim Gaslighting die Manipulation mit der Verleugnung vergangener Ereignisse, d. h., der Täter oder die Täterin behauptet, dass ein konkretes Ereignis in dieser Art und Weise nicht geschehen ist. Obwohl das Opfer eigentlich ganz sicher weiß, dass es etwa eine Aussage getroffen hat, beginnt es an seiner eigenen Erinnerung zu zweifeln, da es dem Gegenüber vertraut, sodass dessen Behauptungen mit der Zeit auch ernstgenommen werden. Dabei sollte man auf sein Bauchgefühl hören, wenn man glaubt, dass etwas nicht stimmt. Hier gilt es in einer ruhigen Stunde darüber nachzudenken, was man wirklich glaubt und was einem in den Mund gelegt wird. Auch können manchmal Menschen außerhalb der Beziehung oft gut bewerten, was wahr bzw. falsch ist und helfen, das eigene Selbstbewusstsein wieder aufzubauen.
    • In extremen Fällen ist die Beendigung der Beziehung der einzige Ausweg als zu gehen, denn nicht jeder Gaslighter wird mit dem psychischen Missbrauch aufhören, selbst dann, wenn er damit konfrontiert wird. Eine Trennung kann jedoch dazu führen, dass es noch mehr Gaslighting oder sogar Stalking gibt, d. h., man braucht in dieser Situation Hilfe und Stärke. Man sollte den Kontakt komplett abbrechen und auch seine Umgebung darauf vorbereiten, dass er oder sie sich eventuell bei ihnen melden wird, und man keinen Kontakt mehr haben will.

    Nach der Zeitschrift stern.de gibt es sieben unscheinbare Sätze, an denen man Gaslighting erkennen kann:

    • „Du bist zu emotional.“
    • „Du übertreibst mal wieder.“
    • „So meinte ich es nicht, du verdrehst mir die Worte im Mund.“
    • „Wärst du nicht so kompliziert/dumm/anstrengend/ … , hätten wir gar kein Problem.“
    • „Das bildest du dir bloß ein.“
    • „Das ist alles deine Schuld.“
    • „Wenn ich dir wirklich etwas bedeuten würde, …“

    Mit dieser Aussage bringen Gaslightende die Partnerin oder den Partner dazu, an ihren Gefühlen und ihrer Einstellung zu ihrer Beziehung zu zweifeln sowie ihr Verhalten und ihre Grenzen in Frage zu stellen. Sie begehen damit indirekt eine emotionale Erpressung, denn meist wird die andere Person sich verpflichtet fühlen, zu beweisen, was sie ihr bedeuten.


    Der Begriff „gaslighting“ leitet seinen Namen übrigens vom Theaterstück bzw. Film “Gas Light” mit Ingrid Bergmann ab. In diesem Stück versucht ein Mann seine Frau durch Manipulieren von Gegenständen in ihrer Umgebung in den Wahnsinn zu treiben. Der Film erhielt seinen Titel aufgrund jener Szene, in der der Ehemann die Gaslampen im Raum unbemerkt ein wenig dimmt und seiner Frau einzureden versucht, das Licht im Raum habe sich nicht geändert und es sei bloß ihre Einbildung, die ihr einen Streich spiele.

    Die Handlung: „Im viktorianischen London will ein Ehemann seine Frau loswerden, damit er die wertvollen Juwelen, die sie von ihrer verstorbenen Tante geerbt hat, an sich nehmen kann, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Er beginnt, ihr Streiche zu spielen, um sie in den Wahnsinn zu treiben, in der Hoffnung, sie in eine Anstalt einweisen zu können, was ihm ihre Vollmacht einbringen würde. Er beginnt damit, das Haus für längere Zeit zu verlassen, ohne ihr zu sagen, wohin er geht. Aber die Frau hat einen Verbündeten im Haus selbst: Die Wandleuchten im Gebäude verwenden einen gemeinsamen Gasvorrat. Kurz nachdem ihr Mann das Haus verlassen hat, hört sie Schritte aus den verschlossenen oberen Stockwerken, und das Gaslicht in dem Zimmer, in dem sie sich befindet, flackert und wird schwächer. Ihr wird klar, dass er nur so tut, als wolle er gehen, aber in Wirklichkeit nur nach oben geht und das Licht anmacht) Sie erkennt, dass sie nicht verrückt ist, sondern dass er sich mit ihr anlegt.“

    So beginnt die Handlung des 1938 erschienenen Theaterstücks Gas Light, das in zahlreichen Formen adaptiert wurde, darunter ein Hörspiel mit dem Titel Angel Street, ein amerikanisches Theaterstück und, am bekanntesten, ein 1944 für den besten Film nominierter Film mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle. Der zentrale Gedanke der Geschichte traf einen Nerv – und der Titel der Geschichte bekam eine Bedeutung, die über die Grenzen des Theaters hinausging. In einem Artikel der Miami News aus dem Jahr 1948 über ein Scheidungsverfahren behauptete die Klägerin, ihr Mann habe sie „im Gaslight behandelt“. Nachforschungen des Sprachwissenschaftlers Ben Zimmer ergaben, dass der Begriff 1952 und 1962 in einer Sitcom gelegentlich verwendet wurde. Er fand auch einen Aufsatz des kanadischen Anthropologen Anthony F. C. Wallace aus dem Jahr 1962, in dem dieser schrieb: „Es wird auch allgemein angenommen, dass es möglich ist, einen völlig gesunden Menschen in eine Psychose zu treiben, indem man ihm sein eigenes Verhalten als symptomatisch für eine schwere Geisteskrankheit auslegt.“


    Literatur

    Dorpat, T.L. (1994). On the double whammy and gaslighting. Psychoanalysis & Psychotherapy, 11, 91–96.
    Gass, G.Z. & Nichols, W.C. (1988). Gaslighting: A Marital Syndrome. Journal of Contemporary Family Therapy, 10, 3–16.
    Madison, Caleb (2022). Are You Using Gaslight Correctly?
    WWW: https://www.theatlantic.com/newsletters/archive/2022/04/are-you-using-gaslight-correctly/629522/ (22-04-11)
    https://en.wikipedia.org/wiki/Gaslighting (09-11-21)
    http://www.e-waffen.de/gaslighting.html (12-11-17)
    https://wienerin.at/gaslighting-das-kannst-du-machen-wenn-dein-partner-dich-psychisch-manipuliert (19-10-08)
    https://www.stern.de/familie/beziehung/psychische-manipulation–saetze–an-denen-man-gaslighting-erkennt-31440260.html (22-01-06)
    https://www.esquire.de/news/gesellschaft/psychologie-medical-gaslighting-manipulieren (22-10-22)


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    2 Gedanken zu „Gaslighting“

    1. Psychoanalyse ist also eine Form von Gaslighting.

      Eine originelle Annahme, über die es sich nachzudenken lohnt!
      Auch wenn man sich in diesem Fall den „Täter“ oder die „Täterin“ ja freiwillig in seine Gedankenwelt holt …
      W.S.

    2. Danke für den ausführlichen Artikel! Ich habe es auf Google Translate kopiert und übersetzt, weil ich kein Deutscher (ich bin Finne) bin. Ich fande Ihren Quellenmechanismus beim Kopieren cool!

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