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symbolischer Interaktionismus

    George Herbert Mead gilt als Begründer und Hauptvertreter bzw. Herbert Blumer als Namensgeber des symbolischen Interaktionismus, der davon ausgeht, dass der Mensch nicht nur in einer natürlichen Umwelt lebt, sondern auch in einer Welt, die symbolischen Charakter aufweist.

    Zentraler Untersuchungsgegenstand des Symbolischen Interaktionismus sind symbolisch vermittelte Interaktionsprozesse, d. h., Wechselbeziehungen von mindestens zwei Menschen, die sich durch ihr Verhalten aufeinander beziehen. In jeder Interaktion tauschen die Interaktionspartner über unterschiedliche Kanäle, z. B. verbal-sprachlich und körper-sprachlich mittels Sprache, Tonfall, Mimik oder Gestik direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst eine gewisse Anzahl an Mitteilungen aus, die analysiert und gedeutet werden können. Wesentliche Untersuchungsfelder sind dabei auch recht unspektakuläre soziale (Alltags-)Situationen wie der Besuch eines Gasthauses oder Familienfeiern bzw. die in ihnen sich vollziehenden sozialen Aktionen. Auch wenn solche Interaktionen auf den ersten Blick sehr einfach erscheinen mögen, sind sie doch voraussetzungsreich, denn auch wenn sich die Interaktionspartner dessen in der Regel nicht bewusst sind, müssen sie zahlreiche Bedingungen erfüllen, bevor sie sich überhaupt verständigen können. Interagierende Menschen müssen etwa darauf achten, was der jeweils andere tut oder beabsichtigt, d. h., sie müssen ihre Handlungen aneinander ausrichten. Auch setzen die Beteiligten in diesen Austauschprozessen stets ein bestimmtes Vorwissen ihres Gegenübers und voraussehbare Reaktionen voraus, wobei symbolischen Aktivitäten und Mitteilungen in der Wahrnehmung des Interaktionspartners auf bestimmte Erwartungen und Erfahrungen treffen, die nur verstanden werden können, wenn das Gegenüber sie mehr oder minder richtig interpretieren kann. Daher sind manche Interaktionen äußerst störanfällig.

    Die Interpretation hat dabei im Symbolischen Interaktionismus eine zweifache Funktion, denn sie ist zum einen ein elementarer Bestandteil der sozialen Praxis aller Interaktionspartner, die ihr Verhalten permanent wechselseitig deuten bzw. deuten müssen, und sie ist zum anderen auch eine wissenschaftliche Methode, die die Interaktionsprozesse soziologisch untersuchen kann. Basierend auf diesen Annahmen lauten die drei Prämissen des symbolischen Interaktionismus:

    • Menschen handeln den Objekten ihrer Umwelt gegenüber auf Grund der Bedeutungen, die diese für sie haben.
    • Die Bedeutung dieser Objekten entsteht in speziellen Interaktionen, welche die Menschen eingehen.
    • Diese Bedeutungen der Objekte werden von Menschen im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit diesen Objekten in einem interpretativen Prozess benützt und auch verändert.

    Der symbolische Interaktionismus bezeichnet in der Psychologie daher eine weit gefasste, übergreifende Perspektive, die sich auf einem sehr grundsätzlichen Niveau mit der Analyse von menschlichen Gemeinschaften beschäftigt. Zu den Vertretern des symbolischen Interaktionismus zählen George Herbert Mead und Erving Goffman. Zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen beschäftigen sich neben der Psychologie mit diesem Ansatz, vorrangig Soziologie, Ethnologie, Ethologie und Kulturanthropologie.

    Im symbolischen Interaktionismus kann man auf metatheoretischer Ebene sehr unterschiedliche Konzepte wie Behaviorismus, Kognitivismus oder Rollentheorie untersuchen. Kernbegriff des symbolischen Interaktionismus sind die symbolisierenden Interaktionen, denn so läuft etwa menschliches Sozialverhalten mittels Gebärden und verbalen oder nonverbalen Gesten ab, die als Symbole für bestimmte Bedeutungsinhalte stehen und durch die Situationen des menschlichen Lebens erst ihre Bedeutung erhalten. Das Wissen über die Bedeutungen wird unter anderem über kulturelle und gesellschaftliche Bedingungen vermittelt und daher von vielen Menschen geteilt.

    Einen großen Stellenwert innerhalb der Meadschen Theoriebildung nehmen die Symbole im Handlungsprozess des Menschen ein, die für die Interaktionspartner zum Träger von Bedeutungen werden. Damit versuchte Mead ein sozialpsychologisches Konzept zu entwickeln, das Verhalten als Handeln in und durch Symbole begreift. Ausgehend von der Geste, die als wahrnehmbare Äußerung dem Interaktionspartner anzeigt, welche Absichten der Handelnde verfolgt, gelangt Mead zu der Bedeutung der Symbole, die für soziales Handeln konstitutiv sind und ihre Bedeutung durch Interaktionen erhalten. Durch den Austausch von Symbolen ist nun die gemeinsame Orientierung möglich, was dadurch geshieht, dass die Symbole sowohl für den, der sie produziert, als auch für den, der sie aufnimmt, dieselbe Bedeutung besitzen und dadurch zu signifikanten Symbolen werden. Bedeutungen in Form von signifikanten Symbolen, wie insbesondere der Sprache, können eigene künftige Handlungen anzeigen, die Handlungen des anderen identifizieren und Beziehungen zwischen den Handlungslinien von Interaktionspartnern herstellen. Um gemeinsam und abgestimmt handeln zu können, muss ein Mensch in der Lage sein, Empathie aufzubringen, also die eigene zu vollziehende Handlung in ihrer Bedeutung für den anderen einzuschätzen. Daraus ergibt sich auch die Vorwegnahme der Reaktion des anderen, denn jeder Mensch muss sich selbst mit den Augen des anderen sehen und auch dessen vermutliche Handlungen in Gedanken vorwegnehmen. Die Menschen gehen bei ihrer Kommunikation von der im Alltag auch meist bestätigten Annahme aus, dass die sprachlichen Äußerungen eine vom anderen intendierte und daher verstehbare, gemeinsame Bedeutung haben. Damit gelangt Mead zum Begriff des role-taking, also das Sichhineinversetzen in die Position oder Rolle des jeweiligen Interaktionspartners.

    Literatur

    Mead, George Herbert  (1968). Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.


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