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Abduktion

    Die Abduktion ist eine von C. S. Peirce konzipierte Logik, die in der psychologischen Forschung bislang kaum aufgegriffen wurde. Abduktion versucht das Entstehen von Hypothesen zu erfassen, im Unterschied etwa zur Induktion, bei der von bekannten Fällen auf ähnliche Fälle geschlossen wird. Bei der Abduktion schließt man auf allgemeine Prinzipien oder Hintergründe, die beobachtete Daten erklären könnten. Ein abduktiver Schluss kann durch Evidenzen widerlegt werden. Die wichtigsten Unterschiede zu induktiven Schlüssen sind der meist kreative Prozess, mit dem ein Schluss erreicht wird, und das Auffinden neuer Zusammenhänge.

    Abduktives Schließen liegt z.B.auch  der klinischen Diagnostik, der Fehlersuche in technischen Systemen, der juristischen Interpretation von Sachverhalten und vielen Kausalattributionen des Alltags zugrunde. Eine Reihe empirischer Befunde legt nahe, dass derartige Schlussfolgerungen systematisch von normativen Modellen der Logik abweichen.
    Siehe dazu im Detail Abduktion – eine logisch unerlaubte Art des Schließens.

    Abduktion
    [Quelle: http://www.rz.uni-frankfurt.de/~wirth/bilder/holmes.gif]

    Ein nettes Beispiel zur Abduktion stammt von Eberhard (1999, S. 123ff.): Homer Simpson geht am Wochenende mit seinen Freunden Pilze sammeln. Natürlich haben alle keinen blassen Schimmer, welche Pilze essbar, genießbar, ungenießbar oder eben giftig sind. Deshalb stopfen sie auch jeden Pilz, den sie finden, in ihre Körbe. Immerhin haben sie das Glück, dass Lisa vor dem Kochen der Pilze diese anhand eines entsprechenden Buches überprüfen will. Ihre Aufgabe ist es also, die Pilze in vier Haufen zu sortieren: essbar, genießbar, ungenießbar und giftig. Diese Zuordnung nimmt man anhand von Kriterien wie Form, Farbe, Geruch usw. vor, also durch Abduktion. Ziel ist es, bestimmte Dinge oder Ereignisse in einem Typ oder einer Klasse von Dingen und Ereignissen zuzuordnen. Dabei werden die Schwierigkeiten der Abduktion sichtbar, denn viele Pilz sehen sich ähnlich und sind für den Laien schwer zu unterscheiden. Oft kann ein Pilz zu verschiedenen Pilzsorten gehören, wobei man eine eindeutige Zuordnung erst dann treffen kann, wenn man ihn isst, was natürlich gefährlich sein kann. Ein abduktiver Schluss ist daher nicht zwingend logisch, sondern allenfalls plausibel oder wahrscheinlich. Trotz dieser Schwierigkeiten ist die Abduktion wichtig, denn sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft steht man oft vor dem Problem, einzelne Ereignisse oder Dinge in Klassen einzuordnen.

    Definitionen

    Vom lateinischen bzw. neulateinischen übersetzt Abduktion = das Wegführen. Aus medizinischer Sicht ist damit das Bewegen von Körperteilen von der Körperachse weg gemeint. Also zum Beispiel das Heben des Armes oder das Spreizen der Finger und Zehen (vgl. Duden 1997, S. 23 – 24).
    Eine Bezeichnung von C.S. Peirce für eine neben Deduktion und Induktion dritte Möglichkeit syllogistischen Schließens, und zwar das Schließen von dem Resultat und der Regel auf den Fall. Beispiel: Alle Menschen von Kreta lügen (Regel). Diese Menschen lügen (Resultat). Diese Menschen sind von Kreta (Fall). Die Annahme ist nur ein Wahrscheinlichkeitsschluss, wird jedoch in der Wissenschaften bei Hypothesenbildungen angewandt (vgl. Fuchs-Heinritz, Lautermann, Rammstedt & Wienold 1994, S. 15).
    Abduktion ist die Fähigkeit zur Bildung neuer Interpretationen. Abduktionen dienen zur Bildung von Hypothesen, die die Deduktion und die Induktion als Grundlage benötigen (vgl. Koller 2004, S. 247).
    Elisabeth Heinemann stuft die Abduktion nicht als (formal) Logisches ein, sondern als Mutmaßung. Als Beispiel nennt sie die Hündin Gala. „Alle Hündinnen sind gefräßig (Hinweis). Gala ist gefräßig (Vergewisserung). Gala ist eine Hündin (Befund)“ (vgl. Heinemann 2006, S. 121).
    Dem Begriff Abduktion kommt in der Sozialforschung eine bedeutende Stellung zu. Reichertz hat zahlreiche Forschungsergebnisse überprüft, die alle zu dem Ergebnis kommen, dass neue Erkenntnisse (Abduktionen) auf logischem und überzeugendem Weg erlangt worden seien. Für ihn haben diese Ergebnisse meist nur spärliche Hinweise auf logische Schlussfolgerungen (vgl. Reichertz 2003, S. 7 – 15).

    Literatur

    Der Duden in 12 Bänden. Band 5 (1997). Mannheim.Leipzig.Wien.Zürich: Dudenverlag.
    Eberhard, K. (1999), Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Stuttgart: Kohlhammer.
    Fuchs-Heinritz, W., Lautermann, E., Rammstedt, O., Wienold, H., (1994). Lexikon zur Soziologie. Opladen: Westdeutscher Verlag.
    Heinemann, E. (2006). Sprachlogische Aspekte rekonstruierten Denkens, Redens und Handelns. Wiesbaden: Verlag Gabler.
    Koller, W. (2004). Perspektivität und Sprache: Zur Struktur von Objektivierungs-formen in Bildern, im Denken und in der Sprache. Berlin.New York: Verlag Walter de Gruyter.
    Reichertz, J. (2003). Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: VS Verlag.


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